Damit die künstliche Intelligenz auch die gewünschten Ergebnisse liefert, muss sie fachgerecht orchestriert werden. (Dieses Bild wurde von der KI Midjourney erstellt.)

Foto: Midjourney/pp

Eingaben in ein KI-Tool werden Prompts genannt. Je spezifischer der Prompt, desto detaillierter wird das Ergebnis. (Auch dieses Bild wurde von der KI Midjourney erstellt.)

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Bestandene Hochschulprüfungen, ein gewonnener Fotowettbewerb, Buchveröffentlichungen – generative KI hat in den vergangenen Monaten eine imposante Karriere hingelegt. Bild- und Textgeneratoren kommen mittlerweile in zahlreichen Berufsfeldern zum Einsatz, etwa in Architekturbüros und Redaktionen. Der Nutzer gibt einfach eine kurze Anweisung in ein Eingabefeld, Sekunden später spuckt die KI einen Text oder ein Bild aus.

Diese Prompts genannten Eingaben sind quasi die Regieanweisung für die KI. Je spezifischer der Prompt, desto detaillierter wird das Ergebnis. Wer zum Beispiel in eine Bild-KI den Prompt "Fotografiere einen männlichen Detektiv mit Zigarette, der sein Handy checkt, im Neonlicht einer Großstadt in 4k" formuliert, erhält genauere Treffer als jemand, der nur "Detektiv in der City" eingibt. Man kann es sich wie mit einem Fotoapparat vorstellen: Auf den Auslöser zu drücken ist keine große Kunst. Doch den passenden Moment zu finden, die richtige Belichtungs- und Verschlusszeit zu wählen, das Setting zu arrangieren, das können nur professionelle Fotografen.

Und genauso ist es bei KI. Auf die Kunst, die besten Ergebnisse aus Text- und Bildautomaten herauszuholen, verstehen sich nur wenige Spezialistinnen und Spezialisten. Sam Altman, Chef des ChatGPT-Herstellers Open AI, twitterte kürzlich: "Einen wirklich guten Prompt für eine Chatbot-Rolle zu schreiben ist ein unglaublich hoher Skill und ein frühes Beispiel dafür, in natürlicher Sprache zu programmieren."

Gefragter als Programmierer

Der Siegeszug generativer KI hat die Nachfrage nach dieser Fähigkeit enorm gesteigert. Prompt-Writer werden händeringend gesucht und sind gefragter als Programmierer, die im Silicon Valley gerade reihenweise entlassen werden. Um die besten Talente zu rekrutieren, rufen Unternehmen Saläre auf, die sonst nur für Top-Manager mit langjähriger Berufserfahrung bezahlt werden. Das Start-up Anthropic etwa bietet ein Jahresgehalt von 335.000 US-Dollar (rund 305.000 Euro) für die Stelle eines "Prompt-Writers und Bibliothekars" in San Francisco. Sage da noch jemand, die KI mache Texter arbeitslos!

Prompt-Writer tun nichts anderes, als hochleistungsfähige KI-Systeme mit Textbrocken zu füttern und die Ergebnisse feinzutunen. Programmierkenntnisse sind von Vorteil, aber kein Muss. "Es ist wie ein KI-Flüsterer", beschrieb der Prompt-Writer Albert Phelps gegenüber Bloomberg seine Tätigkeit. Die KI-Flüsterer bringen ganz unterschiedliche Hintergründe mit, einige haben Geschichte, Philosophie oder Englisch studiert. Prompting sei vor allem "Wortspiel", so Phelps, daher seien Menschen mit Sprachgefühl im Vorteil.

Die Texterin Anna Bernstein etwa arbeitete vorher als freie Autorin und Forschungsassistentin an einem historischen Seminar, bevor sie bei einem Start-up eine Stelle als Prompt-Writerin antrat. Der Job sei "unberechenbar", erzählte sie in einem Artikel für den Business Insider: "Dauernd kommen neue Sprachmodelle heraus, was bedeutet, dass ich meine Prompts immer wieder anpassen muss." Die Arbeit könne zum Teil auch langweilig sein, so Bernstein. Es gebe Tage, an denen sie stundenlang an einer einzigen Eingabe feile.

Keine Ausrüstung nötig

Im Netz finden sich eine Reihe von Onlinekursen und Tutorials, in denen erklärt wird, wie sich die Funktionstiefe generativer KI voll ausschöpfen lässt. Hochleistungsfähige Bildgeneratoren wie Midjourney können auch technische Vorgaben wie "35-mm-Film" oder "16:9" für fotografische Inszenierungen umsetzen. Natürlich bedienen Bild-KIs auch Klischees, etwa wenn der Anwender "30-jähriger französischer Mann" eingibt. Wie soll der nur aussehen? Gibt es dafür eine Formatvorlage?

Der Vorteil von KI besteht darin, dass man keine teure Kameraausrüstung oder Studios mehr braucht. Und auch keine Menschen. Die KI puzzelt Pixelmuster nach einem statistischen Modell neu zusammen und erzeugt dabei eine ganz neue Bildersprache. Das heißt nicht, dass morgen alle Fotografen arbeitslos sein werden, zumal sie mit der Technik arbeiten können. Aber ihnen wird es ähnlich ergehen wie den Porträtmalern bei der Einführung der Fotografie im 19. Jahrhundert: Ihre Arbeit wird weniger, aber dafür exklusiver werden.

Job-Skill des Jahrhunderts

Prompt-Writing ist aber kein "Super-Skill" und auch keine Nische wie Creative Writing, sondern eine Kulturtechnik, die jeder erlernen muss, der mit KI-Systemen hantiert – ein wenig wie die Boole’schen Operatoren bei der Internet- und Katalogrecherche. Waren Operatoren wie "AND" und "OR" einst Spezialwissen von Bibliothekaren, weiß damit heute jeder versierte Internetnutzer umzugehen.

Ähnlich könnte es mit Prompts auch werden. Das US-Magazin The Atlantic nannte Prompt-Writing kürzlich den "wichtigsten Job-Skill des Jahrhunderts": Die Zukunft auf dem Arbeitsmarkt könnte davon abhängen, wie gut man mit künstlicher Intelligenz sprechen kann. Programmiersprachen, die von Tech-Jüngern vor ein paar Jahren noch zur Lingua franca der digitalen Welt erklärt wurden, sind dabei gar nicht so entscheidend. Auf dem Feld der natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) kommt es auf die richtigen Worte an, um der KI ein einzigartiges Bild zu entlocken. Die KI-Souffleure scheinen fürs Erste den Ton gesetzt zu haben. (Adrian Lobe, 6.5.2023)