Khader Adnan war ein prominentes Mitglied der Extremistengruppe Islamischer Jihad.

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Jerusalem/Aleppo – Nach dem Tod Khader Adnans – eines prominenten Mitglieds der Extremistengruppe Islamischer Jihad – ist es zu einem massiven Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf Israel gekommen. Rund 22 Flugkörper seien auf israelische Städte abgefeuert worden, teilte das israelische Militär am Dienstagnachmittag mit. Zuvor heulten in mehreren Grenzstädten die Warnsirenen. Nach Angaben der Armee wurden vier Raketen vom Flugabwehrsystem Iron Dome abgefangen.

16 weitere Raketen landeten demnach auf offenem Gelände. Nach Angaben von Sanitätern wurden mindestens drei ausländische Staatsbürger auf einer Baustelle von Raketensplittern verletzt. Darunter sei ein ungefähr 25-Jähriger mit schweren Verletzungen. Alle drei seien zur Behandlung in ein Krankenhaus gekommen. Zudem berichtete die israelische Polizei von zwei weiteren Verletzten, die wegen Angstzuständen behandelt wurden. Das Militär und die Polizei riefen die Bewohnerinnen und Bewohner auf, sich in der Nähe von Schutzräumen aufzuhalten.

Gefangenenvertretung spricht von "kaltblütiger Hinrichtung"

Der Islamist Adnan sei am Dienstag nach 87 Tage langer Verweigerung der Nahrungsaufnahme bewusstlos in seiner Zelle aufgefunden worden, hatte die israelische Gefängnisbehörde in der Früh mitgeteilt. Adnan habe medizinische Behandlungen verweigert.

"Unser Kampf geht weiter, und der Feind wird einmal mehr erkennen, dass seine Verbrechen nicht ohne Antwort bleiben werden", teilte der Islamische Jihad mit. "Der Widerstand wird mit aller Kraft und Entschlossenheit fortgesetzt." Die Gefangenenvertretung im Gazastreifen (WAED) sprach von einer kaltblütigen Hinrichtung Adnans.

Der 45-Jährige war eine bekannte Persönlichkeit des Islamischen Jihad im besetzten Westjordanland, das im Krieg von 1967 von Israel erobert worden war. Israel warf Adnan Terrorismus vor. Während seiner verschiedenen Inhaftierungen seit 2004 trat er mindestens fünfmal in den Hungerstreik. Wie die den Gazastreifen beherrschende islamistische Hamas lehnt auch der Islamische Jihad Friedensvereinbarungen zwischen den Palästinensern und Israel ab und fordert seine Zerstörung.

Palästinensischer Ministerpräsident wirft Israel "absichtliche Ermordung" vor

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Shtayyeh warf Israel eine "absichtliche Ermordung" Adnans vor, "indem sie seine Forderung nach Freilassung zurückgewiesen haben, ihn medizinisch vernachlässigt und trotz der Schwere seines Gesundheitszustands in seiner Zelle gelassen haben". Auch das palästinensische Außenministerium machte Israel für seinen Tod verantwortlich und forderte eine internationale Untersuchung der Umstände. Im Westjordanland und im Gazastreifen riefen Palästinenser einen Generalstreik aus. Die Gefängnisbehörden erhöhten der Nachrichtenseite "Ynet" zufolge aus Sorge vor Unruhen anderer palästinensischer Sicherheitshäftlinge die Alarmbereitschaft.

Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir wies unterdessen "Ynet" zufolge die Behörden an, Häftlingen mitzuteilen, dass sie bei einem Aufstand oder dem Beginn eines Hungerstreiks einige ihrer zuvor gewährten Erleichterungen verlieren würden. "Meine Anweisungen an die Gefängnisbehörden lauten, eine Null-Toleranz-Politik zu betreiben", zitierte "Ynet" den Minister.

Anklage wegen Terrorvergehen

Adnan war bereits in der Vergangenheit immer wieder von israelischen Sicherheitskräften festgenommen und ohne offizielle Anklage in Haft gehalten worden. 2015 war Adnan bereits nach einem lebensbedrohlichen Hungerstreik freigelassen worden. Auch im Februar 2012 hatte Adnan nach einer Einigung mit Israel einen 66-tägigen Hungerstreik beendet. Mit der Aktion protestierte er gegen seine sogenannte Verwaltungshaft in Israel. Dabei können die Betroffenen für sechs Monate und länger ohne Anklageerhebung aus Sicherheitsgründen festgehalten werden.

Diesmal war die juristische Lage nach israelischen Angaben jedoch anders, weil Adnan vor einem Militärgericht offiziell wegen Terrorvergehen angeklagt worden sei. Ein ähnlicher Deal über eine Freilassung wie in der Vergangenheit sei daher vor Ende des Prozesses nicht möglich gewesen, hieß es vonseiten der Gefängnisbehörde. In der Haftanstalt habe es eine gut ausgestattete medizinische Einrichtung gegeben, und man habe ihn regelmäßig in ein ziviles Krankenhaus gebracht. Adnan habe jedoch jegliche medizinische Behandlung sowie alle Tests verweigert. "Für ihn gab es offenbar nur Freilassung oder Tod." (APA, 2.5.2023)