"Wir haben noch ein Jahr Zeit", sagte dieser Tage ein sehr bekannter bürgerlich-liberaler Top-Manager. Er meinte das Jahr, bis die Kanzlerschaft Herbert Kickls oder zumindest ein Rechts-rechts-außen-Bündnis zwischen ÖVP und FPÖ kommt und Österreich nachhaltig in Richtung Orbánistan umbaut. In diesem Jahr müssten die demokratischen Kräfte in diesem Land dafür sorgen, dass der schlimmste Fall – eben ein autoritär-rechtslastiges Österreich – nicht eintritt.

Heimspiel im Bierzelt: FPÖ-Chef Herbert Kickl am 1. Mai in Linz.
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Die FPÖ führt mit etwa 30 Prozent in den Umfragen. Kickl hielt am 1. Mai im Bierzelt in Linz bereits eine triumphale Rede. Er sieht sich schon als "Volkskanzler", der den "Eliten" heimleuchten will. Übersetzung: als autoritären Herrscher, der sich nicht um demokratische Institutionen kümmern, die Justiz und die kritischen Medien gleichschalten, außenpolitisch einen Putin-Kurs fahren und Oppositionelle verfolgen will.

Üble Scheindemokratie

Wenn Kickl sagt, er werde "auf linkslinken Firlefanz und Klimbim wie die Genderei und den Kult um die Regenbogenfahne verzichten", dann meint er, er werde jede Abweichung von der Bierzelt-Norm verbieten und verfolgen. Wenn Kickl den grölenden Anhängern zuruft: "Machen wir’s dem Orbán nach, liebe Freunde. Bauen wir die Festung Österreich", dann will er nicht nur jedes Asylrecht abschaffen (wie der "gemäßigte" Manfred Haimbuchner auch), sondern er will es Viktor Orbán in allem nachmachen: im Umbau Österreichs zu einer üblen Scheindemokratie.

"Es wird ein anderer Wind wehen in diesem Land" (Kickl). Eine gefährliche Drohung aus dem Vokabular der Gewaltmenschen. Kickl besteht nicht nur aus seiner radikalen Rhetorik, die manche an Goebbels erinnert. Er ist ein Täter. Als Innenminister hat er den Verfassungsschutz aushebeln lassen, um dort die Macht zu übernehmen und die Rechtsextremismusabteilung zu zerschlagen. Zwei Jahre zuvor hielt er noch bei einem Rechtsextremistenkongress in Linz eine Rede. Im Unterschied zu Jörg Haider und H.-C. Strache hat der Asket Kickl keine suspekten Privathobbys, die ihm vom Streben nach der ganzen Macht ablenken.

Sebastian-Kurz-Schock

Kickl kann mit der ÖVP eine Regierung bilden oder Kanzler werden. Die Volkspartei leidet unter dem Sebastian-Kurz-Schock. Sie kommt damit nicht klar, dass sie auf ihn hereingefallen ist. Sie versucht, die Macht zu halten, notfalls mit Kickl.

In Oberösterreich regiert die FPÖ seit Jahren mit. In Niederösterreich hat sich die ÖVP der FPÖ unterworfen (was Johanna Mikl-Leitner auf Sicht den Job kosten wird). In Salzburg wird die ÖVP wohl mit der "gemäßigten" Marlene Svazek koalieren, die sich mit einem Rechtsextremen und entsprechend auslegbaren Handzeichen fotografieren lässt. Landeshauptmann Wilfried Haslauer wird dann auch gehen. Die FPÖ hat sich an der Regierung bisher immer selbst durch Korruption und Inkompetenz gesprengt. Ein Teil ihrer Wähler will Protest, nicht Rechtsextremismus.

Aber auf beides wird man sich diesmal nicht verlassen können. Der Marsch an die Macht ist angesagt und wird vorbereitet. Es gibt historische Situationen, in denen alles plötzlich kippt. Wenn das demokratische Österreich etwas dagegen unternehmen will, muss es sich als Erstes über die Gefahr klar werden. (Hans Rauscher, 2.5.2023)