Ein Kameramann von Puls 24 hat beim Tatort in einem Mordfall in Wien-Simmering folgende Szene gefilmt: Ein junger Mann, ganz offensichtlich "Migrationshintergrund", gerät mit einem der Polizisten, die dort herumstehen, in eine Auseinandersetzung. Der junge Mann gestikuliert, berührt den Polizisten. Der, gleichfalls ein junger Mann, wirft ihn blitzschnell mit einem Selbstverteidigungsgriff zu Boden – sehr hart. Darauf stürzen sich mehrere Polizisten auf den am Boden Liegenden, fixieren ihn (gegen Widerstand) und knallen seinen Kopf mindestens zweimal aufs Pflaster. Man sieht eine Blutlache.

Ein Video eines Polizeieinsatzes bei einem Tatort in Wien-Simmering sorgt für Empörung.
Foto: Fotocredit: APA/Eva Manhart

Der 19-jährige österreichische Staatsbürger wurde wieder auf freien Fuß gesetzt und wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" und "schwerer Körperverletzung"(!) angezeigt. Was wird gegen den oder die Polizisten unternommen, die den Schädel des Mannes gegen den Beton geschlagen haben?

Höchstwahrscheinlich liegt hier eine Überreaktion von beiden Seiten vor. Die des Polizisten wiegt schwerer. Der junge Mann wollte nach eigenen Angaben zu einem Bankomaten, der Polizist erklärte ihm, hier sei abgesperrt, darauf war der junge Mann offensichtlich aufgebracht. Es sollte aber nicht vorkommen, dass daraufhin unverhältnismäßige Mittel durch die Polizei angewendet werden.

Ausbleibende Maßnahmen

Beschwerden über Polizeigewalt gibt es relativ oft, und relativ oft sind sie berechtigt. Deswegen soll auch seit langem eine Ermittlungsstelle für Fälle von Polizeigewalt geschaffen werden, die aber in der Begutachtungsfrist unter anderem von der Volksanwaltschaft, Amnesty International, der Liga für Menschenrechte und anderen Organisationen massiv kritisiert wurde. Hauptkritikpunkt: Die Beschwerdestelle steht erst wieder unter dem Einfluss der Polizei beziehungsweise des Innenministeriums.

Anklagen bei Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei sind selten, Verurteilungen noch seltener. Oft kommt es auch nach Verurteilungen nicht zu disziplinären Maßnahmen. Es sei denn, es liegen Videobeweise vor, wie bei dem skandalösen Fall von 2019, als ein völlig aggressionsfreier Teilnehmer einer Klimademonstration von Polizisten gepackt und mit dem Kopf unter einen Polizeibus geschoben wurde, der daraufhin losfuhr. Der Mann konnte in letzter Sekunde von den Polizisten zurückgezogen werden. Der Fahrer des Polizeibusses erhielt eine Geldstrafe von etwas mehr als 2.000 Euro.

Bei den Demos gegen die Covid-Maßnahmen und bei anderen Gelegenheiten, wenn Rechtsextreme prominent vertreten sind, werden oft Vertreter der Medien von ebendiesen Rechtsextremen belästigt und behindert. Die Polizei unternimmt so gut wie nichts dagegen. Das Verhalten der Polizei bei solchen Gelegenheiten ist immer wieder fragwürdig. Dass da gewisse politische Antipathien gegen kritische Berichterstattung und/oder gegen Angehörige von Minderheiten eine Rolle spielen – dieser Verdacht entsteht immer wieder.

Der Großteil der Polizei verhält sich wohl korrekt, aber gegen diese überschießende Gewaltanwendung muss etwas getan werden. Sowohl was ein Deeskalationstraining betrifft wie auch eine konsequentere Verfolgung von eindeutigen Polizeiübergriffen. (Hans Rauscher, 9.5.2023)