Es ist still im neuen Restaurant Donnersmarkt am Parkring, was auch daran liegt, dass sonst keine Gäste da sind. Denn der Großraum ist monumental angelegt, es hallt auch wie in einer Kirche. Die doppelreihig angeordneten Fenster deuten darauf hin, dass für die Wirkung ein ganzes Geschoß dran glauben musste. Zugleich verstärken sie die sakrale Atmosphäre. Dazu hängen drei massive, kreisförmige Luster vom Plafond. Sind das da oben tatsächlich armdicke weiße Kerzen, die für Stimmung wie bei einem Totengedenken sorgen? Gothic als neuer Trend im noblen Hoteldesign – das hätte schon was, man soll sich schließlich der Klientel anpassen.

Beim Essen hat man jedenfalls Zeit, sich dem Interieur bis ins Detail zu widmen: Der Saal bleibt einem den ganzen Abend über ganz allein. Aber das kennt man aus anderen Hotelrestaurants in Wien so ähnlich, könnte also als Merkmal der Gattung gewertet werden. Auch der Name – Donnersmarkt – kann in seiner Verstiegenheit und Kryptik mit jenen vergleichbarer Hotelableger durchaus mithalten. Wobei: Namenschmähs (das Gebäude war ursprünglich als Palais Henckel-Donnersmarck errichtet worden) sind noch einmal besonders lahm.

Der Service ist jedenfalls prompt zur Stelle und tadellos professionell noch dazu. Beim Reichen der Speisekarte wird darauf hingewiesen, dass Gemüse ein besonderer Fokus der Küche sei ("Plant Forward Cuisine"), wiewohl es schon auch ein bisserl ein Fleisch gebe. Da ist die Preisgestaltung (ein nicht näher beschriebenes "Babenberger Lamm" um 48 Euro die Portion) aber auf eine Art prohibitiv, dass das vegetarische Angebot gleich doppelt interessant wirkt.

Volle Aufmerksamkeit für den Gast im halligen Donnersmarkt des neuen Hotels Almanac am Wiener Parkring.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Man sollte aber nicht erwarten, dass die entspannte Buchungslage in doppelter Sorgfalt der Küche resultiert. Knollensellerie, dick gedünstete Brocken, wirkt in seiner ausgewaschenen, kraftlosen Interpretation mit reichlich Gojibeeren und Pistazien in dünnsuppigem Sud, als ob er vor der Endlagerung im Bauch des Gastes bereits ein längeres Zwischengrab im Kühlschrank genießen durfte: Schal, abgestanden, knorrig und richtiggehend müde im Geschmack – die auf der Karte angekündigte, nur leider vergessene Sauce béarnaise wäre ein dringend angezeigtes Gleitmittel gewesen.

"Donnersmarkt Kartoffel-Spinat-Torte" wird als Signature-Gericht des Hauses empfohlen, kann die Erwartungen aber nicht ganz erfüllen: Mächtige Ziegel aus eher mehligen Erdäpfelwürfeln, die von wenig Spinat und einer diffus käsigen Creme zusammengehalten werden, legen den Gaumen zwar gekonnt trocken (freut den Sommelier!), wirken insgesamt aber mehr wie gut gemeinte WG-Küche denn luxuriös weltläufige Gemüsekreation. Die sparsam dazu geträufelte Pilzsauce ist geschmacklich gut, aber halt um etliche Schöpfer zu knapp bemessen, um das dezidiert steppige Mundgefühl zu lindern.

Zweierlei Püree in Grüntönen mit Grünspargel.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Experiment am Gast

"Texturen vom Karfiol mit flüssigem Käse, gegrillt, püriert und knusprig mit hausgemachter Chilisauce" machen schon auf der Speisekarte Angst, sie schaffen es aber, obwohl bestellt, ohnehin nicht bis zum Gast. Ist vielleicht besser so, auch die gräulichen Dünnspargel-Zombies mit Erbsen und zweierlei Püree in Grüntönen (siehe Bild) vermögen die Lust nach frühlingsfrischem Gemüse nämlich nur nominell zu stillen.

Bleibt das Dessert. Allein, der Bienenstich hatte es sich auch schon merkbar im Kühlschrank gemütlich gemacht und erreicht den Tisch im Stadium finaler Dehydrierung. Hat auch etwas: So trocken, so hartkrümelig dicht, so feuchtigkeitsvernichtend hat man sich bislang nur PU-Schaum vorzustellen vermocht. Dazu die bis an den Gefrierpunkt gekühlten Deko-Erdbeeren mit dem Biss frisch ausgegrabener, noch ungegarter Erdäpfel – und man hat eine ganz neue Idee davon, wie experimentell die Wiener Zuckerbäckerkunst sich mittlerweile entwickelt hat. (Severin Corti, 12.05.2023)