Xbox-Chef Phil Spencer muss regelmäßig vor Fans erklären, warum Verschiebungen mittlerweile zur Philosophie von Microsoft gehören.

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Wenn man einem Kind sagt, sei brav, dann bekommst du zu Weihnachten viele Geschenke, ist das ein bewährtes Mittel, um die kleinen Racker zumindest kurzfristig im Zaum zu halten. Microsoft versuchte eine ganz ähnliche Methode mit ihrem Abo-Service Gamepass. Man kaufte über die Jahre für viele Millionen bekannte Entwicklerstudios und versprach einen Blockbuster nach dem anderen in den Abo-Service einzufüllen. "Xbox ist zurück", hieß es damals, nach der vergurkten Xbox-One-Ära. Nach rund zweieinhalb Jahren ist die Bilanz aber überschaubar und muss auch aufgrund des aktuellen "Redfall"-Debakels kurz aufgearbeitet werden.

Indies und Streaming

Gleich vorweg, das soll kein Xbox-Bashing werden. Microsoft hat mit den zwei Series-Konsolen, X und S, im November 2020 einen guten Start hingelegt und verkaufte sich die meiste Zeit ordentlich. Rund 20 Millionen Konsolen konnten bisher abgesetzt werden. Viele davon mit Sicherheit Kundinnen und Kunden des Abo-Services Gamepass, den Microsoft seit Jahren massiv bewirbt. 25 Millionen Kunden soll der Service bereits Anfang 2022 gezählt haben. Die Zahl ist deshalb möglich, weil man sich auch als PC-Kunde über eine große Spielebibliothek freuen kann.

Diese Bibliothek nimmt auch immer mehr Raum in der Kommunikation ein. Regelmäßig mit neuen Spielen befüllt, wird immer wieder vom "Netflix für Games" gesprochen. Der große Unterschied zum Abo-Service von Playstation war und ist, dass man große Blockbuster-Spiele ebenfalls im Abo findet. "Halo: Infinite", "Age of Empires" oder "Forza" waren am Erscheinungstag Teil des Services. Stark. Eigentlich musste man davon ausgehen, dass bei einer regelmäßigen Befüllung Sony bald aus dem Rückspiegel verschwinden würde. Doch irgendwie kam alles anders.

Die Playstation liegt seit dem Start in den Verkäufen vorne – Microsoft setzt aber weit stärker auch auf PC-Kunden, die fast alle Titel aus dem Gamepass spielen können.
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Kino statt Netflix

Zwar zog Sony mit diversen Abo-Modellen nach, die großen Titel wie "God of War", "Horizon" oder "Ratchet and Clank" blieben jedoch exklusive Vollpreistitel. Geschadet hat es Sony bisher nicht. Seit dem gleichzeitigen Erscheinen mit der Xbox Series verkaufte man rund zehn Millionen Konsolen mehr und das trotz anhaltender Engpässe im Verkauf. Wie kann das sein? Ach ja, Xbox liefert nicht.

Als vor zwei Jahren große Titel wie "Flight Simulator" und "Halo" in den Gamepass wanderten wurde in diversen Foren der Gamepass als Wunderwaffe gehandelt. Für rund 12 Euro im Monat einen regelmäßigen Nachschub an kleinen und großen Spielen klang äußerst verlockend. Microsoft kaufte unter anderem den Spielehersteller Bethesda und damit waren Marken wie "Doom", "Fallout" oder "The Elder Scrolls" auf einmal in Xbox-Hand. Parallel wurden immer wieder Ankündigungstrailer gezeigt, etwa vor bereits fünf Jahren ein Teaser zu "The Elder Scrolls VI" oder auch "Starfield" vor mittlerweile zwei Jahren auf der E3 im Juni.

Außer Versprechungen kam dann allerdings nur noch wenig. "Halo: Infinite" sollte nach dem Release mit neuen Erweiterungen versorgt werden, doch sogar auf den Koop-Modus musste man über ein Jahr warten. Spätere Kündigungen beim Entwickler 343 lässt Fans kaum noch auf weitere Abenteuer als Master Chief hoffen. Von "The Elder Scrolls" hört man gar nichts mehr, das große Science-Fiction-Game "Starfield" wurde bereits mehrfach verschoben und soll nun endlich im September 2023 erscheinen. Und was ist mit dem immer wieder erwähnten und gezeigten "Hellblade 2"? Man weiß es nicht genau.

Ebenfalls lange angekündigt und von Xbox-Chef Phil Spencer in einem Interview vor wenigen Monaten noch als "wichtiger Titel" erwähnt, erfüllte der Vampir-Shooter "Redfall" keine Erwartungen. Das Spiel wurde technisch und inhaltlich sowohl von Kritikern als auch Spielern als große Enttäuschung erkannt. Wenige Tage nach dem Erscheinen meldete sich Spencer erneut und entschuldigte sich für den Zustand des Spiels. Es sei "seine Schuld" und er würde "interne Prozesse prüfen", um so etwas nicht mehr passieren zu lassen.

"Starfield" soll der nächste Kracher für die Xbox werden.
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Gamepass-Wachstum verlangsamt sich

Der Hype rund um den Gamepass scheint ein wenig eingebremst zu sein. Im aktuellen Geschäftsjahresbericht von Microsoft war der Abo-Service mit einer Wachstumsrate von 73 Prozent eingeplant, wohl um die teuren Entwicklerstudio-Käufe langsam zu kompensieren. Tatsächlich erreichte man nur 28 Prozent Wachstum. Nach einem starken ersten Jahr wurde die Prognose auch im Vorjahr verfehlt. Speziell auf der Xbox melden immer weniger Leute den Abo-Service an, was Spencer gegenüber dem "Wall Street Journal" so komentierte: "Irgendwann hat man jeden auf der Konsole erreicht, der ein Abonnement abschließen möchte".

Vielleicht ist es aber auch die Enttäuschung der Fans, die von den zahlreichen Ankündigungen bisher wenig Greifbares erhalten haben. Vor allem die im Jänner 2022 angekündigte Übernahme vom größten unabhängigen Spiele-Publisher Activision Blizzard ("Diablo", "World of Warcraft", "Call of Duty") sorgte für unzählige Schlagzeilen. Über ein Jahr später verhindert die Angst vor einem Monopol in der Branche, zahlreiche Behörden und Kartelle grünes Licht für den Deal zu geben. Ein erfolgreiches Ende für Microsoft scheint aktuell nicht in Reichweite.

Der Überraschungshit "Hi-Fi-Rush" kam ohne große Ankündigung in den Gamepass.
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Ende gut, alles gut

Aber was können Xboxer die nächsten Monate erwarten? Nintendo klatscht in wenigen Tagen mit "Zelda: Tears of the Kingdom" ein potenzielles Spiel des Jahres auf den Markt, Sony will nach dem missglückten PSVR2-Start spätestens Ende des Jahres mit "Spider-Man 2" alles wieder gut machen. Für Microsoft wird viel von "Starfield" und dessen Erfolg abhängen. Die mit Sicherheit teure Produktion könnte bei einem Scheitern das Vertrauen in die Brand weiter erschüttern.

Es ist auch nicht so, als hätte Microsoft mit solch einer Entwicklung keine Erfahrungen. Während der sehr erfolgreichen Xbox-360-Ära sägte man langsam aber sicher wichtige Studios wie Lionhead ab oder ließ Teams wie Bungie ziehen. Mittelfristig kostete das der Xbox One, abseits von einem ungeschickt formulierten Always-On-Zwang, wichtige Exklusivtitel, die Nutzerinnen und Nutzer bei Laune halten hätten können. Auch Phil Spencer gibt vor wenigen Tagen in einem Interview zu, dass man in der letzten Konsolengeneration wichtigen Boden an Sony verloren hat, den man in dieser Generation erst wieder wett machen muss.

Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Der Gamepass ist laut Microsoft im Plus, Spieleentwicklungen dauern mittlerweile bekanntermaßen einfach länger und vielleicht geht der Activision-Blizzard-Deal ja doch noch durch. Zudem werden Xbox-Besitzer gern einmal mit Spieleperlen wie "Hi-Fi-Rush" oder "Pentiment" überrascht und auch in Sachen Streaming von Spielen ist man weit vor der Konkurrenz.

Kurzfristig gesehen muss der Xbox-Konzern in jedem Fall neben "Starfield" im Sommer noch etwas ankündigen, dass die Fanbase auch längerfristig bei der Stange hält und auch etwaige Kostenerhöhungen des Abo-Services erträglich macht. Von Versprechungen haben die Leute nämlich mittlerweile genug – von guten Spielen aber wohl nie. (Alexander Amon, 7.5.2023)