Der Pianist aus Wien unterrichtet seit 2013 an der Zürcher Hochschule der Künste, und er gibt Konzerte.

Foto: Gabriela Brandenstein

Wien – Was macht Till Fellner eigentlich so? Der Pianist aus Wien unterrichtet seit 2013 an der Zürcher Hochschule der Künste, und er gibt Konzerte. Promo-Aktivitäten auf Instagram und Debattenbeiträgen auf Twitter – apropos: Kollege Igor Levit gibt am 11.5. einen Soloabend im Großen Musikvereinssaal – scheint Fellner abgeneigt. Der ewig junge 51-Jährige ist ein Pianist der alten Schule, was Präsentation und auch was Interpretation anbelangt.

Bei seinem Recital im Brahms-Saal präsentierte Fellner Schmuckstücke aus dem klassisch-romantischen Repertoire, in Deutungen, so gediegen und geschmackvoll wie einst die Interieurs großbürgerlicher Salons. Gedämpfte Farben und kostbare, weiche Stoffe da wie dort. Selbst manchen szforzato-Kinnhaken weiß der Feingeist mit Samthandschuhen zu versetzen. Bei Schubert (Vier Impromptus D 935) scheute, nivellierte Fellner gern dynamische Extreme, wie etwa im Mittelteil des beliebten As-Dur Impromptus: Die extreme Exponiertheit der A-Dur-Klimax wurde dadurch abgeflacht. Grundsätzlich ist der an und von Alfred Brendel geschulte Pianist ein unaufgeregter, lebensweiser Erzähler; die beglückende Sorgfalt, die Gefühlsgenauigkeit seines Vortrags ließ er auch Schönbergs Sechs kleinen Klavierstücken op. 19 angedeihen.

Irrsinn und Raserei

Nach Mozarts c-Moll Fantasie KV 475 geriet der Kopfsatz von Beethovens Waldstein-Sonate eher gemütlich: Allegro senza brio. Ein aufgeputschterer Achtelpuls zu Beginn, mehr Irrsinn bei der Raserei der Sechszehntelfiguren im Tritonusambitus danach hätte gut getan. Einzigartig danach die langsame Introduzione: Selten wurde mit weniger Tönen mehr Spannung transportiert. Wie von einer lichten Wolke der Begleitfiguren umhüllt das Thema des Finalsatzes, das sich zu großem Klangrausch steigern sollte. Langer Jubel. (Stefan Ender, 4.5.2023)