Der Datenschutzskandal bei der Post wurde vor rund vier Jahren publik, viele Gerichtsverfahren sind nach wie vor offen.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Es war der wohl größte Datenschutzskandal, den es in Österreich jemals gegeben hatte: 2019 wurde bekannt, dass die Post die Parteiaffinitäten weiter Teile der österreichischen Bevölkerung ermittelt hatte. Das Unternehmen verknüpfte Adressdaten mit Statistiken aus Umfragen, damit Werbekundinnen und Werbekunden ihre Prospekte zielgerichtet ausschicken können. Jetzt, vier Jahre später, ist die Frage, ob die Post Schadenersatz zahlen muss, trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weiter offen.

Nach der Klage eines Anwalts, dem die Post in ihren Daten eine Parteiaffinität zur FPÖ unterstellt hatte, hat das EU-Höchstgericht entschieden, dass nicht jeder Verstoß gegen das Datenschutzrecht einen Anspruch auf Schadenersatz begründet. Allerdings seien auch "immaterielle Schäden" zu ersetzen – und zwar ohne Untergrenze (EuGH 4.5.2023, C-300/21, Österreichische Post).

Ob im Zuge des Datenschutzskandals ein solcher "immaterieller Schaden" entstanden ist, müssen nun die österreichischen Gerichte klären. Endgültig entschieden ist also noch nichts. Für die Post geht es in dem Verfahren potenziell um viel Geld: Zwar hat der Anwalt im aktuellen Fall nur 1.000 Euro eingeklagt, der Streitfall könnte im Erfolgsfall allerdings zum Vorbild für Klagen tausender weiterer Betroffener werden.

Parteiaffinität "kreditschädigend"

Die Post hatte seit 2017 Umfragen von Meinungsforschungsinstituten mit Statistiken aus Wahlergebnissen verknüpft. Ziel war es, Unternehmen, die über die Postaussendung werben wollten, den Versand personalisierter Werbung zu ermöglichen. Ein Anwalt, der wie zahllose andere Betroffene keine Einwilligung zur Datenverarbeitung erteilt hatte, forderte Schadenersatz in der Höhe von 1.000 Euro. Die ihm zugeordnete Parteiaffinität erachte er als "eine Beleidigung" und im "höchsten Maß kreditschädigend".

Die österreichischen Gerichte zeigten sich in Sachen Schadenersatz jedoch äußerst kritisch. Die Daten seien nicht weitergegeben und veröffentlicht worden. Zudem gehe nicht mit jedem Verstoß gegen den Datenschutz automatisch ein Schaden einher. Ähnlich äußerte sich dann vergangenen Herbst auch der Generalanwalt am EuGH. In seinem Gutachten hieß es, dass immaterielle Schäden zwar grundsätzlich ersatzfähig seien, diese würden sich aber nicht auf "bloßen Ärger" erstrecken.

Der EuGH widerspricht dem nun in seinem aktuellen Urteil. Zwar stimme es, dass nicht jeglicher Verstoß gegen das Datenschutzrecht einen Anspruch auf Schadenersatz auslöse. Immaterielle Schäden seien allerdings sehr wohl zu ersetzen, und zwar unabhängig von der Höhe. Eine "Erheblichkeitsschwelle", wie vom Generalanwalt gefordert, sehe die Datenschutzgrundverordnung nämlich schlicht nicht vor. Der Gesetzgeber habe bewusst ein "weites Verständnis" des Begriffs Schaden gewählt. Im Vergleich zum Gutachten des EuGH-Generalanwalts ist das EuGH-Urteil für die Post im weiteren Verfahren ein Nachteil.

Datenschützer Schrems erfreut

Der österreichische Datenschützer Max Schrems zeigt sich über das Urteil jedenfalls erfreut: "Wir begrüßen die Klarstellung des EuGH", teilte Schrems in einer Aussendung mit. "Eine ganze Gruppe von Juristen hat versucht, die DSGVO umzuinterpretieren, um zu vermeiden, dass Schadenersatz an Nutzer zu zahlen ist. Der EuGH hat dem nun ein Ende bereitet. Wir sind sehr glücklich über das Ergebnis." Eine "Erheblichkeitsschwelle" für Schadenersatz, wie sie viele forderten, wäre sehr schwer zu definieren gewesen.

Interessanterweise begrüßt auch die Post auf Anfrage des STANDARD das Urteil, interpretiert es aber anders. Die Feststellung, dass ohne Schaden kein Schadenersatz zustehe, sei wichtig. "Generell herrscht durch dieses Urteil nun in diesem Punkt mehr Klarheit für alle Betroffenen und Verantwortlichen innerhalb der Europäischen Union."

Entscheidend wird nun sein, ob die österreichischen Gerichte einen Schaden feststellen oder nicht, sagt Michaela Siegwart, Rechtsanwältin und Partnerin bei Cerha Hempel. Auch der EuGH differenziere in seinem aktuellen Urteil zwischen bloßen "negativen Folgen" einer Rechtsverletzung und einem tatsächlichen immateriellen Schaden. Es sei also gut möglich, dass die österreichischen Gerichte zum Schluss kommen, dass bei bloßen "Unannehmlichkeiten" gar kein Schaden vorliegt. (Jakob Pflügl, 4.5.2023)