Auf Segelschiffen wie dieser spanischen Galeone herrschten hygienische Ausnahmezustände, wie sich anhand der in Wracks gefundenen Insektenarten zeigen lässt. Diese Sechsbeiner eroberten schon damals die Häfen der Welt.

Cornelis Verbeeck, etwa 1620, gemeinfrei / Wikimedia

In Filmen wie "Fluch der Karibik" ist der hygienische Alltag auf Segelschiffen eher kein Thema – also etwa, wie die Seefahrer welche Speisen wie zu sich nahmen, in der Folge ihr großes und kleines Geschäft verrichteten und anderen körperlichen Bedürfnissen nachgingen. Denn das würde unser romantisch geprägtes Bild von der Freiheit auf hoher See im Zeitalter der Entdeckungen doch einigermaßen erschüttern und sich nicht eben für jugendfreie Darstellungen eignen.

So ist in Tagebüchern von Seeleuten immer wieder die Rede davon, dass sich viele der Mitsegelnden nicht die Mühe machten, nach oben zu gehen, um sich zu erleichtern. Zwar sind solche Schilderungen umstritten. Dennoch sind sich Historiker, Archäologinnen und andere Fachleute einig, dass auf den großen Segelbooten, die vom 15. bis zum 19. Jahrhundert die Weltmeere beherrschten, rein hygienisch betrachtet ein permanenter Ausnahmezustand herrschte.

Alte Schiffswracks als neue Quelle

Faktische Beweise dafür zu finden ist allerdings nicht ganz einfach. Doch genau das gelang kürzlich der portugiesischen Archäologin Ana Catarina Garcia (Universidade Nova de Lisboa) gemeinsam mit der Insektenkundlerin Eva Panagiotakopulu, die an der Universität Edinburgh arbeitet. Die beiden haben für ihre neue Untersuchung, die kürzlich im Fachblatt "Biological Invasions" erschien, zwei Schiffswracks vor den Azoren untersucht, die beide aus der Zeit um 1650 stammen.

Bei dem ersten, Angra C, handelt es sich vermutlich um ein niederländisches Schiff; das zweite, Angra D, war spanisch. Bei Expeditionen zu beiden Wracks wurde alles Mögliche geborgen: von Seilen, Werkzeugen und Eimern bis hin zu Weizenkörnern und Planken. Daneben wurden aber auch die Überreste verschiedener Insektenarten gefunden. Die beiden Forscherinnen interessierten sich in ihrer Studie vor allem dafür, wie bereits in der Frühen Neuzeit Segelschiffe invasive Arten von einem Kontinent zum anderen transportierten. Ihre Funde werfen aber auch ein bezeichnendes Licht auf das Alltagsleben auf See in diesem Zeitraum.

Unappetitliches Insektarium

Unter den konservierten Insektenteilen befanden sich etwa Flügel der Amerikanischen Großschabe (Periplaneta americana), die – anders als ihr Name verspricht – ursprünglich nicht aus Amerika stammt, sondern aus Südasien. Seit einigen Jahrhunderten ist sie in so gut wie allen klimatisch einigermaßen günstigen Häfen verbreitet und eben auch in Amerika. Sie ernährt sich vor allem von Abfällen und verbreitet unangenehme Krankheiten wie Salmonellen.

Gefunden wurden außerdem mehr als 30 Individuen einer Fliegenart namens Dohrniphora cornuta. Sie lebt häufig in verdorbenen Lebensmitteln und liebt Abwässer und Aas aller Art. Ihre Larven wachsen unter anderem in verwesenden Grillen heran.

Käse- und Urinfliegen

Zu den gefundenen Fluginsekten gehört auch die Art Piophila casei aus der Familie der Käsefliegen. Sie legt ihre Eier auf Käse, Trockenfleisch und geräuchertem Fisch ab. Sie hat auch Appetit auf verrottendes menschliches Fleisch und verdankt ihren Namen dem Umstand, dass ihre Larven gerne von Leichen zu Lebensmitteln überwechseln. (Dennoch wird ein spezieller Schafskäse aus Sardinien dadurch verfeinert, dass sich Larven dieser Käsefliegenspezies in ihm entwickeln dürfen.)

Schließlich entdeckten die beiden Forscherinnen auch noch die Überreste von Teichomyza fusca, die weithin als "Urinfliege" bekannt ist, weil ihre Larven in mit Urin getränktem Holz gedeihen. Womit die Behauptung vom Urinieren an Bord doch eher verifiziert wäre. (tasch, 18.5.2023)