Zwei Krönungen zum Preis von einer.

Foto: REUTERS/Phil Noble/File Photo

Der Hinweis fehlt in keiner Medienunterrichtung des Buckingham-Palastes: Am Samstag gibt es in der Westminster Abbey nicht nur eine, sondern gleich zwei Krönungen. Spötter zitieren schon den Werbespruch großer britischer Supermarktketten, die gern "zwei Produkte zum Preis von einem" verkaufen. Die beiden Hauptpersonen aber – und Millionen Interessierte rund um die Welt – nehmen die Angelegenheit ernst, ja, sie freuen sich nun schon ein bisschen darauf.

VIDEO: Wo steht Charles III. politisch und ideologisch?
DER STANDARD

König Charles III. jedenfalls, so haben es zuverlässige Augenzeugen berichtet, sei bei den Proben des festlichen Spektakels im Ballsaal des Buckingham-Palasts "sehr entspannt" gewesen. Und von seiner Frau, der zukünftigen Königin Camilla, ist ohnehin bekannt, dass sie so schnell nichts erschüttern kann, ganz bestimmt keine Krone auf ihrem Haupt. Übrigens ist diese nach ihrer Vorvorgängerin Mary von Teck benannt, der Frau von George V. (1910–1936), und glänzt mit drei der sogenannten Cullinan-Diamanten, die aus dem größten bekannten Edelstein der Welt stammen.

Charles muss nicken

Mary war 44, als ihr die Krone aufgesetzt wurde; Elizabeth Bowes-Lyon, Frau von George VI. und damit Charles' Großmutter, zählte 37 Jahre. Die 75-jährige Camilla hingegen befindet sich längst im Pensionsalter – noch so ein Grund, der etwa zweistündigen Zeremonie am Samstag mit einiger Gelassenheit entgegenzusehen. Auch Geduld wird sie beweisen müssen, schließlich dreht sich zunächst alles um ihren 74-jährigen Mann. Erst wenn der Monarch seinen Amtseid geschworen hat, vom Erzbischof von Canterbury gesalbt und gekrönt worden ist, ist die Reihe an Camilla. Es bedarf dazu der Einwilligung des dann gerade frisch Gekrönten, die er durch ein Kopfnicken signalisiert.

Wer wollte daran zweifeln, dass Charles mit freudigem Herzen Ja sagt. Immerhin begleitet ihn die derzeit noch als Königsgemahlin bezeichnete Frau seit Jahrzehnten, schon lange vor der Hochzeit 2005, "in guten wie in schlechten Tagen" – Letztere gab es viele für die damalige Mrs. Parker Bowles, als sie noch die Geliebte des Thronfolgers war, vielfach angefeindet, ja verhasst bei all jenen, die ihr das Scheitern von Charles' erster Ehe mit Prinzessin Diana anlasteten.

Gemeinnützige Königin

Davon gebe es immer noch einige wenige, wie Camilla Tominay kürzlich dem Club der Auslandspresse (FPA) berichtete. Die Königshaus-Reporterin des "Daily Telegraph" weist lieber auf Camillas umfangreiches Engagement für wohltätige Zwecke hin. Seit vielen Jahren wirbt sie Geld ein für die Osteoporose-Forschung und dient als Schirmherrin für eine Reihe von Organisationen, die sich um Opfer häuslicher Gewalt kümmern. Zuletzt gewann die frühere Herzogin von Cornwall einige Beachtung als begeisterte Romanleserin und Unterstützerin von Projekten, die zeitgenössische Literatur fördern.

Zweifellos aber ist und bleibt ihre Hauptfunktion ganz altmodisch die Unterstützung ihres Mannes. Erst durch die Ehe mit seiner "charmanten, diskreten und geduldigen" zweiten Frau sei Charles zu einem "eindeutig glücklichen Mann" geworden, urteilt die britisch-amerikanische Autorin Tina Brown. Die Charles-Biografin Catherine Mayer lobt den Einfluss von Camillas "unerschütterlicher Frohnatur" auf den zu Grübelei und Gereiztheit neigenden König.

Schweigen zu Vorwürfen

Geschickt und mit langem Atem hat sich die Mutter von zwei Kindern aus erster Ehe und mittlerweile Großmutter von fünf Enkeln – die drei Buben treten am Samstag als Pagen auf – ihren Platz im Königshaus erarbeitet. Ob die dafür nötige PR-Offensive um die Jahrhundertwende auf Kosten von Prinz Harry ging, wie dieser Anfang des Jahres im Werbefeldzug für sein Memoirenbuch "Reserve" behauptet hat? Um Camilla in den Augen der Öffentlichkeit gut dastehen zu lassen, habe die Medienstelle des Palastes negative, teils sogar falsche Details über das Leben des damaligen Teenagers an die Presse lanciert. Der mittlerweile in Kalifornien Lebende ging sogar so weit, seine Stiefmutter als "Schurkin" zu bezeichnen.

Die zukünftige Königin reagierte darauf im Stil ihrer Schwiegermutter Elizabeth II.: mit Schweigen. Das Verhältnis zur verstorbenen Queen, die der langjährigen Geliebten ihres Ältesten zunächst sehr skeptisch gegenüberstand, soll in den letzten Jahren deutlich besser, ja geradezu gut geworden sein. Vielleicht liegt das an Camillas Gabe, die privaten Kontakte mit ihrer Patchwork-Familie zu pflegen. Harry und seine Frau Meghan gehören wohl eher nicht dazu, ihr geschiedener Mann Andrew hingegen schon.

Der früher als Frauenheld verschriene Ex-Brigadegeneral hat über sein Leben mit Camilla stets eisernes Schweigen bewahrt. Selbstverständlich ist er zur Krönung am Samstag eingeladen. Anders als Prinz Harry dürfte Parker Bowles auch bei der anschließenden Privatfeier der Royals willkommen sein. (Sebastian Borger aus London, 2.5.2023)