Verbessert hat sich die Lage der Pressefreiheit in Österreich nicht, auch wenn das Land nach einem Absturz von Rang 17 auf Rang 31 im neuen Ranking zwei Plätze gutgemacht hat. Die Punktebewertung des Landes in einer internationalen Expertenumfrage sei praktisch gleich geblieben, betont Reporter ohne Grenzen (ROG). Und der Österreich-Präsident der Organisation, Medienwissenschafter Fritz Hausjell, fasst das aktuelle Ergebnis so zusammen: "Der letztjährige starke Absturz Österreichs im Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen hat sich verfestigt."

Vor der Hausdurchsuchung

Mit einem umfangreichen Onlinefragebogen lässt Reporter ohne Grenzen Expertinnen und Experten, Wissenschafterinnen und Branchenkenner die Lage der Pressefreiheit bewerten.

Bewertet wurde zu Jahresbeginn, vor den Hausdurchsuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bei Heute und den Ermittlungen gegen die Herausgeber von Heute und Kronen Zeitung. Das Ergebnis der ORF-internen Untersuchungen über Einflussnahme auf die Berichterstattung des ORF Niederösterreich im Sinne der ÖVP lag gerade noch nicht vor – der zuständige Landesdirektor trat wegen der teils erhärteten Vorwürfe zurück. Bewertet wurde auch vor dem Begutachtungsentwurf für ein neues ORF-Gesetz, das die großteils staatsnahe Besetzung der ORF-Gremien nicht verändert – diese prüft der Verfassungsgerichtshof.

ROG-Präsident Hausjell führt die zwei gutgemachten Plätze bei etwa gleichbleibender Punktezahl für Österreich vor allem auf Nichthandeln der Regierung in Sachen Medienpolitik zurück. Bloße Ankündigung von Verbesserungen wie 2022 besserten die Lage der Pressefreiheit noch nicht.

Reporter ohne Grenzen verweist hier etwa auf das weiter ausständige Informationsfreiheitsgesetz nach einem "mangelhaften" Entwurf: "Österreich bleibt somit das einzige EU-Land ohne ein solches Gesetz."

Den Gesetzesentwurf zur Journalismusförderung, er wird derzeit von der EU beihilfenrechtlich geprüft, nennt Reporter ohne Grenzen "halbherzig", er ignoriere Diversität, Inklusion, Innovation und die für eine vitale Demokratie ebenso wichtigen kleinen Medien.

Weiterhin fehle eine Obergrenze für öffentliche Werbebuchungen, kritisiert die Organisation "wechselseitige Steuerungsversuche" von Politik und Medien. "Korruptiven Verhältnissen zwischen Regierung und Medien wurde durch das neue Medientransparenzgesetz kein Riegel vorgeschoben", kommentiert Hausjell die vergangene Woche beschlossene Novelle: "Es können weiter ohne Folgen weitgehend willkürlich von der Regierung Werbeaufträge vergeben und Medienkooperationen eingegangen werden. Damit ist Steuerung von Journalismus nicht unterbunden."

In der Kategorie "rechtliche Rahmenbedingungen" habe das Land 1,63 Punkte verloren. In der Kategorie "politischer Kontext" verlor Österreich 3,81 Punkte im Jahr der Rücktritte von Chefredakteuren des ORF und der Presse wegen Chats mit Funktionären von ÖVP und FPÖ.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich laut Expertinnenumfrage gegenüber dem Vorjahr leicht um 0,42 Punkte verbessert – von niedrigem Niveau. Reporter ohne Grenzen führt diese Verbesserung auf die 2022 ausgeschütteten 54 Millionen Euro Digitaltransformationsförderung zurück. Die Organisation vermisst hier transparente Begründungen für die Zuerkennung von Fördermitteln.

Österreich schneidet mit Rang 29 im aktuellen Ranking "zufriedenstellend" ab – weit hinter Osttimor, Samoa und Costa Rica und direkt hinter Moldau, vor Trinidad und Tobago sowie Belgien.

Reporter ohne Grenzen bewertet mit dem Index die Pressefreiheit in 180 Ländern und Gebieten weltweit. In 31 Ländern wird die Situation der Pressefreiheit als "sehr ernst" eingestuft, in 42 als "schwierig", in 55 Ländern als "problematisch", in 52 als "zufriedenstellend" oder "gut".

In 70 Prozent der Länder unter Druck

"In 70 Prozent der Länder weltweit steht die Pressefreiheit unter Druck", erklärt Corinna Milborn (ProSiebenSat1Puls4), Vizepräsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich: "Eine wachsende Bedrohung ist Desinformation: Machthabende desavouieren die freie Presse mit immer glaubhafteren Fakes, säen Misstrauen und Verwirrung, schneiden die Bevölkerung von echter Information ab und attackieren Journalist:innen persönlich. Die schnelle Entwicklung von KI, künstlicher Intelligenz, macht Desinformation zu einem der größten Probleme für die Pressefreiheit der nächsten Jahre." (Harald Fidler, Robin Kohrs, Moritz Leidinger, 3.5.2023)