Wissenschaftsminister Martin Polaschek hofft auf eine hohe ÖH-Wahlbeteiligung und lobt die Kooperation mit der – links regierten – Studierendenvertretung.

Foto: STANDARD/Hendrich

Auf dem Campus der Universität Wien führt derzeit kein Weg am Wahlkampf vorbei. An vielen Bäumen im Innenhof des einstigen Allgemeinen Krankenhauses lehnen bunte Plakatständer, mit denen die Fraktionen der Österreichischen Hochschülerschaft für die nahende Stimmabgabe von 9. bis 11. Mai studentischen Zuspruch ergattern wollen. Wissenschaftsminister Martin Polaschek hat sich diesen Ort ausgesucht, um über die drängenden Themen des Hochschulsystems zu sprechen.

STANDARD: Was ist die wichtigste hochschulpolitische Anregung, die Sie bisher aus dem ÖH-Wahlkampf mitgenommen haben?

Polaschek: Auch Studierende haben selbstverständlich ein Interesse daran, dass die Unis eine gute finanzielle Basis haben, damit es ein gutes Lehrveranstaltungsangebot gibt. Das ist auch mein Ziel, und wir arbeiten intensiv daran, dass die Hochschulen in Österreich weiterhin auf einem soliden finanziellen Fundament stehen. Im Herbst werden ja schon die Weichen für die Budgets der Jahre 2025 bis 2027 gestellt.

STANDARD: Die ÖH attackiert Sie oft heftig, bei welchem Thema haben Sie sich denn das letzte Mal inhaltlich von Gegenargumenten der ÖH umstimmen lassen oder Ihre Meinung nach Diskussionen mit ihr geändert?

Polaschek: Es geht hier nicht darum, sein Gegenüber von seiner Meinung zu überzeugen, sondern Lösungen im Sinne der Studierenden zu finden. Und das tun wir gemeinsam. Das Ministerium ist in regelmäßigem Austausch mit der ÖH-Spitze, auch ich persönlich. Ich nehme, wie auch früher als Rektor, die Anliegen der Studierendenvertretung sehr ernst – darum sind mir auch die ÖH-Wahl und eine hohe Beteiligung daran wichtig.

STANDARD: Von ganz links bis ganz rechts sind sich alle ÖH-Fraktionen in der Forderung einig, dass die Möglichkeit auf ein Teilzeitstudium eingeführt werden soll. Wollen Sie dieses Anliegen umsetzen?

Polaschek: Diese Überlegungen gibt es seit mindestens 15 Jahren. Aber die Frage ist doch: Was ist ein Teilzeitstudium? Heißt das, dass man nur eine bestimmte Anzahl von Lehrveranstaltungen und Prüfungen machen darf und somit länger studiert? Was bedeutet das für Stipendien? "Teilzeitstudium" klingt sehr schön, aber es bräuchte konkrete Modelle, weil da ein Rattenschwanz an rechtlichen Fragestellungen dahinter ist.

STANDARD: Ich verstehe einen ÖH-Vorschlag so, dass man jedes Semester deklarieren kann, ob man Teilzeit oder Vollzeit studiert. Bei der Teilzeitvariante müsste man etwa nur die Hälfte der ECTS-Punkte für das Anrecht auf Beihilfen absolvieren, dafür wäre die ausgezahlte Beihilfe auch nur halb so hoch.

Polaschek: Davon halte ich gar nichts, wenn man da jedes Semester hin- und herwechseln kann. Ich glaube, dass das für die Unis und Behörden in einem administrativen Wirbel enden würde. Auch die Studierenden würden den Überblick verlieren, in welchem System sie gerade sind und welche Prüfungen sie da machen dürfen.

STANDARD: Und was ist mit einem anderen Modell, wo man länger in einer Variante, Teilzeit oder Vollzeit, bleiben muss? Werden Sie das angehen?

Polaschek: Wenn, dann sollten solche Modelle von den Unis mit den Studierendenvertretungen erarbeitet werden. Das müsste wirklich "bottom up" kommen.

Würde eine Option auf Teilzeitstudium allzu flexibel ermöglicht, drohe ein "administrativer Wirbel", gibt Polaschek der ÖH zu bedenken.
Foto: STANDARD/Hendrich

STANDARD: Angesichts der Versorgungsprobleme im Gesundheitssystem gibt es derzeit wieder Forderungen nach einer drastischen Aufstockung der Medizinstudienplätze. Die Med-Uni-Rektoren sagen, das sei sinnlos, weil es in Österreich ohnehin viele Medizinabsolventen und eine hohe Ärztedichte gebe: Der bereits gesetzlich festgelegte sanfte Anstieg der Plätze bis 2028 reiche völlig aus. Stimmen Sie zu?

Polaschek: Ja. Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man, dass wir eigentlich genügend Absolventinnen und Absolventen haben. Das Problem ist eher, dass sie nicht in die entsprechenden Bereiche des Gesundheitssystems gehen, das ist aber eine Sache der Gesundheitspolitik. Eine drastische Aufstockung würde bedeuten, dass die Unis nicht genügend Laborplätze und Betten im Ausbildungsbetrieb haben. Das wäre nicht handhabbar und würde die Studiendauer verlängern.

STANDARD: Kanzler Nehammer schwebt eine Pflicht für Medizinabsolventinnen vor, nach Studienabschluss für einige Jahre als Ärztinnen in Österreich zu arbeiten. Wie stehen Sie dazu? Bereitet Ihr Ministerium eine solche legistisch wohl heikle Änderung im Uni-Gesetz vor?

Polaschek: Zuerst brauchen wir eine Gesamtstrategie für die Verteilung des Gesundheitspersonals. Dann erst kann man über eine gesetzliche Änderung sprechen. Ich halte den Ansatz des Kanzlers aber für einen wichtigen Anstoß, wobei die Frage ist, in welcher Form eine Berufspflicht europarechtlich hält. Ich bin für alle Ideen offen, mit denen der Weg von den Medizinstudienplätzen ins Ärztesystem besser gesteuert werden kann.

STANDARD: Auch an Privatunis kann man Medizin studieren, der Sigmund-Freud-Uni (SFU) wurde allerdings die Zulassung ihres Medizinmasters von der Akkreditierungsstelle AQ Austria entzogen. Die SFU hofft, dass ihr Master 2024 wieder akkreditiert wird, und will bis dahin mit einer slowakischen Uni kooperieren. Was halten Sie davon?

Polaschek: Das ist ein interessanter Ansatz. Es ist wichtig, dass diejenigen, die jetzt noch im Bachelor sind, die Möglichkeit haben, weiterzustudieren. Das Problem ist, dass diese Studierenden ja nicht so einfach woanders einen Platz bekommen. Die SFU hat die Verantwortung dafür, nun für die Betroffenen Sorge zu tragen.

STANDARD: Aber ist das nicht ein Risikospiel, wenn man die Studierenden für ein Jahr an die slowakische Uni lotst, obwohl man nach Lektüre des AQ-Gutachtens nicht einmal sicher sein kann, dass der SFU-Master in einem Jahr wieder akkreditiert wird?

Polaschek: Ich möchte das nicht inhaltlich bewerten, ich kenne das Konzept mit der slowakischen Universität nicht. Ich gehe davon aus, dass die SFU das nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet. Es wird schlussendlich an den Studierenden liegen, ob sie das Angebot für tragfähig halten. Die SFU ist eine Privatuni, wir als Ministerium haben da keine Eingriffsmöglichkeiten.

STANDARD: Die AQ Austria könnte die Lehrangebote der slowakischen Uni auf Basis der derzeitigen Rechtslage aber nicht wirklich prüfen. Im Gesetz ist da nur ein Schmalspurverfahren vorgesehen. Wie finden Sie das?

Polaschek: Es geht ja jetzt laut SFU nicht darum, dass die Studierenden ihr Studium an der slowakischen Uni abschließen, sondern nur um eine Überbrückung, damit sie danach wieder in ein reguläres Programm in Österreich kommen. Wir haben hier ein funktionierendes Qualitätssicherungssystem. Die Anerkennung ausländischer Prüfungen liegt in der Verantwortung der jeweiligen Uni, das ist immer so.

Zur möglichen Kooperation der Sigmund-Freud-Uni mit einer slowakischen Hochschule gibt sich Polaschek zurückhaltend. Die Rechtslage zur Qualitätssicherung sei für Fälle wie diesen ausreichend.
Foto: STANDARD/Hendrich

STANDARD: Es gibt weiter Wirbel um die Digital-Uni Linz. Vergangene Woche haben Sie Vorwürfe zu vermeintlichen Grazer Seilschaften und Befangenheiten im Gründungskonvent als "Verschwörungstheorien" abgeschmettert. Nun aber schalten Sie doch die Finanzprokuratur zur Überprüfung ein. Wie passt das zusammen?

Polaschek: Das passt gut zusammen. Nachdem hier weiter mit Privatgutachten gegen die Bestellung der Gründungsrektorin Stimmung gemacht und die Entscheidung nicht akzeptiert wird, wollen wir nochmal für Klarheit sorgen. Aber ich gehe davon aus, dass nach der Einschätzung der Finanzprokuratur dann wirklich eine Ruhe ist und der Gründungskonvent arbeiten kann.

STANDARD: Das Ministerium tut immer noch so, als könnte im Herbst ein Lehrbetrieb an der Digital-Uni starten. Sie waren Rektor, Sie wissen doch, dass man so schnell bis dahin kein Studium aufsetzen kann.

Polaschek: Es ist nie davon die Rede gewesen, dass schon im Herbst ein Studium angeboten wird. Klar ist ein Studienangebot mit einem entsprechenden Curriculum bis dahin nicht möglich, das war aber auch nie der Plan. Es geht darum, dass einzelne Lehrveranstaltungen angeboten werden, insbesondere im Doktorat in Kooperation mit anderen Institutionen.

STANDARD: Aber wer soll dann dort Lehrveranstaltungen belegen? Soll etwa jemand für einen Kurs von der TU Wien nach Linz fahren?

Polaschek: Ich würde weniger die TU Wien hernehmen, aber es gibt vor Ort die Kunstuniversität, die Ars Electronica und die Kepler-Uni in Linz. Es gäbe dann schon ab Herbst die Option, an der Digital-Uni spannende Lehrpersonen kennenzulernen.

STANDARD: Von wie vielen Lehrveranstaltungen reden wir da insgesamt? Eher zwei oder zwanzig?

Polaschek: Das kann ich nicht sagen, ich möchte auch keine Vorgaben machen. Es hängt davon ab, wie rasch es gelingt, Professorinnen und Professoren an die Uni zu holen. (Theo Anders, 2.5.2023)