Noch ist die Skepsis in der ÖVP groß, sich mit der FPÖ ins Bett zu legen. Was zumindest aktuell dem Wählerwillen entspricht.

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Oberösterreich kann bereits auf acht gemeinsame Jahre zurückblicken, Niederösterreich ist im heurigen März nachgezogen, Salzburg folgte letzte Woche: Zumindest in diesen drei Bundesländern sitzt die FPÖ, durch die Volkspartei in die höchsten Landesposten gehievt, wieder an den Regierungshebeln. Vorwahlsager der ÖVP, nicht mit einer FPÖ à la Kickl paktieren zu wollen, spielten auf Landesebene offenbar keine Rolle. Genau hier bemüht sich die ÖVP nun, klare Trennlinien zu ziehen.

Diesen Schluss lassen zumindest Wortmeldungen von ÖVP-Proponenten wie Verfassungsministerin Karoline Edtstadler zu. Der Tenor: FPÖ auf Länderebene ja, im Bund als Koalitionspartner hingegen nicht – zumindest nicht unter dem aktuellen FPÖ-Chef und potenziellen Kanzler Herbert Kickl.

Auch Innenminister Gerhard Karner ließ dem STANDARD am Sonntag über einen Sprecher ausrichten, dass sich an seinem Nein zu einer Zusammenarbeit mit dem blauen Frontmann nichts geändert habe. .

Kickls "Tonalität"

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) wiederum verhandelt zwar aktuell mit den Freiheitlichen über eine Koalition. Mit einem Kickl als Chef der Bundes-FPÖ könne er aber wenig anfangen. "Das Problem der FPÖ ist Kickl in seiner herabwürdigenden Tonalität", betonte er am Sonntag in der Kronen Zeitung. Ist dieses Relativieren der FPÖ – im Land gut, im Bund schlecht – eine neue Linie, die die ÖVP nun verfolgt?

Dass sich die schwarz-blaue – oder blau-schwarze – Frage überhaupt stellt, liegt am freiheitlichen Höhenflug der letzten Monate. Die jüngste Sonntagsfrage weist die FPÖ mit 28 Prozent aus. Laut OGM-Befragung sprechen sich 23 Prozent der Befragten für die ÖVP und 20 Prozent für die SPÖ aus. Diese prächtigen Aussichten für die Freiheitlichen könnten Kickl tatsächlich nach den kommenden Nationalratswahlen im Herbst 2024 ins Kanzleramt befördern.

Eine Vorstellung, die für Verfassungsministerin Edtstadler "erschreckend" ist, wie sie am Samstag in einem Interview mit der Kleinen Zeitung kundtat. Eine Koalition mit einer von Herbert Kickl geführten Partei sei für sie persönlich nicht denkbar. Denn: "Für mich sind Freiheitliche, die Putins Propaganda im Nationalrat propagieren, einer ‚Orbánisierung‘ Österreichs das Wort reden, von einer Festung Österreich sprechen, ein Schreckgespenst."

"Schaumschläger" Kickl

Und zwar so sehr, dass sie in diesem Jahr die Menschen davon überzeugen will, "dass die Regierung gute Arbeit leistet" – und daher auf eine gute Kommunikation dieser Regierungsarbeit setzen will. "Da nehme ich die Medien nicht aus." Was Edtstadler konkret mit diesem Satz meinte, blieb unklar.

Nun sei die Zeit, um das schwarz-grüne Regierungsprogramm abzuarbeiten, sagt auch Innenminister Karner: "Im nächsten Jahr ist dann der Wähler am Wort." Sein wenig herzliches Verhältnis zu Kickl illustriert er mit Zitaten aus einem Oe24-Artikel aus dem heurigen Jänner. Als blauer Innenminister habe sich Kickl als "größter Schaumschläger aller Zeiten" entpuppt, heißt es darin.

Kickls Orbán-Fantasien

Allein mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Kickl innerhalb der ÖVP sind Edtstadler und Karner jedenfalls nicht: Davor hatte sich ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker kritisch gegenüber Kickl positioniert – die Koalitionsfrage sparte er allerdings aus. "Der freiheitliche Parteichef hat das Prinzip EU mitsamt ihren Chancen einfach nicht verstanden", schrieb Stocker am Samstag. Mit seinen "bedenklichen Fantasien und Parolen, seinem fragwürdigen Verständnis der europäischen Zusammenarbeit, der Demokratie und dem ständigen Schüren von Angst" treibe Parteiobmann Kickl die Freiheitliche Partei weiter in ein radikales Eck, schrieb er.

Damit reagierte Stocker auf die jüngsten Aussagen des FPÖ-Chefs bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) am Freitag in Budapest. Per Video zugeschaltet betonte Kickl nicht nur die Verbundenheit zwischen Österreich und Ungarn. Auch lobte er den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán in höchsten Tönen. Dieser habe Ungarn zu einem "Hort der nationalen Selbstbestimmung und des Widerstandes gegen den globalistischen Zugriff aus Brüssel" gemacht. Dieser sei ein klares "Vorbild", betonte Kickl am Freitag.

Bevölkerung sieht Schwarz-Blau kritisch

Die breite Wählerschaft in Österreich sieht indes einen schwarz-blauen Zusammenschluss durchaus kritisch. Eine FPÖ-ÖVP-Koalition findet zumindest derzeit keine mehrheitliche Zustimmung. Bei einer Umfrage von Peter Hajek für ATV (500 Befragte) haben sich 54 Prozent nämlich gegen eine solche Regierungskonstellation ausgesprochen, dafür wären 35 Prozent. Bei einer OGM-Umfrage für den Kurier (knapp 2300 Befragte) nennen gar nur 19 Prozent eine Zusammenarbeit von FPÖ und ÖVP als liebste Koalitionsvariante.

Zustimmung und Ablehnung in Sachen FPÖ-ÖVP-Koalition unterscheiden sich freilich stark nach den jeweiligen Parteipräferenzen: So wünschen sich laut der Hajek-Studie 81 Prozent der FPÖ- und 61 Prozent der ÖVP-Wähler Blau-Schwarz. Gegen diese Variante sind bei den Anhängern der Volkspartei allerdings deutlich mehr Befragte als bei FPÖ-Sympathisanten – 37 gegenüber 14 Prozent. (Irene Brickner, Markus Rohrhofer, Elisa Tomaselli, 7.5.2023)