Mit dem Dirigenten Jakub Hrůša konnte ein intimer Kenner von Janáčeks Werk gewonnen werden.

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"Vorspiel zu Jenůfa" stand auf dem Programmzettel. Wer da stutzte, lag richtig, ist doch diese relativ regelmäßig gespielte Oper von Leoš Janáček ohne Ouvertüre bekannt. Tatsächlich wurde die Musik als solche geschrieben, dann aber doch weggelassen.

Eine Abschrift schlummerte fast neunzig Jahre lang in der Wienbibliothek im Rathaus. Erst vor vier Jahren wurde diese nach den ursprünglichen Intentionen des Komponisten neu bearbeitet – und nun in einer Wiener Erstaufführung vorgestellt.

Das war möglich, weil mit dem Dirigenten Jakub Hrůša ein intimer Kenner von Janáčeks Werk für ein weiteres Philharmonisches Abonnementkonzert gewonnen wurde. "Žárlivost" ("Eifersucht") – so ist die Partitur überschrieben, und man findet sich tatsächlich in einem psychologischen Gefüge, das eine bedrückenden, klaustrophobische Enge erzeugt – und eine emotionale Sogwirkung, die direkt in das Horrorkabinett der Oper zu führen scheint.

Es war schlicht grandios, wie Hrůša mit den Wiener Philharmonikern im Musikverein diese konzentrierten Töne zum Sprechen brachte, aber erst der Anfang eines atemberaubenden Programms.

Jubel als Aufschrei

Denn es ging weiter mit dem Sergej Prokofieffs drittem Klavierkonzert, dessen aberwitzige technische Schwierigkeiten dem Solisten Daniil Trifonov als Sprungbrett für ein Panoptikum pointierter Volten dienten. Die Partnerschaft mit dem Orchester war von sprühender Makellosigkeit.

Neuerlich in Höchstform zeigten sich Hrůša und die Philharmoniker dann bei der fünften Symphonie von Dmitri Schostakowitsch: Wie eine himmelschreiende Klage wirkten sowohl die Intervallsprünge des Beginns als auch das tieftraurige Largo, von bitterbösem Humor war das Allegretto.

Und das mächtig auftrumpfende Finale entsprach genau der Doppelbödigkeit, die den Komponisten zur Zeit der stalinistischen Schreckensherrschaft überleben ließ: scheinbar affirmativ, durch maßlose Übertreibung aber als ironisch erkennbar. Erzwungener Jubel als Aufschrei.

Hinweis: Am 10. Mai sind die Wiener Philharmoniker und Jakub Hrůša im Wiener Konzerthaus zu erleben. Neben denselben Werken von Janáček und Schostakowitsch steht die Introduktion aus Prokofieffs "Romeo und Julia" auf dem Programm. (Daniel Ender, 8.5.2023)