Wer Mick de Brenni lange genug zuhört, bekommt unweigerlich ein Gefühl dafür, was für ein gigantisches Projekt zur Schaffung von mehr Wohlstand der Klimaschutz eigentlich werden kann. De Brenni, der mit den breiten Schultern und dem selbstbewussten auftreten aussieht, als wäre er gerade einem Hollywood-Superhelden-Film entschlüpft, ist in Wahrheit Energieminister von Queensland.

Der nordostaustralische Bundesstaat mit seinen 5,1 Millionen Einwohnern hat erst vor wenigen Monaten, im Herbst 2022, einen radikalen Plan aufgelegt, um seine Energieversorgung auf komplett neue Beine zu stellen. Aktuell kommt weniger als ein Viertel der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, doch innerhalb von weniger als zehn Jahren, will Queensland diesen Anteil zunächst auf 70 Prozent und dann auf 80 Prozent hochschrauben.

Die Regierung in der Hauptstadt Brisbane hat dafür einen umfassenden Investitionsplan ausgearbeitet, der auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in einzigartiger Weise bedenkt. Alle Arbeiterinnen und Arbeiter in der Kohleindustrie und in den Gaskraftwerken, die zurückgefahren werden soll, haben eine Art Jobgarantie vom Staat bekommen. Wir schaffen hier etwas Unglaubliches "für die gesamte Menschheit", schwärmt de Brenni, als er das Projekt diese Woche am Vormittag einer Runde interessierter Gäste aus Österreich präsentierte. Und während es vor allem der Staat ist, der hier zunächst viel Geld investieren wird, "gibt es auch enorme Möglichkeiten für Private".

Größer als der Iran oder die Mongolei

Gleich neben de Brenni sitzt in dem großen Konferenzraum der Regierung von Queensland heute Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), und unter den Zuhörern sind Vertreter einiger großer österreichischer Unternehmen, darunter von Andritz und Strabag. Grund für diese Zusammenkunft: Das Wirtschaftsministerium in Wien und das Energieministerium in Queensland haben ein Memorandum of Understanding vereinbart, das von den beiden Ministern anlässlich Kochers Reise nach Australien unterzeichnet wird. Dieses Dokument ist zwar nur eine Absichtserklärung – beide Seiten sagen zu, in allen Fragen rund um Wasserkraft künftig intensiver zusammenarbeiten, neue Technologien und Informationen austauschen und die Kooperation von Unternehmen fördern zu wollen.

Die Energiewende kommt: Energieminister Mick de Brenni.
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Aber es gibt ein Potenzial für vertiefte Zusammenarbeit, aus österreichischer und vermutlich auch aus australischer Sicht.

Queensland gilt als idealer Bundesstaat, um Erneuerbare auszubauen: Das Land ist groß, wäre es unabhängig, würde es auf der Rangliste der größten Staaten der Erde Platz 16 einnehmen. Queensland ist größer als der Iran oder die Mongolei. Dafür ist das Land dünn besiedelt, Ideal für die Windkraft, und im Regelfall scheint die Sonne.

Nachdem die ehemalige australische Regierung unter konservativer Führung von Klimaschutz lange nichts wissen wollte, hat sich das seit der Machtübernahme durch den Labor Politiker Anthony Albanese im vergangenen Jahr geändert. Das schafft offenbar auch in australischen Regionen neue Dynamiken.

Umgerechnet etwas mehr als 37 Milliarden Euro will die Regierung in Brisbane in Energietransformation bis 2035 stecken. Ein großer Teil dieser Gelder – und hier wird es für Österreich interessant – wird in die Errichtung gewaltiger Pumpspeicherkraftwerke gehen. So ist die Errichtung des weltweit größten Kraftwerks dieser Alt geplant, das Projekt firmiert unter dem Namen "Pioneer-Burdekin Pumped Hydro".

Angebot und Nachfrage zusammenbringen

Die große Herausforderung beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen, die Kohle und Gas ersetzen, ist, dass der meiste Strom unter Tags erzeugt wird, wenn der Konsum gerade niedrig ist, weil fast niemand daheim ist und alle im Büro arbeiten. Die überschüssige Energie muss irgendwo hin – und hier kommen Pumpspeicherkraftwerke ins Spiel. Sie dienen als gewaltige Energiespeicher: Der überschüssige Strom wird benutzt, um Wasser von einem tiefergelegen Becken in einen höhergelegenes zu befördern.

Wird Strom gebraucht, wird das Wasser aus den gewaltigen Wasserreservoirs mittels unterirdischer Stollen wieder in das untere Becken gepumpt und läuft dabei über Generatoren, die den Strom erzeugen. In Österreich entsteht in Vorarlberg mit dem Lünerseewerk II in den kommenden Jahren das bisher größte heimische Kraftwerk dieser Art mit einer Stromleistung von 1.000 Megawatt. Das Kraftwerk in Australien soll fünfmal so viel Strom erzeugen können bei Bedarf.

Wie Minister de Brenni sagt, will man von Österreich mit seinen unzähligen Wasserkraftwerken lernen. Für die Andritz, die aktuell schon ein kleineres Hydrokraftwerk in Queensland modernisiert, tut sich damit ein potenzieller Markt auf. Ebenso natürlich für die Strabag, die erwägt, ins Australien-Geschäft wieder einzusteigen: Die Stollen und Tunnel für Kraftwerke müssen schließlich auch erst einmal errichtet werden. Geplant ist in Queensland noch ein zweites, ebenso gewaltiges Pumpspeicherkraftwerk.

Queensland will Erneuerbare rasch ausbauen.
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Noch eine Komponente des "Energy and Jobs-Plan" von Brisbane ist interessant: Die Regierung hat im Zuge der Arbeitsplatzgarantie allen Beschäftigten in Kohlekraftwerken zugesagt, dass ihre Betriebe erhalten, aber umgewandelt werden. Die Kohlekraftwerke sollen künftig bloß keine Kohle mehr verbrennen, sie sollen stattdessen als Knotenpunkte im Energienetz weiterhin eine Rolle spielen, die Arbeiter sollen von hier aus Gerätschaften warten. Wer seinen Job nicht behalten kann, für den ist in der mit den Arbeitern abgeschlossenen Charta eine Qualifikationsgarantie enthalten. Für die Labor-Regierung in Brisbane geht es hier um die Versorgung ihrer Kernwählerinnen und Wähler.

Bis jetzt ist es nur ein Plan, Zweifel an Umsetzung

Aktuell kommt nicht nur etwa die Hälfte der Energie für Queensland aus Kohlekraftwerken. Australien ist auch weltgrößter Exporteur von Kohle, allein in Queensland sind fast 40.000 Menschen im Kohlebergbau beschäftigt. Für viele von ihnen könnte die Transformation eine Neuorientierung bringen.

Experten an der Universität Queensland attestieren der geplanten Energiewende der Labor-Regierung Potenzial. Für die Wirtschaft ist von rund 60.000 zusätzlichen Jobs die Rede, die hier in den kommenden Jahren durch neue Investitionen entstehen könnten. Allein die Hydrokraftwerke müssen laut Projektbetreibern geschätzte 8.000 Bauarbeiter errichten.

So viel Potenzial das Ganze auch haben mag, so viele Fragen stellen sich freilich auch: Aktuell liegen die Baugenehmigungen für die beiden großen Hydrokraftwerke noch nicht vor, derzeit läuft erst die Planungsphase. Auch Australien leidet unter einem Arbeitskräftemangel, ganz klar ist des also nicht, woher die tausenden Bauarbeiter kommen sollen. Der Zeitplan wirkt überambitioniert, sagen Experten, kaum umsetzbar. Ab 2030 soll das erste der beiden Mega-Pumpspeicherkraftwerke ans Netz gehen.

Dazu kommt, dass in den verschiedenen Gemeinden bereits gegen einzelne Vorhaben im Energietransformationsplan Protest aufkommt. Dabei gibt es Widerstand gegen Windparks ebenso wie gegen Überlandleitungen zu den Pumpspeicherkraftwerken.

Die Regierung in Brisbane wirkt freilich entschlossen, Hindernisse zu überwinden. Mit den Bürgerinnen und Bürgern brauche es nun einfach einen Dialog, heißt es. (András Szigetvari, 4.5.2023)