Finanzielle Schwierigkeiten hat Matrei bereits seit Jahren, dieser Tage ringt die Gemeinde aber um ihr wirtschaftliches Überleben.

Foto: APA/EXPA/ JOHANN GRODER

Eingebettet in die imposante Berglandschaft der Hohen Tauern zieht Matrei vor allem im Sommer Scharen an Besucherinnen und Besuchern an. Für die Osttiroler Gemeinde, flächenmäßig die zweitgrößte des Bundeslandes, ist der Nationalpark eine wichtige Einnahmequelle geworden. Und dennoch hat Matrei ein Problem: Das Geld geht aus.

Finanzielle Schwierigkeiten hat das Dorf bereits seit Jahren, dieser Tage ringt es aber um sein wirtschaftliches Überleben. Um das schlimmste, einen Konkurs, zu verhindern, laufen die Verhandlungen mit den Kreditgebern auf Hochtouren. Das Ziel müsse sein, das Worst-Case-Szenario zu verhindern, fordert Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP). Das Land hat bereits 6,6 Millionen bereitgestellt, jetzt wolle man weitere Gespräche führen, damit die Gläubiger doch noch zu ihrem Geld kommen.

Sollte Matrei in den Konkurs schlittern, wäre dies einzigartig in Österreich. Die Gemeinde war schlecht verwaltet, die steigenden Kreditzinsen und Energiekosten kamen dazu. Allein ist Matrei mit finanziellen Problemen allerdings nicht. Die anhaltende Teuerung bereitet vielen Gebietskörperschaften "massive" Probleme, worauf zuletzt das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) eindrücklich hinwies.

"Deutlicher Einbruch"

In einer Studie, die das KDZ für den Städtebund erstellt hat, rechnen Fachleute für das Jahr 2023 mit einem "deutlichen Einbruch der Liquidität der Städte und Gemeinden, welche sich bis 2026 nur teilweise erholen wird". Die Ausgaben werden demnach doppelt so stark steigen wie die Einnahmen.

Hauptauslöser dafür sind die stark steigenden Energiepreise. Kostenintensive Bereiche seien hier vor allem Kindergärten und Schulen, der öffentliche Verkehr und Kultureinrichtungen. Gleichzeitig steigen die Einnahmen weniger stark. Gründe sind unter anderem die Abschaffung der kalten Progression, die Teuerungsentlastungspakete und die ökosoziale Steuerreform. Dazu kommen steigende Kreditzinsen.

Der Überschuss der Gemeinden wird laut den KDZ-Berechnungen statt der erforderlichen 15 Prozent durchschnittlich höchstens zehn Prozent betragen. "Somit fehlt ein Drittel des Spielraums für Investitionen", sagt Geschäftsführer Peter Biwald. Vor allem für Gemeinden, die schon jetzt einen hohen Schuldenstand haben, dürfte das zum Problem werden. Die Zahl der Gemeinden, die negativ haushalten, wird deutlich steigen. Wie vielen davon tatsächlich die Zahlungsunfähigkeit droht, sei statistisch aber schwer zu beurteilen, erklärt Biwald im Gespräch mit dem STANDARD.

Gemeindevermögen verscherbeln?

Einzelne strauchelnde Dörfer und Städte gab es immer wieder. In den 1930er-Jahren gingen mit Schwaz, Donawitz und Pinkafeld gleich drei Gemeinden in Konkurs. Sie mussten einige Vermögenswerte verkaufen, damit die Kreditgeber bedient werden konnten. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde in Not geratenen Gemeinden stets unter die Arme gegriffen.

Rechtlich ist der Konkurs einer Gemeinde aber nach wie vor möglich, erklärt Rechtsanwältin Annika Wolf, die immer wieder Gemeinden berät. In Deutschland ist explizit geregelt, dass Gemeinden nicht in Insolvenz gehen können, in Österreich ist das nicht der Fall. Trotzdem würde eine Gemeindeinsolvenz faktisch anders ablaufen als die Insolvenz eines Unternehmens.

Aus dem Verfassungsrecht lässt sich etwa ableiten, dass Gemeinden funktionsfähig bleiben müssen. Gläubiger können also nicht auf das ganze Vermögen einer Gemeinde zugreifen. Öffentliche Aufgaben, zum Beispiel Kindergarten, Schule, Straße, müssen aufrechtbleiben. "Allerdings gibt es Graubereiche", sagt Wolf. Fraglich sei, was mit Vermögenswerte passiere, die nicht zwingend notwendig sind. Im Zuge der möglichen Insolvenz von Kärnten wurde etwa diskutiert, ob das Land Seegrundstücke verkaufen müsste.

Argumente für den Finanzausgleich

"Eine Gemeinde ist wie ein Unternehmen. Man muss die Kosten laufend im Auge behalten", sagt Wolf. Das Management sei aber mitunter fordernd, vor allem wenn Bürgermeisterinnen oder Bürgermeistern die entsprechende Erfahrung fehlt. Eine Gemeinde müsse mit Straßenbau, Wohnungen, Umwidmungen, Energieprojekten, Kindergärten unterschiedlichste Themenbereiche abdecken. "Das ist schon viel verlangt", sagt Wolf. Unterstützung gebe es vom Land, manche Aufgabe muss man auch auslagern.

Für das System sei es insgesamt wohl vernünftiger, strauchelnden Gemeinden unter die Arme zu greifen, sagt KDZ-Geschäftsführer Biwald. Auch wegen der möglichen Folgen für andere Gemeinden. Oswald Wolkenstein von der Wirtschaftskammer Tirol wies im Ö1-"Morgenjounal" zuletzt etwa darauf hin, dass sich die Ratings, die die einzelnen Tiroler Gemeinden haben, aufgrund der Insolvenz deutlich verschlechtern könnten und man mit höheren Refinanzierungskosten rechnen müsste.

Mit der angespannten finanziellen Situation dürften die Gemeinden bei den Finanzausgleichsverhandlungen jedenfalls gute Argumente parat haben. Bund, Länder und Gemeinden diskutieren derzeit darüber, wie die Steuereinnahmen ab 2024 aufgeteilt werden. Noch ist Zeit: Bis Herbst sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. (Jakob Pflügl, 10.5.2023)