Als der zur Burda-Gruppe gehörende Elektronikhändler Cyberport per Mailaussendung sein Angebot "Storedouble" vorstellte, wirkte das auf mich ein wenig wie eine Idee aus dem Jahr 2020. Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie legten das öffentliche Leben in weiten Teilen lahm. Besuche in Geschäften waren weitgehend auf Supermärkte beschränkt. Und der Onlinehandel boomte.

Die Idee, den Kunden per Tablet auf Rädern – der Fachbegriff lautet eigentlich "Telepräsenzroboter" – durch die eigene Regallandschaft fahren zu lassen und so per Videocall Produktberatungen durchzuführen, hätte perfekt in diese Rahmenbedingungen gepasst. Doch was bietet dieses Konzept im Jahr 2023, nach dem Ende von Social Distancing und Maskenpflicht? Wir haben den Test gewagt.

Login

Der Zugang ist recht einfach. Auf einer eigenen Website reserviert man per Formular einen Termin im Store Wien Citygate oder Berlin Mitte und kann dabei auch gleich ein gewünschtes Beratungsthema eingeben. Weil sich mir die Frage ohnehin vor kurzem gestellt hat, war es mein Ziel, zum Kauf eines neuen Laptops beraten zu werden. Anforderungen: Office, Streaming, Casual Games und günstiges Preissegment.

An einem Donnerstagvormittag war es schließlich so weit. Für die Verbindung zum Roboter des Unternehmens Double Robotics folgte ich einem Link, der direkt zur Kontrollseite des Geräts führt. Dieser muss zwecks Kommunikation Freigabe für das Mikrofon erteilt werden und optional auch für die Webcam. Über die Anmeldedaten war nicht ersichtlich, dass es sich um eine Beratung mit journalistischem Hintergrund handelt, um ein möglichst authentisches "Kundenerlebnis" zu bekommen.

Das "Storedouble" ist ein Telepräsenzroboter, bei dem es sich im Prinzip um eine Frankenstein'sche Kreation aus Tablet und Segway handelt.
Foto: Cyberport

Gefangen am Parkplatz

Die Verbindungsaufnahme braucht keine weitere Bestätigung vonseiten der Store-Mitarbeiter, und so blickte ich erst einmal unbetreut per Kamera auf ein paar Regale des zu dieser Zeit schwach besuchten Cyberport-Stores im 21. Wiener Gemeindebezirk. Der fehlende Empfang war allerdings meine eigene Schuld, denn aus dienstlichen Gründen hatte ich mich ein paar Minuten nach der vereinbarten Uhrzeit eingeloggt. Eine Kontaktaufnahme ob der Verspätung war seitens von Cyberport nicht erfolgt, obwohl ich meine Telefonnummer angegeben hatte.

Drei Minuten später war aber dann doch einer der beiden Mitarbeiter im Verkaufsraum darauf aufmerksam geworden, dass der Roboter sich von seinem Parkplatz aus in Bewegung gesetzt hatte. Ich hatte die Wartezeit genutzt, um mich mit der Steuerung vertraut zu machen. Mittels Pfeiltasten oder der in Videospielen gängigen WASD-Anordnung kann das fahrende Tablet vor und zurück bewegt sowie links und rechts gedreht werden. Kollisionen mit Regalen, Aufstellern und anderen Hindernissen sollen dabei automatisch vermieden werden. Und um mit den Mitarbeitern von Angesicht zu Angesicht statt von Bauchnabel zu Angesicht reden zu können, lässt sich auch per Knopfpdruck die Tablethalterung ausfahren.

Nach einem kurzen, freundlichen Gespräch über den Gegenstand der gewünschten Beratung bat mich der Mitarbeiter, ihm mit dem Roboter zur Laptop-Abteilung zu folgen. Das war leichter gesagt als getan, denn beim Versuch, die Parkzone zu verlassen, streikte der Roboter. Drehen ließ er sich noch, vor und zurück wollte er allerdings nicht fahren. Letztlich musste der Cyberport-Angestellte intervenieren und ihn in den Ausstellungsbereich ziehen.

Dort wiederholte sich das Problem. Nach ein paar Metern Fahrt verweigerte der Roboter erneut die Fortbewegung und musste erneut manuell abgeschleppt werden. Das etablierte sich schließlich als Standardprozedere, offenbar ist die Kollisionserkennung des Geräts der Regallandschaft mit ihren schmalen Gängen nicht ganz gewachsen.

Ersteindrücke

Immerhin lief die Videoübertragung durchgehend stabil, auch wenn die Aufnahmequalität der Webcam bestenfalls überdurchschnittlich ist. Die Umgebungsbedingungen des Geschäfts, das vorwiegend von Kunstlicht erhellt wird, sind dem visuellen Ergebnis nicht zuträglich. Das bringt natürlich gewisse Einschränkungen mit sich, etwa was die Beurteilung der Darstellung auf Bildschirmen verschiedener Geräte betrifft.

Sehr wohl kann man aber einen ersten Eindruck darüber gewinnen, wie etwa ein neuer Laptop "in Echt" aussieht, statt auf Renderbilder und gephotoshopte Aufnahmen des Herstellers angewiesen zu sein. Es erleichtert zudem eine Einschätzung der Größe eines Geräts, denn nicht jeder ist gut darin, die Praxistauglichkeit für eigene Zwecke nur anhand von Abmessungen einzuschätzen.

Der Service soll noch heuer auf andere Filialen des Händlers ausgeweitet werden.
Foto: Cyberport/Simone Hörmann

Die Spezifikationsangaben auf den Infotafeln lassen sich via Kamera allerdings nicht lesen. Erkennt das System aber den dort beigestellten QR-Code, so wird ein Rufzeichen über die Aufnahme eingeblendet, das den User per Klick zur Produktseite im Onlineshop des Händlers führt.

Gut beraten

Eins gilt für Telepräsenzshopping genauso wie für einen persönlichen Besuch im Geschäft: Das Erlebnis steht und fällt letztlich mit der Beratungsqualität. Diese lässt meiner Erfahrung nach gerade bei Elektronikketten oft zu wünschen übrig. Dementsprechend positiv überrascht war ich vom virtuellen Besuch im Cyberport-Store am Wiener Citygate. Die Auskünfte zur Hardware für den gewünschten Einsatzzweck seitens der beiden involvierten Mitarbeiter waren nachvollziehbar und kompetent, selbst über für Käufer schwer nachvollziehbare Benennungsschemata bei Prozessoren ließ sich fachsimpeln. Zudem entstand nicht der Eindruck, als würde man zwanghaft einen Verkaufsabschluss erzielen wollen.

Doch wie zukunftsträchtig ist das Telepräsenzshopping? Bei guter Beratung bietet es natürlich Vorteile zum Stöbern in einem Onlineshop. Ansehen kann man sich aber freilich trotzdem nur die Produkte, die vor Ort lagernd sind, aber man erspart sich zumindest die Anfahrt. Für einen wirklich guten Eindruck von Bildqualität, Verarbeitung und Haptik muss man allerdings immer noch persönlich im Geschäft vorstellig werden.

Letztlich bleibt es wohl ein Angebot für die Nische zwischen Shopping vor Ort und dem Einkauf im Netz. Laut den Mitarbeitern gibt es viele Buchungen für Storedouble-Besuche, oft tauchen die Interessenten zum reservierten Termin dann allerdings nicht auf.

Ausweitung geplant

Seitens des Unternehmens bestätigt man großes Interesse, erkennt aber auch Hindernisse – etwa das Minimum eines Tages Vorlaufzeit oder dass Termine nur zur vollen Stunde gebucht werden können. Man arbeite diesbezüglich an Lösungen. Das Kundenfeedback sei "sehr positiv", und noch in diesem Jahr sollen die Telepräsenzroboter auch in anderen Stores landen.

Die Frage danach, ob es sich um eine Promotion-Aktion mit Double Robotics handelt, verneint man. Der Service sei "in erster Linie" für Cyberport-Kundinnen und -Kunden gedacht, diene aber auch dazu, B2B-Kundschaft "neue Robotikkonzepte in Aktion vorzuführen". (gpi, 8.5.2023)