Mitterdorfer: "Rangnick reißt mit, hat Ideen und Visionen, geht nicht immer nur den bequemen Weg."

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Am 8. Juli wird Klaus Mitterdorfer von der Bundeshauptversammlung zum neuen Präsidenten der Österreichischen Fußballbundes (ÖFB) gewählt. Der 57-jährige Jurist war bisher Chef des Kärntner Landesverbandes.

STANDARD: Warum wird man ehrenamtlicher Präsident des Österreichischen Fußballbunds? Haben Sie eine masochistische Ader?

Mitterdorfer: Da muss ich ausholen. Fußball hat von klein auf mein ganzes Leben geprägt, in den unterschiedlichsten Themen und Aufgabenstellungen. Als Spieler im Leistungszentrum Klagenfurt, dann in der Landesliga, mit 20 habe ich die A-Trainer-Lizenz erworben, mit 21 war ich Spielertrainer in der Landesliga, 15 Jahre war ich als Trainer tätig, in Friesach und Treibach. Dann wurde ich Funktionär bei meinem Heimatverein Althofen. Die nächste Stufe war Präsident des Kärntner Landesverbandes, das bin ich seit siebeneinhalb Jahren. Ich will dazu beitragen, dass das, was ich erfahren durfte, auch unzählige andere junge Menschen erfahren dürfen. Fußball ist eine sinnvolle Lebensschule und Freizeitgestaltung. Einige schaffen es sogar ins Profigeschäft. Für mich persönlich ist ÖFB-Präsident die letzte und höchste Stufe. Ohne mich aufdrängen zu wollen, man traut es mir zu. Auch von der sozialen Kompetenz her.

STANDARD: Also sind Sie kein Masochist. Sind Sie eitel?

Mitterdorfer: Eitelkeit ist das falsche Wort. Ich wurde bodenständig und bescheiden erzogen, lebe und gebe das weiter. Ich war früher Klassensprecher, Schulsprecher, Soldatensprecher, hatte immer Funktionen, in denen ich Menschen vertreten habe. Ich war Betriebsrat bei der Krankenkasse. Ich habe einen Gestaltungswillen, mein Vater war 24 Jahre lang Bürgermeister in Althofen, vielleicht ist das genetisch bedingt. Gestaltungsbereitschaft ist mein Wesenszug, nicht Eitelkeit.

STANDARD: Die Entscheidung pro Mitterdorfer ist überraschend schnell gefallen. Mit welchen Argumenten haben Sie die Kollegen, den Wahlausschuss überzeugt?

Mitterdorfer: Das ist mehrstufig zu sehen. In den letzten Wochen habe ich versucht, offen, ehrlich und transparent mit allen zu reden. Ich habe gesagt, ich könne es mir vorstellen, Präsident zu werden, es wäre eine schöne Herausforderung. Aber nur dann, wenn es eine Mehrheit gibt. Und so ist das Ergebnis rausgekommen.

STANDARD: Kritiker meinen, man schmort nun weiter im eigenen Saft. Es gab ja durchaus Stimmen für eine externe Lösung, sogar von Teilen des ÖFB hieß es, ein Quereinsteiger solle den Laden schupfen. Warum ist für Sie die interne Lösung besser?

Mitterdorfer: Natürlich geben wir als Gremium seit langem das Bild der Nichtgeschlossenheit ab. Da geht es aber nicht um intern oder extern, sondern darum: Welche Frau, welcher Mann kann von der Fachkompetenz und dem menschlichen Feingefühl her die beste Lösung für den österreichischen Fußball an der Spitze und in der Breite sein? Das ist die Kernfrage, nicht ob extern oder intern.

STANDARD: Haben Sie Angst vor Querschüssen? Die Landespräsidenten waren ja historisch gesehen meist nur in der Uneinigkeit einig.

Mitterdorfer: Angst habe ich keine. Wichtig ist, den Weg, den Interimspräsident Gartner begonnen hat, fortzusetzen. Man muss sich ja nicht umarmen, aber man muss an einem Strang ziehen. Mit Kommunikation und viel Einbindung. Dann stellt sich die Strukturthematik nicht. Man muss einander leben lassen, darf sich nicht zu wichtig nehmen und in den Vordergrund drängen. Wir haben eine Sportkompetenz, die muss die sportlichen Probleme lösen. Die Verwaltung, die Organisation, muss sich mit wirtschaftlichen Themen auseinandersetzen. Es muss in allen Bereichen eine Teamorientiertheit geben.

STANDARD: Mit Verlaub, die beiden Geschäftsführer, Bernhard Neuhold und Thomas Hollerer, können überhaupt nicht miteinander, sind kein Herz und keine Seele.

Mitterdorfer: Auch hier gilt: Wenn es Themen gibt, gehören diese sicher in aller Klarheit besprochen.

STANDARD: In Österreich ist praktisch alles auch ein Politikum. Leo Windtner wurde den Türkisen oder Schwarzen zugeordnet, Gerhard Milletich den Roten. Wie sind Sie gefärbt?

Mitterdorfer: Gar nicht, ich gehöre keiner politischen Gruppierung an, hab mich nie für Parteien engagiert.

STANDARD: Ihnen wird ein gutes Verhältnis zu Landeshauptmann Peter Kaiser nachgesagt.

Mitterdorfer: Ja, das passt auf der sachlichen und auch der menschlichen Ebene.

STANDARD: Spätestens seit der Inseratenaffäre um den Rücktritt von Milletich gibt der ÖFB ein verheerendes Bild ab. Was kann man tun, um in der Öffentlichkeit besser dazustehen?

Mitterdorfer: Ein ehrliches Bild vermitteln, die Sachthemen in den Vordergrund stellen. Von den Streitereien muss man sich lösen, das braucht sicher einige Zeit. Das Hickhack muss vorbei sein. Compliance-Probleme kann es bei mir übrigens von Berufs wegen keine geben.

STANDARD: Wie schaut Ihre To-do-Liste aus?

Mitterdorfer: Ich bitte um Verständnis, einen konkreten Zeitplan will ich erst nach der Wahl bekanntgeben. Das Erste ist, wir müssen wieder besser und geschlossener dastehen. Es gibt Infrastrukturnotwendigkeiten, das Trainingszentrum Aspern gehört finalisiert, der Spatenstich soll im Oktober erfolgen. Die Geschäftsstelle platzt aus den Nähen. Sportlich brauchen wir bestmögliche Qualifikationen für Endrunden, das wirkt sich auf die Breite aus. Ich komme aus dem Amateurbereich, der ist wichtig, sonst können wir uns in zehn Jahren nicht mehr über die Spitze unterhalten. Die Basis muss passen, erhalten und ausgebaut werden, das Leben der ehrenamtlichen Funktionäre gehört leichter gemacht.

STANDARD: Aber ist es nicht eher die Aufgabe von Profiklubs wie Red Bull Salzburg, Sturm, Rapid oder Austria, die Spitze zu versorgen?

Mitterdorfer: Ja, aber ich brauche ein Fundament, damit die Spitze funktioniert. Für die Kinder ist der ÖFB mit seinen Landesverbänden verantwortlich, später greifen dann die großen Klubs zu. Wir müssen jedem kleinen Verein das Gefühl geben, wichtig zu sein.

STANDARD: Das Aushängeschild des Verbands ist das Männernationalteam. Mit Teamchef Ralf Rangnick ist gerade eine neue Euphorie entstanden. Hält die an, so segelt der ÖFB in ruhigeren Gewässern, oder?

Mitterdorfer: Ja, das ist das Ziel, Rangnick reißt mit, hat Ideen und Visionen, geht nicht immer nur den bequemen Weg, das ist im Leben auch gut, das weckt alle auf. Es ist klar, Erfolge helfen, aber es gibt auch andere wichtige Themen.

STANDARD: Thema Frauenfußball. Die Zahl der kickenden Mädchen ist hierzulande ausbaufähig.

Mitterdorfer: Ja, der ÖFB legt einen besonderen Fokus auf den Frauenfußball. Es ist mir auch ein persönliches Anliegen, Frauen und Mädchen für den Fußball zu begeistern. Wir haben im Kärntner Verband auch zwei Frauen im Vorstand. Das oberste Ziel muss aber sein, Mädchen in die Vereine zu bekommen.

STANDARD: Gibt es irgendwann ein vernünftiges Nationalstadion?

Mitterdorfer: Im internationalen Vergleich stehen wir schlecht da. Wir hätten eines verdient, man muss sich intensiv bemühen. Es sollte in Wien stehen und irgendwann Realität werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

STANDARD: Wie lange wollen Sie Präsident sein?

Mitterdorfer: Das haben andere zu befinden. Empfindet man die Arbeit des Verbandes und meiner Person als gut, wird man mir das Vertrauen länger schenken. Ist es nicht so, dann nicht. Ich möchte mich nicht verbiegen.

STANDARD: Wie werden Sie das Amt ausführen?

Mitterdorfer: Mit Besonnenheit. (Christian Hackl, 10.5.2023)