Aus dem Mutter-Kind-Pass wird der "Eltern-Kind-Pass".

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Am Mutter-Kind-Pass soll einiges geändert werden. Die augenscheinlichsten Änderungen an dem Vorsorgeprogramm sind: Es soll digital und in "Eltern-Kind-Pass" umbenannt werden. Zusätzliche Leistungen sollen in das Vorsorgeprogramm aufgenommen werden, etwa psychosoziale Beratung zu Beginn der Schwangerschaft, eine zweite freiwilligen Hebammenberatung vor der Geburt oder ein zusätzlicher Ultraschall.

Das Vorsorgeprogramm war und bleibt wichtig, weshalb verschiedene Verbände und Vereine zu Recht jetzt genau hinschauen. Viele Fragen kamen etwa zum Datenschutz. Befürchtungen wurden laut, dass der zweite Elternteil ohne Einwilligung Zugang zu den Daten der Schwangeren bekommen könnte – und etwa so von früheren Abtreibungen erfahren könnte. Das "Selbstbestimmungsrecht von Frauen" sei in Gefahr, kritisierte dahingehend der Österreichische Frauenring. Außerdem würde "die Frau als Mutter" unsichtbar gemacht.

Doch es gibt zwei gute Gründe, warum es gut ist, Frauen nicht mehr automatisch mit "Mutterschaft" zusammenzuspannen.

Warum nicht Elternschaft statt Mutterschaft?

Der Frauenring hat völlig recht, dass ohne die Zustimmung der Schwangeren niemand einfach so Einblicke in ihre Gesundheitsdaten nehmen darf, auch nicht der Vater. Dass der "Mutter-Kind-Pass" eine wichtige Maßnahme für die Gesundheitsvorsorge von Frauen war und ist – keine Frage. Aber das Argument, dass die "Frau als Mutter" durch die Neubenennung unsichtbar gemacht werde, ist seltsam.

Ist es nicht vielmehr so, dass Frauen viel zu sehr "als Mütter" sichtbar sind? Und dass das auch ein Grund dafür ist, dass sie noch immer die Hauptverantwortung für Kinder tragen müssen? Warum also nicht aus Mutterschaft Elternschaft machen? Frauen sind nicht der einzige Elternteil, das wurde aber viel zu lange so verstanden – und das muss sich ändern.

Im Übrigen ist das Vorsorgeprogramm eines, das bis zum fünften Lebensjahr des Kindes läuft – also längst nicht auf die Schwangerschaftsmonate beschränkt ist. Nach der Schwangerschaft stehen Impfungen der Kleinen und viele verpflichtende Untersuchungen für sie an. Die gynäkologischen Nachsorgeuntersuchungen gibt es auch, aber warum soll abseits davon, bei der Vorsorge für die Kinder, nicht selbstverständlich auch der Vater zuständig sein?

Breaking: Es gibt homosexuelle Eltern

Oder die Partnerin der Mutter, die aber selbst nicht schwanger war. Lesbische Paare mit Kindern sind keine Seltenheit mehr, oder Männer als Elternpaare. Auch nicht-binäre Menschen oder Transmänner können ein Kind bekommen. Mag sein, dass dies sehr kleine Gruppen sind – aber es gibt sie, und sie müssen gleiche Rechte wie Cis-hetero-Elternpaare haben.

Womit wir beim zweiten Grund wären, warum ein breiteres Spektrum beim Thema Elternschaft nötig ist:

Eltern statt Mütter. Na super, jetzt geht es also wieder nur um etwas Sprachliches, werden da viele sagen. Doch es war tatsächlich das Einzige, was kürzlich auf Twitter interessierte, als Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) auf die eingangs erwähnten Fragen rund um die geplanten Neuerung reagierte. Nein, die Daten der Schwangeren werden nicht ohne deren ausdrückliche Einwilligung weitergegeben. Weitere inhaltliche Nachfragen auf Rauchs Tweet gab es nicht, sondern allein einen Sturm der Empörung über eine Formulierung in Rauchs Tweet: "schwangere Person".

Servus TV berichtete, dass sich Rauch selbst bei "schwangeren Frauen" nicht vom "Gendern abhalten lasse". Die rechte Plattform "Report 24" schreibt von "Genderwahn-Posting". Auch auf Twitter war man entsetzt, dass nicht von "schwangeren Frauen" die Rede war. Laut Servus TV sind vor allem "Frauen und Mütter" empört über Rauchs Formulierung. Das stimmt schlicht nicht.

Vielmehr ist es in seiner Absurdität fast schon faszinierend, von welcher Seite derzeit aggressiv und gezielt das "Verschwinden von Frauen" beweint wird. Nämlich genau von jenen, die bis vor kurzem nur mit Häme und Ignoranz auf die Forderung reagierten, man möge doch bitte, bitte mit Zucker obendrauf auch Frauen sprachlich berücksichtigen. Genau die schreien jetzt auf, dass Frauen nicht explizit genannt werden. Zumindest, wenn es um Mutterschaft geht. Der Zweck dahinter ist einzig Hetze gegen alle außerhalb der Hetero-Norm. Das ist so offensichtlich. Trotzdem lassen sich auch viele aus der politischen Mitte mitreißen. So stimmte etwa Beate Meinl-Reisinger (Neos) auf Twitter mit ein und schrieb, sie würde gern "weiter Frau sein dürfen". Ja, eh. Niemand wird ihr das verbieten wollen.

Noch junge Frauenrechte

Ja, wir leben in einer Zeit, in der Geschlechtervielfalt seit kurzem eine weitaus größere Rolle spielt. Langfristig gesehen ist das eine große Chance, auch für Cis-Frauen und Cis-Männer, dass Geschlechterstereotype nicht unser Leben vorsortieren. Wie wir auszusehen hätten, sein oder lieben müssten.

Aber so weit sind wir noch nicht, und das bringt uns in eine teils komplizierte Lage, die Erzkonservative und Rechte derzeit bestens ausnutzen: Sie malen wieder einmal den Genderteufel an die Wand und schreien über alles, was differenziert ist, drüber. Zum Beispiel, dass die Kategorie "Frau" für politische Kämpfe zentral bleibt. Denn erst Mitte der 1970er erkämpften Frauen neben ihren Pflichten auch Rechte in der Familie und gegenüber ihren Kindern. Zuvor konnte alles der Vater entscheiden. Wie die Kinder erzogen werden, ob "seine" Frau arbeiten geht – Frauen und Kinder unterlagen seiner Verfügungsgewalt. Das ist also gar nicht lange her. Dass jegliche familien- und auch gesundheitspolitischen Änderungen von vielen Feminist:innen mit Argusaugen beobachtet wird, ist richtig und wichtig. Die Position, dass "Frau" als politische Kategorie weiter wichtig ist und gleichzeitig auch transgeschlechtliche und nicht-binäre Menschen beim Kampf um Gleichberechtigung unterstützt werden müssen – die ist über weite Strecken dominant.

Vor dem rechten Karren

Zur Gesundheitsversorgung sagt etwa die queere Soziologin Finn Mackay, dass die Geschichte der Unterdrückung von weiblichen Körpern, von Frauen, noch immer wichtig sei. Die lange Stigmatisierung ihrer Körper dürfe man nicht vergessen. Daher sei es weiter nötig, auch von der Gesundheitsversorgung von Frauen zu sprechen, so Mackay. Wenn eine medizinische Behandlung aber auch transgeschlechtliche und nicht-binäre Personen in Anspruch nehmen oder nehmen müssen, müsse man auch sie adressieren. Klingt einfach, ist es aber nicht immer, schon klar. Aber über Probleme kann und muss man reden. Menschen ihr Recht auf Existenz abzusprechen ist jedenfalls kein Weg.

Lassen wir uns also nicht vor den Karren der Rechten spannen, die jegliche gewinnbringende Debatte bewusst zerstören. (Beate Hausbichler, 8.5.2023)