Gesundheitsminister Rauch (Grüne), Verfassungsministerin Edtstadler, Bildungsminister Polaschek (beide ÖVP) und Alexander Bogner von der Akademie der Wissenschaften (v.l.n.r.) stellten am Donnerstag ihre Aufarbeitungspläne der Corona-Zeit vor.

Foto: APA / Eva Manhart

Mitte Februar hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angekündigt, dass in Österreich eine systematische Aufarbeitung der Corona-Pandemie erfolgen soll, am Donnerstag wurden nun im Rahmen einer Pressekonferenz die konkreten Pläne vorgestellt. Im Bundeskanzleramt erläuterten Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Gesundheitsminister Johannnes Rauch (Grüne) und Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) gemeinsam mit Alexander Bogner von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wie dieser Prozess ablaufen soll. Der Kanzler selbst war bei dem Termin nicht dabei.

VIDEO: Die von der Regierung angekündigte Aufarbeitung der Corona-Pandemie ist am Donnerstag offiziell gestartet worden.
DER STANDARD

Man wolle einerseits Lehren für künftige Krisen ziehen, andererseits wieder mehr Verständnis zwischen den gesellschaftlichen Gruppen herstellen, die durch die allgemeine Polarisierung auseinandergedriftet seien, hieß es. Bereists bei der Vorstellung der Idee im Februar hatte Nehammer Corona als "eine Art Trauma" für die Gesellschaft bezeichnet, das tiefe Gräben hinterlassen habe und das man nun bewältigen müsse.

"Möglichkeiten für Dialog aufzeigen"

Der nun vorgestellte Aufarbeitungsprozess ist eine sozialwissenschaftliche Analyse unter Federführung der Akademie der Wissenschaften zu Themen wie Wissenschaftsskepsis und Polarisierung. Die Meinung der Bevölkerung soll über vertiefende Interviews eingeholt werden. Die Kosten des Prozesses belaufen sich laut Polaschek auf rund 545.000 Euro und werden vom Wissenschaftsministerium getragen. Man sei in der Pandemie als Gesellschaft an bestimmte Grenzen gestoßen, sagte der Minister. Nun sei es an der Zeit, eine ordentliche Aufarbetung durchzuführen, um aus der Vergangenheit zu lernen und wieder einen Weg des Dialogs einzulegen. Eine Einbindung der Opposition in den Prozess ist nicht vorgesehen, eine Rede des Kanzlers ebensowenig, hieß es bei der Pressekonferenz.

Im Prozess gebe es drei Ziele, führte Bogner aus. Erstens, Verständnis für die Ursachen von Krisen zu schaffen. Zweitens, den Hintergründen der Polarisierung nachzugehen. Und drittens, "Möglichkeiten zum Dialog" aufzuzeigen. Zwischenergebnisse der wissenschaftlichen Einordnung seien Ende des Sommers zu erwarten, der Abschlussbericht Ende des Jahres.

Konflikte als "Humus der Demokratie"

Teile des wissenschaftlichen Prozesses sei etwa eine Analyse von Mediennutzungsdaten, die zeigen solle, wie der Konsum bestimmter Medien mit Einstellungen gegenüber der Pandemie und den Pandemiemaßnahmen zusammenhänge. Auch "politische Zielkonflikte" der Pandemiezeit sollen untersucht werden, so etwa umstrittene Maßnahmen wie das Schließen von Schulen. Dabei solle auch eruiert werden, was bei politischen Entscheidungen möglicherweise versäumt worden sei, betonte der Wissenschafter. Weiters solle die Rolle von "Politikberatung und öffentlicher Kommunikation" evaluiert werden – mit der zentralen Frage: Was macht gute Politikberatung aus?

Im Hinblick auf die vielzitierte Polarisierung der Gesellschaft im Zuge der Pandemie sagte Bogner, man müsse vor Konflikten keine Angst haben, denn diese seien "der Humus der Demokratie". Aber Konflikte würden zum Problem, wenn die Kommunikation darüber nicht mehr funktioniere.

Schlüsse für die Zukunft

Die Pandemie habe von der Politik in kürzester Zeit Entscheidungen verlangt, sagte Edtstadler. Diese habe man in der Bundesregierung aber nicht allein, sondern gemeinsam mit der Wissenschaft getroffen. Immer wieder hätten diese Entscheidungen aber auch polarisiert. Deshalb sei dieser Aufarbeitungsprozess nun wichtig.

Die Maßnahmen hätten Menschenleben retten können, aber auch zu Verunsicherung in der Gesellschaft geführt, sagte die Ministerin. Niemand könne die Vergangenheit ändern. Aber jetzt sei Zeit, "aus Verantwortung für Österreich" Schlüsse für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen.

Mit dem Prozess zufrieden sein könne man, wenn Gräben wieder zugeschüttet würden. Das hänge allerdings nicht nur von diesem von der Regierung aufgesetzten Prozess ab, sondern sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Man reiche Hände, müsse aber auch darauf vertrauen, dass diese Hände "in bester Absicht" angenommen würden.

Neues Pandemiegesetz bis Jahresende

Aktuell befinde man sich im Übergang von der Pandemie in eine Phase, in der "uns das Virus zwar weiter begleitet", aber auch die letzten verbliebenen Maßnahmen beendet würden, sagte Rauch. Daher sei nun der richtige Zeitpunkt, die Lehren aus der Pandemiezeit zu ziehen. Das passiere aktuell in ganz Europa, sagte der Minister. Die Wissenschaftlichkeit im Prozess müsse dabei außer Streit gestellt werden.

Die Aufarbeitung durch die Akademie der Wissenschaften sei aber nur Teil des Gesamtprozesses in Österreich. Unter anderem gebe es auch bereits Rechnungshof-Berichte zur Pandemie-Bekämpfung. Ein neuer Pandemieplan werde bis Mitte des Jahres vorliegen. In Ausarbeitung ist auch ein neues Epidemiegesetz, bis Jahresende soll es einen Gesetzesentwurf geben. Damit wolle man für kommende Pandemien besser gerüstet sein.

FPÖ-Chef Herbert Kickl besänftigten die Ankündigungen der Regierung offenkundig nicht. Eine echte Aufarbeitung könne es nur durch den Rücktritt der Regierung und anschließende Neuwahlen geben, ließ er per Aussendung wissen. Auch einen parlamentarischen Corona-Untersuchungsausschuss forderte Kickl erneut und fügte hinzu: "Ich bin zuversichtlich, dass wir nach der nächsten Nationalratswahl so stark sein werden, dass wir diesen Ausschuss im Alleingang einsetzen können." (Martin Tschiderer, 4.5.2023)