Die Rennwagen sind noch das geringere Übel. Denn der Benzinverbrauch der Boliden macht laut einer Erhebung nicht einmal ein Prozent der über 250.000 Tonnen CO2-Äquivalente aus, die in einer Saison emittiert werden.

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Wien – Von Baku nach Miami, zwei Wochen später Imola, dazwischen zahlreiche Stopps anderswo: Die Formel 1 jettet gerade in dieser Saison wild um die Welt und verbläst dadurch ein Vielfaches an CO2 aller FIS-Sportarten in einem Winter. Für eine Verbesserung der Klimabilanz empfiehlt Ursula Bittner von Greenpeace "Downsizing": Die Wirtschaftsexpertin schlägt dafür etwa die Umrüstung auf E-Autos, einen geografisch radikal entschlackten Rennkalender oder ein Privatjet-Verbot vor.

Von Baku nach Miami sind es 11.000 Kilometer Luftlinie, wobei nicht wenige aus dem Formel-1-Tross vor dem Flug in die USA noch kurz in der jeweiligen Heimat Station machen. Und es wird nicht nur auf Linienflüge gesetzt, vor allem die Topstars lassen sich den Privatjet nicht nehmen. "Der Reiseaufwand der Formel 1 müsste maximal reduziert werden", erklärte Bittner. "Das würde eine komplette Umstrukturierung des Rennkalenders bedeuten, also dass die Rennen konsequent jeweils an einem Kontinent nach dem anderen stattfinden und man nicht so wie bisher zwischen den Kontinenten mehrfach in einer Saison wechselt."

"Echte Klimaschutzmaßnahmen" gefordert

Flüge würden dadurch zwar nicht ganz wegfallen, die Kilometer in der Luft ließen sich aber erheblich verringern. "Es dürften auch keine Privatjets mehr verwendet werden, die Anreise der Zuschauer müsste auch deutlich stärker auf den öffentlichen Verkehr gelenkt werden", führte Bittner weiter aus. Es gehe schlichtweg um "echte Klimaschutzmaßnahmen", um die Treibhausgas-Emissionen zu begrenzen. In dieser Hinsicht wäre freilich die Abkehr von der Hybrid-Technologie und der Umstieg ganz auf Elektroautos "ökologisch vorteilhaft" – wenngleich das bei der Formel 1 derzeit kein Thema ist.

Trotzdem will die weltweit populärste Motorsportserie bis 2030 klimaneutral werden. Kernelement des eigenen Narrativs sind die nachhaltig erzeugten Treibstoffe, mit denen ab 2026 die Formel-1-Motoren betrieben werden sollen. Dank der Vorbildwirkung, so der Plan der Bosse im Hintergrund, sollen die Sprit-Neuheiten auch für die Serienfahrzeuge-Produktion relevant werden.

Benzinverbrauch der Rennwagen gering

Die Klimabilanz der Formel 1 wird diese bahnbrechend anmutende Reform aber nicht fundamental ändern. Denn der Benzinverbrauch der Rennwagen macht laut einer Erhebung nicht einmal ein Prozent der über 250.000 Tonnen CO2-Äquivalente aus, die in einer Saison emittiert werden. Der größte Anteil des CO2-Aufkommens erwächst – wie bei jedem anderen Massensport – aus den Reisebewegungen der Mitwirkenden sowie der Fans.

Dass die gesamte Flugindustrie schon in wenigen Jahren mit komplett nachhaltigen Treibstoffen unterwegs sein wird, ist nicht absehbar. Daher werden die Formel 1 und einzelne Teams letztlich auf CO2-Kompensationen durch Aufforstungs- oder Waldschutzprojekte zurückgreifen müssen, wenn sie ihren Fußabdruck ausgleichen wollen. Solche sind schon jetzt weit verbreitet bei Konzernen, aber auch in der Welt des Sports. Der Ski- und Snowboard-Weltverband Fis gibt an, dadurch sogar "klimapositiv" zu sein, also mehr CO2 zu kompensieren als auszustoßen.

Umstrittene Waldprojekte als Greenwashing

Für Greenpeace fallen solche Praktiken klar in die Kategorie "Greenwashing". "Das ist ein moderner Ablasshandel, der CO2-Ausstoß wird durch einen gepflanzten Baum nicht neutralisiert. Außerdem funktionieren neun von zehn Aufforstungsprojekten nicht. Es gibt Waldbrände, oder der wirtschaftliche Druck ist oft doch zu hoch", erläuterte Bittner. "Durch Verbrennen von fossilen Treibstoffen gelangt CO2 in die Atmosphäre und bleibt dort für immer, während du gleichzeitig einen Baum pflanzt, wo du gar nicht weißt, wie lange der überhaupt da sein wird." Die Frage sei: "Was mache ich dann? Ich habe mich dann im Jahr x als klimaneutral bezeichnet, für ein Waldschutzprojekt, das es vielleicht in zwei Jahren nicht mehr gibt, weil es bei einem Waldbrand in Flammen aufgegangen ist."

Laut Greenpeace führt nichts daran vorbei, die Emissionen tatsächlich dort zu reduzieren, wo sie entstehen. "Was es einfach nicht geben darf, ist, dass sich ein Unternehmen, das diese Projekte kauft oder dafür bezahlt, dafür nicht CO2 einsparen muss", betonte Bittner. Das gelte für die Fis wie für die Formel 1 und andere Sportorganisationen. Die Formel 1 könne in der aktuell betriebenen Form zwar nicht klimaneutral sein, ihre Bilanz aber deutlich verbessern. "Wenn gerade der Motorsport beweisen würde, dass er den Klimaschutz wirklich ernst nimmt, könnte er für viele Menschen eine Vorbildwirkung haben, bei denen das Thema sonst keine Top-Priorität ist." (APA, red, 3.5.2023)