Waren die Straßen bei den Besuchen von Queen Elizabeth II. in Jamaika noch von royalen Fans gesäumt, die "God Save the Queen" skandierten, wurden ihr Enkelsohn und seine Frau mit verschränkten statt offenen Armen begrüßt. William und Kate sollten im Vorjahr mit einer Charmeoffensive Werbung für die Monarchie machen – damit nach dem Tod der Königin, die eine einigende Wirkung auf das Commonwealth hatte, auch noch unter Charles III. ein großer Staatenbund bestehen bleibe.

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DER STANDARD

Doch die Bevölkerung der besuchten Staaten Jamaika, Belize und den Bahamas forderte von den Royals kein nettes Lächeln, sondern eine Entschuldigung und Reparationszahlungen für die Verschleppung und Versklavung von Menschen. William bezeichnete den Sklavenhandel als "verabscheuungswürdig", aber eine Entschuldigung blieb aus.

Bei ihrem Besuch in Jamaika vermittelten William und Kate eine kolonialistische Optik.
Foto: EPA/RUDOLPH BROWN

Mantel des Schweigens

Fachleute sprachen von einer verpassten Chance. Denn das Thronfolgerpaar hätte das Thema von sich aus ansprechen und sich für die Rolle des Königshauses entschuldigen sollen, sagte etwa Trevor Burnard, Direktor des Wilberforce Institute for the Study of Slavery and Emancipation an der Universität Hull, zum britischen "Guardian". Besuche an Orten, an denen an das Verbrechen der Sklaverei erinnert wird – etwa der Hafen von Kingston –, hätten sich laut Burnard angeboten.

So sehr in den ehemaligen Kolonien die Rufe nach Gerechtigkeit lauter werden, so sehr wünscht sich jedoch offenbar die Bevölkerung Großbritanniens, dass ein Mantel des Schweigens darüber ausgebreitet wird. In einer aktuellen Umfrage der britischen "Daily Mail" sind 55 Prozent der Befragten der Meinung, dass sich König Charles III. nicht für die Sklaverei entschuldigen sollte. In einer "YouGov"-Befragung 2019 waren 32 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Meinung, dass die Kolonialzeit "eher etwas ist, worauf man stolz sein kann".

Auch in Großbritannien wurden im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung Statuen gestürzt – wie jene von Sklavenhändler Edward Colston in Bristol.
Foto: KEIR GRAVIL via REUTERS

Weitreichende Auswirkungen

Doch Wissenschafterinnen und Wissenschafter sind sich einig, dass viele Probleme in den befreiten Staaten wie ethnische Konflikte, Unterdrückung von LGBTIQ-Personen und Umweltzerstörung auf den britischen Kolonialismus zurückzuführen sind. "Vorstellungen von Eigentum und Besitz wurden durch den Kolonialismus verändert", sagte Anna Arabindan-Kesson, Professorin an der Princeton University, im Interview mit dem "Time"-Magazin: "Etwa, dass ungenutztes Land einfach zum Besitz von Kolonialisten werden konnte."

Anfang April überraschte Charles III. schließlich die Öffentlichkeit, indem er die Mitarbeit der königlichen Familie an einem Projekt zusicherte, dass sich mit den Verstrickungen der Monarchie in den transatlantischen Sklavenhandel beschäftigt. In einem Statement aus dem Buckingham Palace heißt es, dass der König damit an eine Rede in Ruanda vor einem Jahr anknüpfen wolle. Im Juni hatte Charles dort von einem "tiefen Schmerz", den das "Leid so vieler Menschen" auslösen würde, gesprochen, "während ich mein eigenes Verständnis für die anhaltende Auswirkungen der Sklaverei weiter vertiefe".

Bei einer Rede in Ruanda sprach Charles – noch als Thronfolger – von einem "tiefen Schmerz" im Zusammenhang mit Sklavenhandel.
Foto: Dan Kitwood, Pool Photo via AP

Von einer Entschuldigung ist das noch immer weit entfernt – doch der König will den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern des Forschungsprojekts Zugang zur royalen Sammlung und den royalen Archiven ermöglichen. Bis 2026 sollen Ergebnisse vorliegen. Der "Guardian" hat bereits jetzt in einem Projekt ein bisher unbekanntes Dokument veröffentlicht, das eine Überweisung von 1.000 Pfund für Anteile an der sklavenhandelnden Royal African Company im Jahr 1689 an König William III. belegt.

Edelsteindebatte

Im Zusammenhang mit den Krönungsvorbereitungen wurde seitens der Commonwealth-Nationen auch von hoher Stelle aus Kolonialismus-Kritik laut: Indiens Premierminister Narendra Modi drängte den Palast, auf einen riesigen Diamanten in der Königinnenkrone zu verzichten – den sogenannten "Koh-i-Noor", der aus Indien stammt. Mitte des 19. Jahrhunderts überließ ihn der zehnjährige Sikh-Herrscher Duleep Singh der britischen Ostindien-Armee, um die Invasoren zu besänftigen.

In der Krone der Queen Mum war der Koh-i-Noor-Diamant im Malteserkreuz eingearbeitet.
Foto: AP Photo/Alastair Grant, File

Der Buckingham Palace wird den Diamanten am Samstag nicht einsetzen, eine Rückgabe ist aber auch kein Thema. Stattdessen kommen Teile des "Cullinan"-Diamanten in der Krone von Camilla zum Einsatz – eines Steins, der 1905 in Südafrika ausgegraben wurde und nach Lesart von Fachleuten auch als Raubgut gilt. (Bianca Blei, 6.5.2023)