Axel Corti im ORF: Am Montag um 23.30 Uhr auf ORF 2 mit der Doku "Der scharfe Beobachter" und um 0.10 Uhr auf ORF 3 mit "Der Fall Jägerstätter".

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Sonntags*, immer am frühen Nachmittag, war er bei uns zu Kaffee und Kuchen ein Fixpunkt im Radioprogramm: Axel Corti und Der Schalldämpfer. Legendär waren die Beiträge, mir ist die Stimme in Erinnerung. Wer könnte sie je vergessen? Inhaltlich war ich zu klein, um zu verstehen, wovon Axel Corti in den nächsten Sendeminuten sprach. Zum Beispiel vom Rabbi Hillel, dem es gelang, für einen kurzen Augenblick aus dem Jenseits zurückzukommen.

Allem, was Menschen bewege, versuche er auf den Grund zu kommen, sagte Corti. Das sei sein Sinn. Wie er das tat, zeigt eine Doku am Montag um 23.30 Uhr auf ORF 2. Mit dieser Sinnsuche eckte er an, 1971 etwa mit dem Film Der Fall Jägerstätter über den Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter. Indem er Filmszenen mit realen Interviews mischte, hielt er dem Volk einen Spiegel vor und rüttelte am Mythos der Opfertheorie.

Zu Wort in der Doku von Robert Altenburger kommen Menschen, die Corti nahestanden, darunter Witwe Cecily und Sohn Severin. Sie zeichnen das Bild eines großen, aber auch schwierigen Filme-, Radio- und Opernmachers, eines Denkers und Widerständigen, der fehlt.

Die Sendung mit dem Gleichnis des Rabbi Hillel vom 26. Dezember 1993 war seine letzte und ist eine Mahnung gegen das Vergessen. Auch weil fast alle vom ORF angefertigten Bänder der Sendung gelöscht wurden. Eine Ö1-CD-Edition kann man über den ORF erwerben. An einen der größten Filmregisseure des Landes im Fernsehen mit einer nur 30-minütigen Doku und Der Fall Jägerstätter auf ORF 3, beides im Nachtprogramm, zu erinnern ist hingegen eine Peinlichkeit, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu verantworten hat. (Doris Priesching, 8.5.2023)