Der Philosoph und Autor Michel Friedman sprach zum Gedenken an die Befreiung des KZ Mauthausen im Parlament und fand scharfe Worte für "Antidemokraten".

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Wenn der Jude an Holocaustgedenktagen spricht, hat er zu entsprechen. Er hat Rücksicht zu sichten, ja nachsichtig zu sein. Seine Worte sollen ihr Gewicht an den richtigen Stellen vermissen lassen, um zartbesaitete Politikerseelen nicht zu sehr zu bedrücken, vielleicht sogar entsprechend zu belasten.

Was er sagen soll, soll schlafwandlerisch genau dem Anlass nach bestem Wissen und Gewissen entsprechen und dennoch geradezu entlastend für die Versammelten sein, denn dafür wurde er schließlich eingeladen: um die Kirsche auf der festlichen Nie-wieder-Torte zu bilden, die man verspeist, während man schon gedanklich an dem Wieder feilt.

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Die Aufgabe des Juden ist hier klar umrissen: Der Jude soll die gute Miene zum unguten Spiel garantieren. Ein wenig dankbar sein soll der Jude auch, immerhin wurde er von wichtigen Persönlichkeiten eingeladen, über den Schmerz seines Verlustes zu sprechen, damit der schöne Schein gewahrt werden kann.

Michel Friedman hat sich nicht an diese Spielregel gehalten. Michel Friedman wird vermutlich nie mehr eingeladen werden, um in Österreich an Holocaustgedenktagen zu sprechen. Das macht nichts. Diese eine kurze, fulminant prägnante, zur Kenntlichkeit entstellende Ansprache hat tausende lauwarme Worte – die davor kamen und die mit Sicherheit noch kommen werden – bereits gemessen, gewogen und in den Schatten gestellt. (Julya Rabinowich, 7.5.2023)