Hotspot Italien: Bis Ende April kamen laut Innenministerium über 40.000 Migrantinnen und Migranten in Italien an. Das entspricht einer Verdreifachung der Zahl aus dem Vorjahr. Schon am 11. April hatte die Regierung von Giorgia Meloni deswegen einen "Migrationsnotstand" ausgerufen. Es handelte sich freilich um eine vorwiegend administrative Maßnahme: Der Zustrom hielt an, allein in den vergangenen drei Wochen kamen weitere 8000 Personen an.

Betont freundschaftlich und freundlich: Karl Nehammer bei Giorgia Meloni.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Für die Postfaschistin Meloni (Fratelli d’Italia) und ihre ebenfalls rechten Regierungspartner Lega und Forza Italia stellt die Situation die bisher größte politische Herausforderung ihrer Amtszeit dar.

Meloni und Lega-Chef Matteo Salvini hatten im Wahlkampf eine drastische Reduktion der Migrantenzahlen versprochen; Meloni hatte sogar eine "Seeblockade" ins Spiel gebracht. Nun aber wird deutlich, dass ihre Regierung genauso machtlos ist wie alle anderen vor ihr: Eine 7000 Kilometer lange Küstenlinie lässt sich nicht einfach so "dichtmachen" wie eine Landgrenze.

Meloni ist in der harten Realität angekommen – und alle Maßnahmen der Regierung erwiesen sich bisher als reine Propaganda. Dies betrifft nicht nur die Verhängung des Notstands, sondern auch die Ende 2022 verfügten Schikanen gegen private Rettungsschiffe, die im Mittelmeer nun viel weniger präsent sein können. Statt von den NGOs werden die Flüchtlinge wieder von der italienischen Küstenwache gerettet – zu Tausenden.

In die Illegalität gedrängt

Als stumpfe Waffe wird sich wohl auch ein Dekret erweisen, mit dem die Regierung den Aufenthaltstitel unter humanitären Gesichtspunkten aufgenommener Personen drastisch einschränken und die Zahl der Abschiebezentren verdoppeln will. Zehntausende Personen, die sich derzeit legal in Italien aufhalten und auch arbeiten dürfen, werden von einem Tag auf den anderen in die Illegalität gedrängt werden.

Denn nur eine verschwindend kleine Anzahl kann abgeschoben werden: Rom wäre dabei auf die in der Regel mangelhafte oder inexistente Kooperation der Herkunftsstaaten angewiesen. Und so schafft es Italien lediglich, pro Jahr 4.000 bis 5.000 abgewiesene Asylbewerber tatsächlich zu repatriieren.

Meloni befindet sich in einem Dilemma, das sie sich selbst eingebrockt hat: Jahrelang hat sie als Oppositionschefin Staaten wie Ungarn und Polen applaudiert, die eine harte Migrationspolitik betreiben und keinen einzigen Flüchtling aus Italien aufnahmen. Nun wirkt es wenig glaubwürdig, wenn die gleiche Meloni in Brüssel plötzlich auf Solidarität und Quoten pocht.

"Gute Freunde"

Einen Partner hofft sie im Vorfeld des nächsten Europäischen Rates im Juni, bei dem es um Migration gehen wird, nun gewonnen zu haben: Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) traf am Dienstag in Rom mit seiner Amtskollegin zusammen. Dabei betonte er, wie wichtig die bilaterale Abstimmung in dieser Frage sei. Der EU-Grenzschutz und Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern müssten ausgebaut werden, forderte der Kanzler – ganz in derselben Tonart wie Meloni, die von der EU einen migrationspolitischen "Paradigmenwechsel" forderte. "Zusammenarbeit unter Freunden" sei auch in Sachen Ukraine-, Klima-, Energie- und Verkehrspolitik angesagt. (Dominik Straub aus Rom, 2.5.2023)