Dieses Gänseblümchen hätten wir sogar eigenständig erkannt – aber die App Flora Incognita leistet hier auch gute Arbeit.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Zu welchem Baum gehören diese Blätter? Was ist das für ein Kraut? Und wie klingt eigentlich eine Amsel? Stadt- und Computermenschen stellen sich diese und ähnliche Fragen jedes Mal, wenn sie nach einem langen Winter die Wohnung verlassen und durch den Wald spazieren. Zum Glück müssen wir das alles heutzutage nicht mehr selber wissen, sondern können die Arbeit modernen Smartphones überlassen.

Dabei suchen die Geräte nach Übereinstimmungen von Fotos und Sounds mit Bildern und Geräuschen in ihren Datenbanken und können die Objekte somit bereits relativ verlässlich identifizieren. Ein Warnhinweis sei an dieser Stelle trotzdem angebracht: Gerade wenn es um mutmaßlich essbare Pilze oder Kräuter geht, sollte man der KI nicht blind vertrauen, sondern lieber auf menschliche Expertise setzen – und im Zweifelsfall auf das entsprechende Pilzrisotto lieber verzichten.

Google Lens

Das Praktische ist, dass es für das Erkennen von Objekten meist keine eigenen Apps mehr braucht, sondern gleich die eingebaute Kamera-App genutzt werden kann. Bei Android-Smartphones funktioniert dies über die Google-Lens-Funktion in der Kamera – in dem Menüpunkt "Modi" – oder in Google Fotos über das "Lens"-Icon am unteren Bildschirmrand. Verfügbar ist Google Lens außerdem in der Google-App, wo dadurch mit visuellen anstatt mit Texteingaben gesucht werden kann.

Wurde ein Bild fotografiert oder wird ein bestehendes Bild analysiert, so sucht Google nach vergleichbaren Ergebnissen über die Google-Suche und kann somit feststellen, um welche Pflanze oder welches Tier es sich handelt.

Auch ähnliche Produkte in Geschäften können auf diese Weise gefunden werden. Text kann erkannt, kopiert und bei Bedarf in eine andere Sprache übersetzt werden. Und, pssst: Auch Mathematikhausübungen können mit Google Lens gescannt und Google um eine Lösung gebeten werden.

Objekterkennung auf dem iPhone

Wer möchte, der kann Google Lens auch auf dem iPhone nutzen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens kann die Google-App installiert werden, um anschließend über die erwähnte Bildersuche die Kamera zum Identifizieren der Objekte zu nutzen. Oder aber man installiert Google Fotos, um bereits geschossene Fotos in dieser App via Google Lens zu identifizieren. Beide Apps sind gratis im App-Store verfügbar.

Wer hingegen als Apple-User keine Daten mit Google teilen möchte, der kann Apples eigene Bilderkennung – Apple nennt das "visuelles Nachschlagen" – auf dem iPhone oder iPad verwenden. Hierzu hält man das Bild gedrückt, bis ein Symbol erscheint, das an ein "i" in einem Kreis mit Sternen erinnert. Tippt man anschließend auf ein Pfoten- oder Blattsymbol, so werden die entsprechenden Tiere oder Pflanzen erkannt.

Für iPhones ist die Funktion ab iOS 15 verfügbar sowie ab iPad OS 15.1 für das iPad Pro (12,9", 3. Generation) oder neuer, iPad Pro (11", alle Modelle), iPad Air (3. Generation) oder neuer, iPad (8. Generation) oder neuer und iPad mini (5. Generation) oder neuer.

Datenhungrige Apps

Will man jedoch mehr über die erkannten Tiere und Pflanzen wissen oder die Entdeckungen in einer Datenbank dokumentieren, so beginnt man gezwungenermaßen, sich nach weiterführenden Apps in den jeweiligen Stores umzusehen.

Hier sei jedoch gewarnt, dass der Datenhunger der Apps nicht gerade gering ist, wie ein paar Testinstallationen des STANDARD ergaben: Die meisten von ihnen bitten um Zugriff auf Kamera und Mediendateien, manche wollen zudem den GPS-Standort abrufen. Das ist nachvollziehbar, nachdem diese Zugriffe teils nötig sind, damit die Apps überhaupt funktionieren können. Viele erfordern zudem jedoch das Anlegen eines Accounts, und teils wird gar versucht, dem User oder Userin ein Abomodell anzudrehen.

Flora Incognita zum Erkennen von Pflanzen

Relativ harmlos und obendrein funktional ist die App Flora Incognita. Diese bittet zwar auch um diverse Berechtigungen, funktioniert aber auch, wenn lediglich der Zugriff auf die Kamera bei Nutzung der App erlaubt wird – ohne diese Berechtigung ist es logischerweise nicht möglich, die Kamera zum Identifizieren der Objekte zu verwenden. Die App ist kostenlos und werbefrei.

Aus einer Datenbank mit mehr als 16.000 Pflanzenarten versucht Flora Incognita, die jeweils fotografierte Pflanze zu erkennen. Ist dies gelungen, können diverse Fakten zu besonderen Charakteristika und Verbreitung nachgelesen werden. Zudem können die Entdeckungen in einer Datenbank festgehalten werden, um sie später nachzuschlagen. Und wer überhaupt mehr wissen will, der kann sich in einer Artendatenbank über alle möglichen Bäume, Sträucher und Kräuter informieren. Das User-Interface ist sehr einfach gehalten, die Bedienung entsprechend niederschwellig.

Vögel erkennen mit Merlin

Doch was ist das für ein Federvieh, das die ganze Zeit auf meinem Balkon herumhopst? Woher kommt dieses Zwitschern? Und was war das für ein kleiner brauner Vogel, den ich gestern im Stadtpark gesehen habe? Wer solche Fragen beantworten möchte, der braucht Hilfe von Ornithologen.

Diese Hilfe kommt in Form von Merlin, einer kostenlosen und werbefreien Android- und iOS-App des Cornell Lab of Ornithology, dem Ornithologie-Institut der Cornell University in Ithaca, New York.

Cornell Lab of Ornithology

Nach Bestätigen der Mailadresse und Download einer 607 Megabyte großen (!) Datenbank westeuropäischer Vogelarten können in Merlin verschiedene Möglichkeiten genutzt werden, um Vögel zu identifizieren. Wer etwa ein Foto des besagten Tieres hat, kann dieses – Zugriff auf Kamera oder Mediendaten vorausgesetzt – identifizieren lassen.

Außerdem ist es theoretisch möglich, die Vögel anhand ihres Gezwitschers zu identifizieren, wofür man in der Praxis aber aufgrund diverser Nebengeräusche in der Nähe des Tieres stehen sollte. Und schließlich besteht auch die Möglichkeit, den Vogel anhand von Faktoren wie Größe, Farbe, Ort und Verhalten zu beschreiben, um entsprechende Vorschläge zu bekommen.

Die Datenbank ist äußerst umfangreich und beinhaltet neben Beschreibungen und Bildern der Vögel auch Karten zur Verbreitung der Art und Audiobeispiele von deren Gezwitscher. Und wer das mit dem Birdwatching ernst meint, der kann auch eine andere App der Universität, eBird, zum Dokumentieren der eigenen Beobachtungen verwenden. Damit sollten für Hobby-Ornithologen keine Wünsche mehr offen sein.

Übrigens: Der kleine braune Vogel im Stadtpark, das war ein Spatz. Den hätte aber wohl auch der letzte Stubenhocker-Stadtmensch noch ohne App erkannt. (Stefan Mey, 7.5.2023)