Einsatz am Rio Grande.

Foto: Miguel Roberts/The Brownsville Herald via AP)

Washington – Der Ton war streng, als die fürs Äußere und den Heimatschutz zuständigen US-Minister Antony Blinken und Alejandro Mayorkas in der vergangenen Woche gemeinsam vor die Kameras traten. "Die Propaganda der Schleuser ist falsch", insistierte Mayorkas: "Unsere Grenze ist nicht offen, und sie wird nach dem 11. Mai nicht offen sein."

Schon dieser bemerkenswerte Auftritt verdeutlichte den Ernst der Lage an der 3.145 Kilometer langen Grenze der USA zu Mexiko, wo derzeit täglich zwischen 6.000 und 8.000 illegale Zuwanderer aufgegriffen werden. In wenigen Tagen schon könnte die Zahl nach Schätzungen der amerikanischen Behörden auf über 10.000 springen. Die Biden-Regierung befürchtet offenbar, dass die Situation weiter eskaliert: Am Dienstag kündigte sie die ungewöhnliche Entsendung von 1.500 Soldaten an die heimische Grenze an.

Umstrittene Abschieberegelung

Hintergrund des Zustroms von Asylsuchenden und illegalen Migranten aus Süd- und Mittelamerika ist das am 11. Mai bevorstehende Auslaufen einer umstrittenen Abschieberegelung aus der Trump-Zeit. Die im Frühjahr 2020 vorgeblich zum Schutz vor der Ausbreitung des Coronavirus erlassene Vorschrift "Title 42" hebelte faktisch das Asylrecht aus und erlaubte es dem Grenzschutz, ankommende Zuwanderer und Schutzsuchende pauschal an der Grenze zurückzuweisen. Mehr als 2,5 Millionen Mal ist das in den vergangenen drei Jahren passiert.

Die Biden-Regierung hatte die von Menschenrechtsanwälten scharf kritisierte Regelung zunächst in Kraft gelassen. Eine geplante Aufhebung im vorigen Jahr wurde dann auf Antrag von republikanisch regierten Bundesstaaten durch den Supreme Court zunächst verhindert. In der kommenden Woche aber fällt die Bestimmung endgültig. Angesichts eines Trommelfeuers an Kritik von Republikanern und TV-Sendern, aber auch lautstarker Klagen demokratischer Kommunalpolitiker über die Überlastung ihrer Kommunen durch illegale Migranten und Migrantinnen dürfte der Umgang mit der neuen Herausforderung für Präsident Joe Biden innenpolitisch großes Gewicht erlangen.

Überfüllte Einrichtungen

Nach einem Bericht der "Washington Post" ist die Lage vor Ort angespannt. Mehr als 20.000 Migrantinnen und Migranten befinden sich schon jetzt im Gewahrsam des US-Grenzschutzes. Die entsprechenden Kurzzeit-Einrichtungen sind komplett überfüllt. Oftmals schicken die Beamten die Zuwanderer offenbar einfach weiter an Städte im Inneren der USA mit der Auflage, sich dort registrieren zu lassen, was nicht immer passiert. Die demokratischen Bürgermeister von New York und Chicago haben bereits erklärt, dass ihre Metropolen keine Flüchtlinge mehr aufnehmen könnten.

Gleichzeitig warten alleine im mexikanischen Ciudad Juarez, auf der anderen Seite des Rio Grande gegenüber der US-Stadt El Paso, nach Angaben lokaler Behördenvertreter rund 35.000 Menschen auf den Grenzübertritt. Tausende Venezuelaner sollen den Fluss in den vergangenen Tagen bereits illegal überquert haben. Der demokratische Bürgermeister von El Paso hat den Notstand ausgerufen.

Keine Polizeiaufgaben

Mit der Einrichtung von Erstregistrierungszentren im Ausland, Rücknahmeabkommen mit dem Nachbarland Mexiko und der Entsendung von zusätzlichem Personal an die Grenze versucht die Biden-Regierung derweil, den wachsenden Zustrom von Menschen einzudämmen. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre betonte, dass die 1.500 bewaffneten Soldaten, die zunächst für 90 Tage an die Grenze verlegt werden, keine Polizeiaufgaben übernehmen werden.

Vielmehr sollen sie administrative Aufgaben wie Dateneingabe, Lagerhaltung und Transport übernehmen, um dadurch die Beamten des Grenzschutzes zu entlasten. Schon bislang sind 2.500 Nationalgardisten an der Grenze im Einsatz.

Registrierungsstellen und Rücknahmeabkommen

Der Einsatz regulärer Soldaten im US-Inland ist gleichwohl unüblich. Als die Trump-Regierung vor Jahren eine ähnliche Operation durchführte, wurde sie von den Demokraten scharf kritisiert. Dieses Mal ist der innerparteiliche Protest eher leise. "Die Militarisierung der Grenze durch die Biden-Regierung ist unakzeptabel", meldete sich alleine Bob Menendez, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, zu Wort.

Gleichzeitig bemüht sich die Biden-Regierung, die Zuwanderung politisch in geregeltere Bahnen zu lenken. Dazu will sie in Kolumbien und Guatemala regionale Registrierungsstellen einrichten, wo Asylsuchende vor ihrer beschwerlichen und gefährlichen Reise in den Norden überprüfen lassen können, welche Chancen ein Antrag in den USA hat.

Zudem hat Washington soeben ein seit Jänner bestehendes Rücknahmeabkommen mit Mexiko neu ausgehandelt und bestätigt. Darin verpflichtet sich das Nachbarland, monatlich 30.000 Migranten aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela aufzunehmen, die aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen wurden. Umgekehrt sagt Washington die Aufnahme einer gleich großen Zahl von Migranten aus diesen Ländern samt Arbeitserlaubnis zu, sofern diese legal über die Kontrollposten einreisen. (Karl Doemens aus Washington, 4.5.2023)