Nationalistische Serben protestieren in Belgrad gegen den Dialog mit dem Kosovo in Brüssel. Serbien hat den Kosovo nicht anerkannt.


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Der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der kosovarische Premier Albin Kurti haben bei ihrem Treffen am Dienstag in Brüssel eine Erklärung zu dem im Krieg vermissten Personen verabschiedet. Dazu sollen auch Archive geöffnet werden. Vor dem Treffen hatte Kurti noch gewarnt, dass der Verband der serbischen Gemeinden im Kosovo, den USA und EU forderten, nach dem Modell des Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina ausgeformt werde.

Die Republika Srpska ist der Teil von Bosnien-Herzegowina, der im Vertrag von Dayton verankert wurde, nachdem identitär-völkische Nationalisten im Krieg gegen den unabhängigen Staat Bosnien-Herzegowina (1992–1995) massenhaft Nichtserben, vor allem Muslime, vertrieben und ermordeten, um das Gebiet "ethnisch zu säubern" und an ein Großserbien anzuschließen.

Bosnien-Herzegowina wird weiterhin von diesen völkischen Nationalisten, die dem Kreml nahestehen, untergraben. "Was wir nicht zulassen werden, ist das Recht auf Territorialisierung", sagte Kurti deshalb, "dass ein Satellit mit einem zerstörerischen Wesen entsteht, der die Staatlichkeit des Kosovo unterwandert." Die Souveränität und territoriale Integrität des Kosovo dürfe nicht verletzt werden.

Vučić stellte bereits klar, dass Serbien kein Abkommen mit dem Kosovo unterzeichnen werde, dass jedoch der serbische Gemeindeverband als Erstes umgesetzt werden müsse. Obwohl Serbien eine Absage erteilte, behauptete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell aber: "Wir haben einen Deal." Diese EU-Darstellung sieht nach Schönfärberei aus und wirkt auf dem Balkan unglaubwürdig. Vučić weiß zudem, dass er vom Kreml abgesägt werden könnte, wenn er den Staat Kosovo anerkennen würde.

Ethnoterritoriale Zonen

Seit einigen Monaten haben – wohl auch wegen der Schwäche der EU – die USA die Gestaltungshoheit übernommen. US-Politologe Janusz Bugajski warnte kürzlich davor, dass die USA den Westbalkan de facto in drei Einflusssphären (einer kroatischen, einer serbischen und einer albanischen) nach ethnisch-territorialen Kriterien aufteilen wolle, ohne formal-rechtlich Grenzen zu verändern. Was die Nationalisten im Krieg in den 1990er-Jahren nicht erreichten, solle jetzt auf eine andere Art vollzogen werden.

Demnach soll Serbien die Republika Srpska auch ohne formelle Annexion weitgehend dominieren. Serbische und kroatische Nationalisten könnten zudem zusammenarbeiten, um die bosnischen Institutionen lahmzulegen. Die Gesetzesänderungen durch den Hohen Repräsentanten Christian Schmidt gehörten zu dem US-Plan, so Bugajski.

Schmidt setzte tatsächlich erst vergangene Woche die Verfassung des bosnischen Landesteils Föderation aus, um die Wahl einer Regierung nach dem Wunsch der USA zu ermöglichen. Die in der Föderation stimmenstärkste Partei, die bosniakische SDA, die bei den USA zuvor in Ungnade gefallen war, wurde dadurch ausgebootet, die kroatisch-nationalistische HDZ, die in den vergangenen Jahren die Regierung blockiert hatte, ein weiteres Mal durch Schmidt gestärkt. Das Vorgehen Schmidts wurde von Kritikern als "Anschlag auf die Verfassung" und Demokratie bezeichnet.

Paradoxerweise würden die Versuche der USA, die Mehrheitsnationen zu besänftigen, der Förderung von Demokratie und Bürgerrechten widersprechen und die Einflussnahme des Kreml auch noch fördern, meint auch Bugajski.

Offenkundig rassistisch

Der britische Historiker Marko Attila Hoare spricht von einer "offenkundig rassistischen Verfassungsordnung", die durch Schmidt eingeführt werde. Viele Bosnier und Bosnierinnen sind extrem frustriert und enttäuscht – vor allem von der deutschen Außenpolitik, die zwar vorgibt, werteorientiert zu sein, aber nicht eingreift und dabei die europäisch gesinnten, zivil orientierten Nichtnationalisten in Bosnien-Herzegowina im Stich lässt.

Die derzeitige Politik führt jedenfalls zu mehr Spaltung der Gesellschaft und möglicherweise sogar zu einer Radikalisierung, sicher aber zu mehr Auswanderung. Immer öfter ist von einer "christlichen Vormachtstellungsstrategie" gegen die Muslime zu hören. Anders können sich viele das Vorgehen des Westens nichts mehr erklären.

Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó sagte zu kroatischen Nationalisten, dass er deren Ziele in Bosnien-Herzegowina unterstütze, weil man auf gemeinsamen "christlichen Grundlagen" stehe. Ungarn unterstützt insgesamt panserbische und pankroatische Interessen. Das Vorgehen des Westens ist gleichzeitig das Gegenteil von dem, was man in der Ukraine macht, nämlich die hegemoniale Aggression des großen Nachbarn abzuwehren.

Für die kleinen, in ihrer territorialen Integrität und ihrer Souveränität durch die Nachbarn bedrohten Staaten Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Nordmazedonien ist es jedenfalls überlebenswichtig, dass die Ukraine Russland besiegt, weil sich damit das internationale Recht durchsetzen würde. (Adelheid Wölfl, 2.5.2023)