Der Tanker Niovi wurde nach Bandar Abbas umgeleitet.

Foto: U.S. Navy via AP

Es ist ein gefundenes Fressen für die iranische Propaganda: ein kurzes Video von einem Boot der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC), die – erfolgreich offenbar – ein US-Kriegsschiff verwarnen, weil es sich den iranischen Hoheitsgewässern nähert. Und die US-Besatzung folgt noch dazu der Aufforderung der Pasdaran, gefälligst auf Farsi zu antworten, schließlich sei man im Persischen Golf! In manchen Versionen ist das Filmchen mit Musik untermalt, und dass diese ästhetisch eher Hollywood als dem iranischen Kulturraum zuzuordnen ist, das fällt den Helden in Teheran offenbar nicht auf.

Aber es ist unbestreitbar: Die Spannung zwischen den USA und dem Iran in der Golfregion steigt wieder. Am Mittwoch kaperten die Iraner zum zweiten Mal innerhalb einer Woche im Golf von Oman – also östlich der Straße von Hormus – einen Öltanker. Die Niovi, die unter panamaischer Flagge Fujayrah in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansteuerte, wurde nach Bandar Abbas umgeleitet.

Ob sie Öl geladen hatte – überhaupt der gesamte Kontext –, war am Donnerstag noch nicht ganz klar. Anders ist es bei der Advantage Sweet, die, in griechischem Besitz und unter der Flagge der Marshallinseln fahrend, Öl aus Kuwait in die USA bringen sollte und vorigen Donnerstag von den Iranern geentert wurde. Zu ihr gibt es eine Vorgeschichte: die Übernahme der Suez Rajan, ebenfalls griechisch und Marshallinseln-beflaggt, mit iranischem Öl auf dem Weg nach China. Beschlagnahmung durch die US-Justiz wegen Verletzung von US-Sanktionsregeln.

Saudis retten Iraner

Solche Vorgänge sind nicht neu, beginnend mit 2018 gab es immer wieder Schiffskaperungen, auch im Vorjahr. Aber derzeit fallen sie in eine Zeit, in der am Golf selbst eigentlich politische Entspannung angesagt ist. Die arabischen Golfanrainer haben demnach gewiss kein Interesse an einer Eskalation eines Konflikts zwischen den USA und Iran.

Laut einer Aussage des iranischen Außenministers Hossein Amirabdollahian stehen die Wiedereröffnungen der iranischen Botschaft in Riad und der saudischen in Teheran unmittelbar bevor. In den vergangenen Tagen kursierten Berichte und Bilder von der Evakuierung iranischer Staatsbürger mit saudischer Hilfe aus dem Sudan. Sie wurden in Saudi-Arabien betont herzlich empfangen.

Sogar, was Syrien betrifft, scheinen sich Saudi-Arabien und Iran zumindest nicht mehr in einem offenen Konflikt zu befinden, obwohl ja Erstere den Sturz Bashar al-Assads betrieben und Letztere ihn unterstützten, auch militärisch. Zu Wochenbeginn stellten einige arabische Staaten, darunter die Saudis, im jordanischen Amman die Weichen für die Normalisierung mit Damaskus.

Am Mittwoch wiederum besuchte der iranische Präsident Ebrahim Raisi den Überlebenskünstler Assad in Damaskus – Glückwünsche zum "Sieg" und Ruf nach einer gemeinsamen Front gegen Israel inbegriffen. Trotz der engen syrisch-iranischen Beziehungen war dies der erste Besuch eines iranischen Präsidenten bei Assad seit Kriegsbeginn, bisher reiste immer dieser nach Teheran.

Auch USA reden mit Syrien

Mit diesen Entwicklungen haben die USA keine Freude. Das US-Außenministerium warnte, dass eine Vertiefung der Beziehungen zwischen dem Iran und Syrien "sehr besorgniserregend für die Welt" sei. Prompt wurde geleakt, dass auch die USA mit Syrien Direktgespräche führen, im Oman. Allerdings geht es da um das Schicksal des 2012 im syrischen Bürgerkrieg verschwundenen US-Journalisten Austin Tice und um andere Amerikaner, berichtete das Wall Street Journal.

Von der saudisch-iranischen Normalisierung, die Mitte März überraschend verkündet worden war, erwartet man sich in der Region vor allem einen nachhaltigen Waffenstillstand in Jemen – wenngleich weiterhin unklar ist, wie eine politische Lösung aussehen könnte. Saudi-Arabien würde sich wohl mit dem Verbleib der Huthi-Rebellen in Sanaa, gegen die es 2015 in den Krieg eingestiegen ist, abfinden. Im Gegenzug sollte der Iran auf die Huthis einwirken, die Interessen Saudi-Arabiens nicht mehr anzugreifen.

Wie jedoch die Arrangements in anderen Staaten in der Region aussehen würden, in denen Teheran und Riad in Konkurrenz zueinander stehen, ist unbekannt. Das betrifft nicht nur Syrien, das nach 2011 völlig den Iranern (neben Russland) überlassen wurde, sondern auch den Irak und Libanon. Dort sind wegen der Lagerbildung die überfällige Präsidentenwahl und die Bildung einer neuen Regierung bisher unmöglich. (Gudrun Harrer, 4.5.2023)