Whatsapp könnte sich aus Großbritannien zurückziehen.

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Großbritannien und die EU haben der Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern im Internet den Kampf angesagt. Neue Gesetzen sollen Messengerdienste wie Whatsapp deshalb zur Unterwanderung der Chatverschlüsselung zwingen. Konkret sollen sie unter anderem am Handy der Nutzerinnen und Nutzer nach Missbrauchsmaterial suchen, was nicht nur für massive Proteste von Datenschützerinnen und Datenschützern sorgt.

In Großbritannien hat sich auch Whatsapp zu Wort gemeldet – und mit dem kompletten Rückzug gedroht, sollte die Regierung nicht vom Plan des verpflichtenden Client-Side-Scannings absehen. Der Grund: Sobald ein Messengerdienst seinen Service mittels Ende-zu-Ende-Verschlüsselung absichert, kann der Scan nur auf dem Endgerät stattfinden, was wiederum einer Unterwanderung der Verschlüsselung gleichkommt. Während die Nachrichten auf dem Transportweg abgesichert sind, sind sie am Smartphone der Empfänger frei auslesbar.

Die Zeit rennt davon

Wie der "Guardian" am Montag berichtete, läuft die britische Regierung derzeit "Gefahr, schlafwandlerisch in eine Konfrontation mit Whatsapp hineinzugeraten", die mit einem Rückzug des Messengers aus Großbritannien enden könnte. Eine Einigung mit dem Unternehmen werde immer unwahrscheinlicher. Die sogenannte Online Safety Bill, so der Bericht, würde es der britischen Medienaufsicht Ofcom ermöglichen, Social-Media-Netzwerken die technologische Bekämpfung von Kindesmissbrauch und terroristischen Inhalten vorzuschreiben. Bei Nichteinhaltung der Regeln drohen Strafen in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Für Whatsapp scheint das ein No-Go zu sein. "Die harte Realität ist, dass wir ein globales Produkt anbieten. Es wäre eine sehr schwierige Entscheidung für uns, eine Änderung vorzunehmen, die die Sicherheit von 100 Prozent unserer Nutzer verschlechtert", sagte Whatsapp-Chef Will Cathcart Ende letzten Jahres dem britischen "Telegraph". Wenn es hart auf hart komme, müsse man deshalb den Kompromiss eingehen, "dass wir in einigen Ländern verboten sind". Dieses Problem habe man bisher allerdings nur in autoritären Staaten gehabt.

Kein Schutz

In einem offenen Brief vom April bemängelten Messenger-Anbieter wie Whatsapp und Signal, dass der britische Gesetzesentwurf "keinen expliziten Schutz für die Verschlüsselung" biete. Sollte das Gesetz in aktueller Fassung umgesetzt werden, "könnte Ofcom versuchen, das proaktive Scannen privater Nachrichten bei Ende-zu-Ende-verschlüsselten Kommunikationsdiensten zu erzwingen". Ein Schritt, der den "Zweck der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zunichte" machen würde und die Privatsphäre aller User gefährde. "Es wäre schlichtweg eine merkwürdige Entscheidung, wenn wir die Sicherheit des Produkts in einer Weise herabsetzen würden, die 98 Prozent der Nutzer beeinträchtigen würde", sagte Cathcart im März.

Laut dem "Guardian" ist auch die Regierung gewarnt worden, die Sorge der potenziell betroffenen Unternehmen ernst zu nehmen. "Sie haben ein System, das für Milliarden Menschen auf der ganzen Welt funktioniert. Ein relativ kleiner Markt wie das Vereinigte Königreich ist nichts, wofür sie ihre Milliarden Nutzer auf der ganzen Welt gefährden würden", sagte die britische Abgeordnete Claire Fox.

Vorbote

Die aktuellen Entwicklungen im Vereinigten Königreich sind Vorboten möglicher Komplikationen in der EU. Auch hier ist geplant, mithilfe der sogenannten Chatkontrolle Social-Media-Plattformen zum Scan nach Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern zu verpflichten. Die Suche würde auf dem Endgerät stattfinden, Hersteller wären also gezwungen, Hintertüren in ihre Software einzubauen. Technisch soll die Suche mithilfe von Datenbanken sogenannter Hashes stattfinden, also einer Art digitaler Fingerabdrücke, mit denen bekanntes Missbrauchsmaterial erkannt werden kann. Außerdem wird der Einsatz von KI-Tools zur Erkennung von Grooming, also der Kontaktanbahnung mit Kindern, erwogen.

Es gibt jedoch viel Gegenwehr gegen die EU-Pläne für eine Chatkontrolle. Bisher haben sich einige Grundrechtsorganisationen, aber auch Kinderschützer kritisch zu dem Gesetzesvorhaben geäußert – und dessen Sinnhaftigkeit infrage gestellt. Eine mit Großbritannien vergleichbare Drohung von Whatsapp steht bisher allerdings aus. (mick, 8.5.2023)