Staatspräsidentin Zuzana Čaputová verkündete am Sonntag ihren Plan für ein Übergangskabinett aus Expertinnen und Experten.

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Auch wenn es paradox klingen mag: Der jüngste Paukenschlag in der politischen Dauerkrise der Slowakei könnte wenigstens für ein bisschen Ruhe im Land sorgen, bevor – voraussichtlich Ende September – ein neues Parlament gewählt wird.

Am Sonntag hatte der amtierende Premier Eduard Heger seinen Rücktritt erklärt. Unmittelbar darauf kündigte die liberale Staatspräsidentin Zuzana Čaputová an, eine Beamtenregierung einzusetzen, die das Land in die Neuwahl führen soll. Ihr Chef wird der bisherige Vizegouverneur der Slowakischen Nationalbank, Ľudovít Ódor. Weitere Namen sollen in den nächsten Tagen folgen, Mitte Mai soll das Übergangskabinett die Amtsgeschäfte aufnehmen.

Um die instabilen Verhältnisse in der Slowakei zu verstehen, lohnt es sich, mehr als fünf Jahre zurückzublicken – schon deshalb, weil der damalige Premier Robert Fico laut Umfragen gute Chancen hat, nach der Wahl erneut Regierungschef zu werden.

Damals, im Februar 2018, wurden der Investigativjournalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová in ihrem Haus nordöstlich der Hauptstadt Bratislava erschossen. Kuciak hatte in zahlreichen Artikeln über einen Filz aus Politik und Geschäftemacherei berichtet. Die Täter wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der mutmaßliche Drahtzieher wird weiterhin als Beschuldigter geführt und verbüßt wegen einer Betrugscausa eine Gefängnisstrafe von 19 Jahren.

Breite Protestbewegung

Massenkundgebungen nach dem Mord führten zum Rücktritt des Linkspopulisten Fico, Regierungschef wurde sein damaliger Parteikollege Peter Pellegrini. Den echten Machtwechsel aber brachte erst die Parlamentswahl im Februar 2020: Igor Matovič, Chef der konservativ-populistischen Partei Oľano (Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten) war mit seinem harten Antikorruptionswahlkampf erfolgreich und wurde Premier in einer Mitte-rechts-Regierung.

Die Bilder der Angelobung gingen um die Welt: Damals, im März 2020, war es noch ein Novum, dass bei der Vereidigung eines Kabinetts Maske getragen wird. Die Corona-Pandemie war demnach von Anfang an ein Klotz am Bein der Regierung. Als deren größtes Problem aber sollte sich Matovič selbst erweisen, der als streitsüchtig gilt und bald auch die Koalitionspartner vergraulte.

Als Matovič im Februar 2021 – gegen den Willen des eigenen Kabinetts – zwei Millionen Dosen des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V bestellte, kostete ihn das schließlich den Job. Allerdings blieb er als Finanzminister weiter im Kabinett, Premier wurde der bisherige Finanzminister Eduard Heger.

Dauerclinch rund um Matovič

Der Ämtertausch glättete zunächst die Wogen – wohl auch, weil der besonnene Heger sich im Gegensatz zu Matovič als Mann des Ausgleichs präsentierte. Unter der Oberfläche aber brodelte es weiter. Vor allem mit der liberalen Koalitionspartei Freiheit und Solidarität (SaS) lag Matovič im Dauerclinch, der schließlich zu einem Rückzug der SaS aus der Koalition führte.

Heger stand fortan einer Minderheitsregierung vor, die Ende 2022 auch noch eine Misstrauensabstimmung im Parlament verlor und danach lediglich kommissarisch im Amt blieb. Seither haben weitere vier Minister die Regierung verlassen. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war schließlich ein Skandal um Subventionen für eine Firma des Landwirtschaftsministers. Danach trat am Freitag aus Protest auch noch der Außenminister zurück. Hegers Machtbasis ist endgültig zerbröselt.

Ukraine-Politik im Fokus

In Bratislava heißt es, Heger sei mit seinem Rücktritt am Sonntag der Abberufung durch Čaputová nur wenige Stunden zuvorgekommen. Mit einer eigenen Partei, den Demokraten, könnte er es bei den Wahlen aber noch einmal versuchen.

Optimistischer dürfte jedoch der Linkspopulist Robert Fico mit seiner Partei Smer ins Rennen gehen. Diese führt in den Umfragen, während die konservativen Noch-Regierungsparteien gar um den Wiedereinzug ins Parlament bangen.

Sollte Fico, der Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt, neuerlich Regierungschef in dem EU- und Nato-Land werden, dann dürfte das auch bei den westlichen Bündnispartnern für Unruhe sorgen. Manche warnen gar vor einer künftigen Zusammenarbeit Ficos mit Rechtsextremen. Enttäuscht und besorgt sind nun auch viele von denen, die 2018 gegen Fico auf die Straße gegangen sind. (Gerald Schubert, 8.5.2023)