Der Wiener Künstler Christian Hutzinger wohnt in der Leopoldstadt. Obwohl seine eigenen Bildräume meist kräftig und farbintensiv sind, braucht er zum Wohnen eher weiße, entsättigte Räume.

"Ich hatte früher eine Trennlinie zwischen Wohnen und Arbeiten, hatte räumlich und geografisch getrennte Bereiche für das eine und das andere, war aber ständig mit der Vespa unterwegs, um zwischen Wohnung, Atelier und Lager Dinge zu transportieren oder die Heizung ein- und auszuschalten. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass mehr Energie in die Logistik fließt als in die Kunst. Diese Zeiten sind vorbei. Wohnen und Arbeiten fließen bei mir nahtlos ineinander über. An manchen Tagen fühlt es sich an, als würde ich in der Wohnung arbeiten, aber meistens ist es so, dass ich im Atelier wohne.

Christian Hutzinger in seinem White Cube, in dem es eine strenge Ordnung gibt.
Foto: Lisi Specht

Die Arbeit ist omnipräsent. Nicht nur in der Wohnung, sondern auch drinnen im Kopf. Ich kann gar nicht anders. Manchmal passiert es, dass ich zwei, drei Tage lang die Wohnung nicht verlasse, oder das Atelier, wie man’s halt nimmt, dann arbeite ich mich in einen richtig konzentrierten Zustand hinein. Nur im Lockdown, als das plötzlich keine freiwillige Option mehr war, sondern ich förmlich gezwungen war, hier drin zu bleiben, dachte ich manchmal, mir fällt die Decke auf den Kopf, ich dreh gleich durch.

Eine Zeitlang hatte ich den Versuch unternommen, die Kunst auf einige Räume in der Wohnung zu beschränken und dafür andere Räume kunstfrei zu lassen. Aber das ist nicht gutgegangen. Heute ist wieder alles durcheinander. Im Vorzimmer lagern einige Dutzend Bilder, lehnen einfach an der Wand, im Schlafzimmer habe ich ein riesiges Regal für die Lagerung von Bildern und Keilrahmen, hier im Erkerzimmer, in dem ich mich gerade aufhalte, entstehen oft Konzepte, werden Ideen skizziert und gezeichnet, mache ich die Buchhaltung, im hinteren Zimmer wiederum widme ich mich hauptsächlich dem Malen.

"Rund um die unterschiedlichen Funktionen meiner Arbeit haben sich schon mal die unterschiedlichen Funktionen des Wohnens verlagert", sagt Christian Hutzinger. Kommode, Couch und Bett standen schon anderswo.
Fotos: Lisi Specht

Rund um die unterschiedlichen Funktionen meiner Arbeit haben sich schon mal die unterschiedlichen Funktionen des Wohnens verlagert. Mal war da der Schreibtisch und hier die Couch, mal da die Kommode und dort irgendwas anderes. Das Bett war schon mal im kleinen Kabinett hofseitig, viel zu still und viel zu unheimlich, das habe ich nicht ausgehalten, also bin ich wieder nach vorne gezogen, ins Straßenzimmer mit Fenster hinaus zur Taborstraße.

Zum Schwedenplatz und zum Karmelitermarkt ist es nicht weit. Ich mag es, wenn ich die Stadt höre, wenn alle sieben Minuten die Bim vorbeifährt.

Eines meiner schönsten Möbelstücke, obwohl ich es fast nie verwende, ist das alte Stahlrohrsofa, das ich von meiner Oma geerbt habe. Außerdem habe ich einen alten Schreibtisch, der mir ans Herz gewachsen ist, und einige andere, kleinere Möbel, wobei ich die meisten davon irgendwann einmal abgeschliffen und weiß gestrichen habe. So wie auch die Wohnung ganz weiß ist, weil ich neben meinen bunten, kräftigen Farben fast keine anderen Farben dulde. Ich habe alles ausgemalt und geweißigt. Ich wohne und arbeite in einer Art White Cube.

Fotos: Lisi Specht

Auf den ersten Blick wirkt die Wohnung, glaube ich, irgendwie chaotisch und unaufgeräumt. Tatsächlich aber gibt es hier – wie auch auf meinen Bildern – eine sehr klare Ordnung, eine ziemlich strenge geometrische Struktur und Bündelung von Verdichtungen.

Das viele Tageslicht empfinde ich als absoluten Luxus. Ich hatte noch nie im Leben so ein helles Atelier zum Arbeiten! Außerdem habe ich keine Nachbarn, ich kann auch in der Nacht beim Arbeiten so laut Musik hören, wie ich will. Manchmal habe ich die Fantasie, in einem meiner Bilder zu leben, mit gelben Wänden, roten Türen, grünen Fenstern und abgerundeten Zimmerecken. Ich stelle mir das super vor. Nur die Frage ist: Wie lange würde ich das aushalten?

Lieber stelle ich mir vor, eines Tages aus Wien wegzuziehen und eine andere Stadt, ein anderes Tageslicht, eine andere Himmelsfarbe kennenzulernen. Dann gehe ich aus dem Haus raus und bin nicht mehr in der Taborstraße, sondern auf einer Wiese, in einer Wüste oder irgendwo in Kalifornien." (PROTOKOLL: Wojciech Czaja, 8.5.2023)