Google- und Alphabet-Chef Sundar Pichai wird auch heuer wieder selbst durch die Veranstaltung führen.

Foto: Google / REUTERS

Schon in normalen Jahren ist die Google I/O ein Event, an dem in der Techbranche kaum wer vorbeikommt. Handelt es sich dabei doch um die wichtigste Konferenz eines der einflussreichsten Unternehmen unserer Zeit. Dieses Jahr sind die Erwartungen aber noch einmal deutlich größer, der Druck entsprechend höher. Das liegt an jenem Thema, an dem derzeit niemand vorbeikommt: künstliche Intelligenz.

Was Google im Bereich künstliche Intelligenz Neues zu bieten hat und wie man dabei der Konkurrenz von OpenAI und Microsoft begegnen kann, wird insofern unzweifelhaft im Fokus der Google I/O 2023 stehen. Doch auch sonst werden zahlreiche Neuankündigungen erwartet – etwa in Form von neuer Hardware oder zusätzlichen Features für das Betriebssystem Android und andere Google-Produkte. All das ist derzeit natürlich noch streng geheim, das soll uns in Folge aber nicht davon abhalten, schon mal kräftig zu spekulieren, was kommen könnte.

Live-Ticker

Zunächst aber noch ein paar wichtige Eckdaten: Die einleitende Keynote zur Google I/O startet am Mittwoch, 10. Mai um 19 Uhr. DER STANDARD wird dieses Ereignis wie aus den Vorjahren gewohnt nicht nur mit einem Live-Ticker, sondern auch mit ausführlichen Hintergrundberichten begleiten. Insofern: Am besten den Termin gleich notieren und freihalten, um dann parallel zur Präsentation mitdiskutieren zu können.

Alles KI

Das Thema künstliche Intelligenz ist nicht nur jenes, das für Google – nicht zuletzt mit dem Blick auf den eigenen Aktienkurs – derzeit das wichtigste ist. Es ist auch jenes, wo sich am schwersten vorhersagen lässt, was auf der I/O kommen könnte. Als sicher darf eigentlich nur angenommen werden, dass Google die öffentliche Bühne nutzen wird, um sich ganz als KI-Unternehmen zu positionieren und all die eigenen Errungenschaften und Stärken in diesem Bereich herauszustellen.

Was konkrete Produkte anbelangt, ist zumindest eines klar: Dass Google in den vergangenen Jahren viele Services rund um das Thema KI entwickelt hat, die bisher nicht veröffentlicht wurden – das dürfte sich nun ändern. Insofern wäre es etwa denkbar, dass Google die eine oder andere Bild-KI und gleich auch die Integration in einzelne Google-Produkte vorzeigt. Immerhin hat man schon vor einiger Zeit demonstriert, dass man gleich an mehrere Pendants zu Midjourney, Stable Diffusion und Co arbeitet.

Bard oder was ganz Neues?

Im derzeit viel diskutierten Wettlauf mit ChatGPT und Microsofts Bing Chat wäre es naheliegend, dass Google eine mächtigere Version seiner Text-KI Bard oder gleich eine ganz andere Lösung aus diesem Bereich demonstriert. Schließlich hat das Unternehmen zuletzt seine zwei bislang separat geführten KI-Abteilungen unter dem Dach von Google Deepmind zusammengeführt. Dass dabei hinter verschlossenen Türen mehr als nur ein Chatbot entstanden ist, ist ebenfalls kein Geheimnis.

Eine Frage des Narrativs

Vor allem wird Google aber wohl das Augenmerk auf den etwas gezielteren KI-Einsatz in den eigenen Produkten umzuleiten versuchen. Also etwa mehr darüber verraten, wie neue Maschinenlernfunktionen künftig die Nutzung von Gmail, Google Docs und Co. vereinfachen sollen. Auch irgendeine Integration in Chrome und neue KI-Features für die Google-Suche sind recht wahrscheinlich.

Eine komplett neue Suchmaschine ganz auf Basis eines großen Sprachmodells, wie es hinter ChatGPT und Bard steht, sollte man hingegen lieber nicht erwarten – auch wenn dazu unlängst Spekulationen kursierten. Erstens, weil dafür der Zeitrahmen viel zu kurz wäre, aber auch weil das aus Gründen der Faktentreue ein eher zweifelhaftes Unterfangen wäre. Und ach ja: dem Geschäftsmodell von Google würde das natürlich auch nicht gerade helfen.

Die Keynote muss sitzen

Unabhängig davon, was nun konkret vorgezeigt wird, eines ist jedenfalls klar: So wichtig wie heuer war die I/O für Googles Zukunft schon lange nicht mehr. Der aktuelle KI-Hype und die Befürchtung, dass dieser Trend das Kerngeschäft des Softwareherstellers gefährden könnte, hat zuletzt den Aktienmarkt ganz schön nervös werden lassen. Diese Bedenken auszuräumen, wird also eine der zentralen Aufgaben von Google-Chef Sundar Pichai sein – und natürlich sich dabei nicht den kleinsten Schnitzer zu leisten.

Besonders spannend macht dies, dass Google aus Kommunikationssicht einen regelrechten Spagat vollziehen muss. Steht das Unternehmen doch vor dem Problem, zwei kaum vereinbare Messages gleichzeitig transportieren zu müssen. Auf der einen Seite die Versicherung, mit der Konkurrenz auf Innovationsebene voll und ganz mithalten zu können, auf der anderen das Beteuern, dass man hier verantwortungsvoll vorgeht. Kritik daran, dass im aktuellen KI-Hype fahrlässig all die bekannten Probleme solcher Systeme ausgeblendet werden, wurde gerade erst von einem der Pioniere der Branche laut, der bis vor kurzem bei Google beschäftigt war.

Hardware

Einfacher ist die Prognose schon in Hinblick auf das Thema Hardware. Die Vorstellung des Pixel 7a und damit eines neuen Mittelklasse-Smartphones gilt als weitgehend gesichert. Zuletzt war sogar zu hören, dass dieses bereits direkt nach der I/O erhältlich sein soll.

Glaubt man aktuellen Gerüchten, dürfte das Pixel 7a ein signifikantes Upgrade zum Vorgänger werden, etwa erstmals einen 90-Hz-Bildschirm, drahtloses Laden aber auch eine bessere Hauptkamera erhalten. Im Gegenzug dürfte es aber auch eine Spur teurer werden, von einem Preis um die 500 Euro war zuletzt die Rede.

Mehr als einmal faltbar

Eine neue Gerätekategorie dürfte das Unternehmen mit dem Pixel Fold betreten. Schon länger im Gerüchtestatus, soll es nun endlich ernst werden dem mit dem ersten Foldable aus dem Hause Google. Das ist auch keine Mutmaßung mehr, Google selbst hat die Präsentation des Pixel Fold auf der Google I/O bereits mit einem kurzen Video angekündigt.

Breiter, aber dafür auch dünner als der direkte Konkurrent von Samsung, soll das Google-Gerät werden. Bilder legen trotz des beschränkten Platzes eine starke Kamera samt Tele im Periskopaufbau nahe. Wann – und ob – dieses Gerät auch in Europa erhältlich sein wird, ist wie so oft bei Google eine der noch offenen Fragen. Auch muss sich zeigen, ob der Preis tatsächlich wieder so hoch wie bei Samsungs Pendant liegt, das wäre dann nämlich nur knapp unter 2.000 Euro.

Pixel Tablet

Googles Verhältnis zum Thema Tablets ist äußerst wechselvoll. Dass man mit dem Pixel Tablet an einem Neustart in diesem Bereich arbeitet, ist allerdings kein Geheimnis, wurde das doch schon auf der I/O des Vorjahres offiziell so angekündigt. Das Ergebnis dieser Bemühungen sollte es nun aber bald zu kaufen geben. Dabei setzt man offenbar auch einen speziellen Clou: Soll sich das elf Zoll große Tablet doch in Kombination mit einem externen Dock in eine Art Smart-Home-Zentrale verwandeln.

Pixel 8 Preview?

Die nächste Generation von Googles High-End-Smartphones steht eigentlich erst für Herbst an, durchaus denkbar ist aber, dass das Unternehmen im Rahmen der I/O bereits einen ersten Blick auf das Pixel 8 gewährt. Hat man das doch schon im Vorjahr mit dem Pixel 7 genau so gemacht. Eventuell verrät das Unternehmen dazu gleich das eine oder andere Details. Immerhin spielen bei der Pixel-Serie auf lokalem Maschinenlernen basierende Features eine immer wichtigere Rolle, da würde sich der Bogen zum zentralen Thema der I/O fast schon aufdrängen.

Android 14

Apropos zentrale Themen. Üblicherweise bildet das mobile Betriebssystem Android den Schwerpunkt der I/O. Rein von der Anzahl der Vorträge her ist das genaugenommen auch heuer so, in der öffentlichen Wahrnehmung dürfte freilich stärker wichtiger sein, was Google zu seinen KI-Bestrebungen zu sagen hat.

Trotzdem dürfen für die I/O auch einige Neuerungen rund um Android erwartet werden. Befindet sich mit Android 14 doch gerade die nächste Generation des Betriebssystems in der Testphase. Größere, sichtbare Neuerungen behält sich Google dabei gerne für die I/O zurück. So hat Googles Design-Abteilung unlängst etwa eine Erweiterung des Material-You-Designs angedeutet.

Tracking

Eine recht gute Chance gibt es auch auf die Vorstellung eines Tracking-Netzwerks ähnlich zu Apples "Find my", über das Geräte präzise aufgespürt werden können. Dass Google dazu passend an einem eigenen Airtag-Konkurrenten arbeitet, war ebenfalls schon mehrfach zu hören.

Interessant wird, ob Google etwas zum Thema Mixed Reality zu sagen hat. Hat doch Samsung vor einigen Wochen verkündet, dass man in Kooperation mit Google an einem entsprechenden Headset arbeitet. Die I/O wäre ein optimaler Zeitpunkt, um eine passende Softwareplattform zu präsentieren.

Surprise

Jenseits von all diesen Dingen, wird Google aber fraglos noch die eine oder andere Überraschung parat haben – so war es zumindest in den Vorjahren fast immer. Also Zukunftsprojekte und Prototypen, die für Aufsehen sorgen, aber auch nicht immer notwendigerweise in fertige Produkte münden.

Das Programm

Nach der Keynote ist übrigens vor der Keynote: Folgt auf das Hauptevent doch noch eine zweite Präsentation mit einem speziellen Fokus auf Entwickler, in der es dann viel um Schnittstellen und technische Details gehen wird. Doch damit nicht genug, werden nach der Entwickler-Keynote noch einige Videos mit weiteren Ankündigungen zu einzelnen Bereichen aus dem breiten Google-Universum veröffentlicht.

Ganz zur präpandemischen Normalität hat Google übrigens noch nicht zurückgefunden, so ist die I/O auch heuer wieder ein hybrides Event. Zwar wird ausgewähltes Publikum bei der Keynote vor Ort sein, all die Vorträge – mehr als 100 an der Zahl – werden hingegen ausschließlich online verfügbar sein. Das dafür aber kostenlos via Youtube und in einem Rutsch direkt nach der Entwickler-Keynote. (Andreas Proschofsky, 6.5.2023)