Der 2S25M "Sprut" ging angeblich in Massenproduktion.

Foto: Rostec

Russland braucht dringend neue Panzerfahrzeuge. So werden antike T-55 Panzer aus der Sowjetzeit an die Front verlegt und sollen dort helfen, die Frühlingsoffensive der Ukrainer abzuwehren. Aber Russland geht sogar noch weiter und belebt Konzepte aus dem Zweiten Weltkrieg wieder – den Panzerjäger. Das geht aus einer Mitteilung der Panzerfabrik in Kurgan im Südwesten Sibiriens hervor. Im Werk Kurganmaschsawod sollen in den kommenden Jahren BMP-3 sowie neuere russische Schützenpanzer produziert werden – sowie der 2S25M 125mm Panzerjäger. Das sorgte im Westen für Erstaunen, schließlich sind Panzerjäger im dritten Jahrtausend im Westen nur noch in Museen zu finden.

Das ist noch erstaunlicher – denn eigentlich handelt es sich bei der 2S25 um einen leichten Panzer, der gemeinsam mit Fallschirmjägern über dem Einsatzgebiet abgeworfen werden sollte. Nun dürfte die russische Armee einen Jagdpanzer aus dem "Sprut", also "Krake", genannten Fahrzeug machen.

Der Sprut wurde in den 80er-Jahren entwickelt und sollte eigentlich mit russischen Luftlandetruppen per Fallschirm im Zielgebiet landen. Dazu muss der Panzer naturgemäß extrem leicht sein, was wiederum den Panzerschutz deutlich beeinträchtigt. Deshalb verfolgten die Konstrukteure einen ähnlichen Ansatz, den sie schon beim Schützenpanzer BMP-3 gewählt haben: Sie ersetzten Teile der Panzerung durch eine Aluminiumlegierung. Das macht das Fahrzeug zwar leicht und schwimmfähig, geht aber auf Kosten des Schutzes. So weist die Panzerung nur etwa 34 Prozent der Dichte von herkömmlichem Panzerstahl auf.

Leichte Panzerung mit katastrophalen Folgen

Dass Aluminiumlegierungen für die Panzerung von Gefechtsfahrzeugen katastrophale Auswirkungen haben können, beweisen laut ukrainischen Quellen die enormen Verluste, die Russland bei den modernen BMP-3 hinnehmen musste. Laut Daten von Oryx sind 246 russische BMP-3 zerstört oder aufgegeben worden. Das liegt zum Teil auch an der Bewaffnung des Truppentransporters: Die dreiköpfige Crew sowie die sieben Passagiere sitzen auf dem Munitionsvorrat der 100-Millimeter-Kanone – mit katastrophalen Konsequenzen, wenn die Panzerung durchschlagen wird.

Das ist der Grund, warum man in der Ukraine so oft russische Panzer mit oft meterweit abgesprengten Türmen sieht: Die Munition in der Wanne detoniert und schleudert den Turm davon. Das muss nicht einmal durch einen direkten Treffer passieren: Beim so genannten "Cook off" wird die Munition durch Umgebungshitze, wie einem Brand im Panzer, gezündet. Die Besatzung hat in so einem Fall so gut wie keine Überlebenschancen.

Die Crew sitzt auf noch mehr Sprengstoff

Der Sprut basiert auf dem BMP-3 und verfügt über eine noch größere Kanone: Die 125-mm-Panzerabwehrkanone vom Typ 2A75. Dabei handelt es sich um eine modifizierte Variante jenes Geschützes, das auch im T-72-Kampfpanzer zum Einsatz kommt. Das bedeutet im Umkehrschluss aber: noch mehr Sprengstoff, auf dem die Crew in ihrem nur minimal geschützten Panzer sitzt.

Dieses Video zeigt das Problem des BMP-3, aber auch des Sprut: Das Munitionslager befindet sich genau unter der Besatzung.
sergo borisov

Laut ukrainischen Quellen dürfte die russische Armee aber das Problem erkannt haben, weshalb die Produktion des BMP-3 zugunsten des älteren und billigeren BMP-2 auslaufen soll. Dieser ist zwar auch nicht zwingend besser geschützt, aber einfacher zu produzieren, und es soll zu weniger katastrophalen Explosionen von Munition kommen, weil der BMP-2 "nur" mit einer 30-mm-Maschinenkanone ausgestattet ist. Warum Kurganmaschsawod dennoch an der Produktion von BMP-3 festhält und nun auch noch den Sprut ausliefern will, ist laut dem "Defense Express" unklar.

Angebliche Massenproduktion

Der Sprut wurde zwar im Jahr 2006 nach einer 22-jährigen Entwicklungszeit offiziell in die russischen Streitkräfte aufgenommen, kam dort aber nie in Massen an, weil es Produktionsschwierigkeiten gab und Bestellungen teilweise storniert wurden. So dürften sich aktuell etwa 25 Sprut bei den Luftlandetruppen im Einsatz befinden. In der Ukraine dürften die leichten Panzer bislang noch nicht eingesetzt worden sein. Bis jetzt: Denn das Rüstungskonglomerat Rostec, zu dem auch Kurganmaschsawod gehört, hat erstmals im August 2022 die Massenproduktion des Sprut angekündigt – nur um jetzt erneut den Produktionsstart bekanntzugeben.

Panzerjäger: Ein Relikt

Umso erstaunlicher ist, dass der Sprut nun offiziell als Panzerjäger geführt wird und damit ein Downgrade vom Luftlandepanzer erfahren hat. Denn das Konzept einer selbstfahrenden Panzerabwehrkanone stammt aus dem Zweiten Weltkrieg und wurde von den meisten Streitkräften kurz danach aufgegeben. Damals wurden Fahrzeuge wie das deutsche Sturmgeschütz III oder die russische SU-76 noch in Massen eingesetzt. Diese Fahrzeuge waren oft billiger zu produzieren als "echte" Kampfpanzer und verfügten häufig noch nicht einmal über einen drehbaren Turm. Ihr Aufgabe war einerseits die Unterstützung der Infanterie und zweitens die Panzerabwehr aus dem Hinterhalt.

Dieses Konzept war im Zweiten Weltkrieg durchaus erfolgreich. Die Jagdpanzer und Sturmgeschütze verloren aber mit dem Aufkommen von Kampfpanzern immer mehr an Bedeutung, denn die neuen modernen Kampffahrzeuge konnten die Rolle ebenso gut erfüllen.

Deutschland und Österreich setzten noch bis in die frühen 2000er-Jahre Jagdpanzer ein: Den Raketenjagdpanzer der deutschen Bundeswehr sowie den Kürassier, eine österreichische Entwicklung auf Basis des Saurer-Schützenpanzers und des französischen AMX. Die letzten Kürassiere wurden 2014 ausgemustert und an Sammler verkauft oder Museen zur Verfügung gestellt.

In der Ukraine ist das Konzept des Jagdpanzers plötzlich wiederauferstanden. Dabei ist es gut möglich, dass die wenigen verfügbaren Sprut ähnlich eingesetzt werden wie der T-55: als semimobile Geschützstellung zur Verteidigung gegen die ukrainische Frühjahrsoffensive. (Peter Zellinger, 7.5.2023)