Claudia Reiterer mit (von links): Maximilian Krauss (FPÖ), Karl Mahrer (ÖVP), Kay-Michael Dankl (KPÖ plus), Isolde Charim und Thomas Bierbricher. Wo ist die Mitte?

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Karoline Edtstadler leitete mit ihrer deutlichen Position, wonach ein Bundeskanzler Herbert Kickl für sie "erschreckend" wäre, das Thema ein. ÖVP-FPÖ-Landesregierungen entlang der Westbahn, die KPÖ in Graz in der Regierung, ihr Raketenstart zuletzt in Salzburg: Die Philosophin und Publizistin Isolde Charim sieht das als Symptom für das "Brüchigwerden des Gesellschaftsvertrages", als Unbehagen und Fremdheit gegenüber den Machthabern. Mit dem Auffliegen der Korruptionsfälle, mit einer Politik als "Hure der Reichen", zitiert sie Chatprotokolle, seien oligarchische Züge sichtbar geworden. Zudem sei die Schere zwischen Arm und Reich aufgegangen.

Die FPÖ und ihre Feindbilder

Karl Mahrer, Wiener Obmann der ÖVP, hatte dann auch größte Mühe, das Scheitern der Mietpreisbremse zu verteidigen. Er versuchte es mit dem Anliegen, lieber die Schaffung von "Eigentum" zu unterstützen. Klare Werte, klare Worte gibt er als Devise aus und bleibt bei seinem aktuellen politischen Thema, wonach Wienerinnen und Wiener in manchen Bezirken das Gefühl hätten, ihre Heimat verloren zu haben. Er rede ja mit Menschen.

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Maximilian Krauss, Bundesobmann der Freiheitlichen Jugend, sieht die deckungsfreie Flanke und beansprucht die Themen Wohnen, Teuerung, Migration für seine Partei. Die ÖVP koaliere auf Bundesebene mit den Grünen, wirft er ein und wird scharf: Heraus kämen sechs Geschlechter sowie Dragqueens, die beim Vizekanzler ein- und mit Förderungen wieder ausgingen.

Wer ist mehr "Partei des Volkes"?

Kay-Michael Dankl, neuer Salzburger Landtagsabgeordneter und Shootingstar der KPÖ plus, schafft es, ruhig zu bleiben, während die Kontrahenten versuchen, mit eklektischem Geschichtswissen die Vertreter der jeweils anderen Parteien mit Vorwürfen aus deren dunkler Vergangenheit niederzuringen. Moderatorin Claudia Reiterer hatte schon sehr lange nicht einen solchen Ring zu managen.

Der Begriff "Mitte", warnt Isolde Charim vor Umdeutungen, sei ein "hochideologischer Begriff". Sinngemäß: Durch die Übernahme von Themen der Parteien am Rand werde sie neu definiert. Krauss will sich "mit 30 Prozent nicht als Rand abstempeln lassen".

Der deutsche Politikwissenschafter Thomas Bierbricher beobachtet das Ringen und attestiert zumindest eine "Verunsicherung der liberalen Demokratie".

Kann da irgendwer mit irgendwem wirklich einen Zukunftsentwurf gestalten? Nach künftiger Konsensdemokratie sieht es jedenfalls nicht aus. (Karin Bauer, 8.5.2023)