Spricht sich für ein Zitierverbot aus Strafakten aus: Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).
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Mit der Bitte, nicht den Boten zu töten, soll einst Sophokles der Überzeugung Ausdruck verliehen haben, nicht den Überbringer schlechter Nachrichten für deren Inhalt zu bestrafen. In der heimischen Innenpolitik wird nun darüber diskutiert, ob der Bote nicht wenigstens mundtot gemacht werden sollte, denn Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler will das Zitieren aus Ermittlungsakten verbieten lassen.

Dass diese Idee just von einer Regierungspolitikerin kommt, die seit Jahren behauptet, für ein Informationsfreiheitsgesetz zu kämpfen, wirkt, als würde man den Kampf für mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten mit der Forderung eines Verbots von Nachmittagskindergärten verbinden. Warum Edtstadler sich dabei besonders über "Lesungen mit Chats" empört, erklärt sich vielleicht mit Berücksichtigung einer Meldung aus Niederösterreich: Bei einem Gerichtsprozess wurden Mitarbeiter eines Pflegeheims schuldig gesprochen, deren untereinander ausgetauschte Chats von der Staatsanwältin ausdrücklich als "schriftliches Geständnis" und "objektives Beweismittel" bewertet wurden.

Sollte diese Rechtsprechung auch bei den Chats im Inseratenkorruptionsskandal zur Anwendung kommen, werden es die Beschuldigten nicht gern haben, wenn ihre "Geständnisse und Beweismittel" einer interessierten Öffentlichkeit schon vorher bekannt sind. Da wäre ein Zitierverbot wohl eine praktische Schützenhilfe.

Österreichische Politik-Tele-Kommunikation

Edtstadler verweist auf die Situation in Deutschland, wo aktenkundige Chats nicht zitiert, sondern nur inhaltlich beschrieben werden dürfen. Sollte das auch bei uns kommen, würden sich die Klassiker der österreichischen Politik-Tele-Kommunikation künftig so anhören:

"Vergiss nicht, du hackelst im ÖVP-Kabinett, du bist die Hure für die Reichen." – "Danke, dass wir das so offen besprechen können." Ein Mitarbeiter von Thomas Schmid bedankt sich bei ihm für seine Erinnerung an die im Zuge einer Werktätigkeit für die Volkspartei auf Regierungsebene notwendige, pekuniär orientierte und prostitutional praktizierte Berufsauffassung.

"Sebastian kann jetzt Geld scheißen." Mit einer literarischen Referenz auf die Rolle des Esels im Märchen Tischlein deck dich stellt Thomas Schmid dem damaligen Bundeskanzler eine drastische, an monetäre Defäkierung erinnernde Verbesserung seiner finanziellen Möglichkeiten in Aussicht.

"Wo woar mei Leistung?" Walter Meischberger will auf Mindestanforderungen beim Stellen von Scheinrechnungen aufmerksam machen und stellt dabei die Sinnhaftigkeit seiner eigenen Existenz infrage.

"Da bin ich jetzt supernackt." Karl-Heinz Grasser vergleicht seine durch kognitive Defizite bedingte Nichterfüllung der Mindestanforderungen beim Stellen von Scheinrechnungen mit dem Zustand spontaner Maximal-Nudität.

"Kriegst eh alles, was du willst." Sebastian Kurz eröffnet Thomas Schmid grenzenlos wunschorientierte zukünftige Möglichkeitsräume.

"Ich liebe meinen Kanzler." Thomas Schmid interpretiert diese Möglichkeitsräume amourös besitzergreifend.

Und mein nach einem Thomas-Schmid-Chat betiteltes Buch Wenn das in die Hose geht, sind wir hin heißt dann: "Thomas Schmid warnt vor letalen Konsequenzen künftiger Inkontinenz".(Florian Scheuba, 4.5.2023)