Bryan Johnson will seinen Körper verjüngen. Dafür schluckt er täglich dutzende Pillen und investiert Millionen.

Foto: Magdalena Wosinska

"Mein linkes Ohr ist 64 Jahre alt, mein Fitnesstest sagt, ich bin 18, mein Herz ist 37, meine Zwerchfellstärke ist die eines 18-Jährigen", sagt Bryan Johnson in einem Video. Den Beleg verdankt der US-Amerikaner, der eigentlich 45 Jahre alt ist, unzähligen Tests, MRTs, Blutabnahmen, Ultraschalluntersuchungen, Darmspiegelungen und anderen speziellen Organtests.

Die sind seit zwei Jahren fixer Bestandteil seines Alltags. Johnson tut alles, um seine Alterung nicht nur aufzuhalten, sondern sein biologisches Alter auf das eines 18-Jährigen zu verjüngen. Diesem Ziel ordnet er alles unter.

Der frühere Tech-Unternehmer hat mit dem Verkauf seines Bezahldienstleisters Braintree Venmo an Ebay vor zehn Jahren Millionen gemacht. Einige davon investiert er nun in seinen Selbstversuch, den er Projekt Blueprint nennt.

Neben mehreren Millionen Dollar investiert er jede Sekunde jedes einzelnen Tages; jeder Bissen, jeder Schluck, jeder Schritt wird ausgewertet und auf ihn abgestimmt, um die perfekte Tagesroutine zu finden. "Ich bin bereit, alles zu tun, was die Wissenschaft bietet", sagt er.

Johnson veröffentlicht laut eigenen Angaben alle Daten. Interessierte können seine Reise durch die Zeit unter anderem auf Youtube verfolgen.

Bryan Johnson

Lauf gegen die Zeit

Eines seiner Videos zeigt seine Morgenroutine: Der Wecker klingelt um fünf Uhr, danach geht er ins Bad und steigt auf die Waage. Sie spuckt ihm unzählige Daten aus – Körpergewicht, Knochengewicht, Körperfettanteil. Darauf folgen der erste Schluck Wasser und die erste Handvoll Tabletten. Im Laufe des Tages werden es über zwei Dutzend Vitamine und andere Präparate sein. Sein Team hat die Dosen anhand seiner Daten auf ihn abgestimmt.

Danach legt er sich für eine Meditation ins Bett, während sein Gesicht eine Lichttherapie bekommt. Das sei gut für die Hautstruktur. Johnson legt seinen Kopf in eine Röhre. Daraus strahlt gleißendes Licht. Wie lange das dauert und was er den restlichen Tag zu tun hat, sagt ihm das Tracking-Device am Handgelenk.

Jede einzelne Kalorie ist abgezählt. Jeder Happen und jeder Schluck Wasser effizient berechnet und protokolliert.
Foto: Magdalena Wosinska

Nahezu perfekte Gesundheit

Ein "nahezu perfekter Gesundheitszustand", wie Johnson ihn laut eigenen Angaben kreiert hat, braucht viel Zeit und vor allem Disziplin. "Wenn ich mir eine einzige Ausnahme erlaube, bricht alles zusammen", sagt er.

Währenddessen steht er in der Küche und mixt sich seinen Frühstücks-"Cocktail". Er besteht aus Vitaminen, Pulvermischungen, aber auch Kakao und Zimt. Insgesamt isst Johnson täglich 1.977 Kalorien. Aus jeder einzelnen Kalorie soll das Maximum an Effizienz herausgeholt werden. Sein Team hat daher eigene Rezepte kreiert.

Er könne sich kein besseres Pre-Workout vorstellen, sagt er, rührt um und trinkt. Danach noch ein Löffel Olivenöl und 60 Sekunden Kaugummikauen, um die Speichelbildung anzuregen – und los geht das Workout.

Jeden Tag derselbe Ablauf. Er lasse seine Morgenroutine nie aus, denke nicht einmal darüber nach. Essen, schlafen, trainieren, sich medizinisch untersuchen lassen – und wieder von vorn. So verrückt das alles klingen mag, Johnson schwört darauf. Er ist überzeugt, das biologische Alter eines 18-Jährigen erreichen zu können.

Bryan Johnson trainiert täglich.
Foto: Magdalena Wosinska

Biochemikerin widerspricht

Daran hegt Corina Madreiter-Sokolowski starke Zweifel. Zumal das maximale Alter derzeit zwischen 120 und 125 Jahren liege. "Allein ein einziges Organ hat viele verschiedene Zellen. Sie alle auf das Alter eines 18-Jährigen zu resetten ist unmöglich", sagt die Biochemikerin und Altersforscherin. Außerdem müsste man zunächst Parameter für die Bestimmung des Alters von Organen definieren – diese gebe es noch gar nicht.

Sie hält Johnsons Idee für "utopisch". Ihrer Meinung nach könne man das biologische Alter derzeit um maximal zehn Jahre mit Sport, Ernährung und präventiven Untersuchungen zurückdrehen.

Madreiter-Sokolowski versucht in ihrer Forschung an der Medizinischen Universität Graz durch die Modulation der Mitochondrien dem alterungsbedingten Verlust der Zellfunktion entgegenzuwirken und dadurch die Fitness bis ins hohe Alter zu erhalten. Dafür untersucht sie Fadenwürmer, konkret den Caenorhabditis elegans.

Vom Wurm zum Menschen

Er ist zwei Millimeter lang und lebt ungefähr 30 Tage. Besonders ist der Wurm, weil er eine ähnliche Eiweißstruktur und molekulare Signalwege wie wir Menschen aufweist. Beispielsweise konnte der programmierte Zelltod, der zur Eliminierung schädlicher Zellen führt und deshalb entscheidend für die Langlebigkeit ist, im Fadenwurm entschlüsselt werden.

Interessant ist der Fadenwurm auch, weil seine Lebensspanne um sage und schreibe 500 Prozent verlängert werden konnte. Laut der Biochemikerin könne dies aber nicht direkt auf den Menschen umgelegt werden.

Immerhin lebe der Fadenwurm nur 30 Tage, der Mensch hingegen durchschnittlich 80 Jahre. Das bedeute auch, dass wir Umwelteinflüssen wie etwa UV-Strahlen viel längere Zeit ausgesetzt sind. Manche Erkrankungen wie Hautkrebs entwickeln sich zudem oft erst nach Jahrzehnten, und generell ist der menschliche Körper viel komplexer als der des Fadenwurms.

Weniger Kalorien, länger leben

Ihre Forschung fokussiere sich auch nicht darauf, dem ohnehin gesunden Multimillionär zu helfen, für immer zu leben. Sie will vielmehr bei denen ansetzen, die früher sterben, weil sie Umweltauswirkungen ausgesetzt sind. Etwa Bauern und Bäuerinnen, die in der täglichen Arbeit hoher Staub- und Allergenbelastungen ausgesetzt sind und dadurch häufiger an einer sogenannten Farmerlunge erkranken können.

Allein, dass Johnson mehrere Dutzend Tabletten täglich nimmt, ist für Madreiter-Sokolowski "verrückt". Das würde aufgrund der potentiellen Neben- und Wechselwirkungen kein Pharmakologe und keine Pharmakologin freigeben, ist sie überzeugt.

Valide Daten zur Anti-Aging-Medikation seien erst in Jahrzehnten zu erwarten. Sie selbst würde derzeit kein einziges Präparat nehmen, die Langzeitfolgen seien schlicht noch nicht abzuschätzen.

Insel der 100-Jährigen

In einem Punkt scheinen sich die beiden aber einig zu sein: Eine kalorienreduzierte Ernährung, sprich Fasten mit nährstoffreicher Diät ohne Mängel, verlängert das Leben. Ein drastisches Beispiel sei laut der Biochemikerin die japanische Insel Okinawa.

Vor dem Jahr 1950 hätte in Japan eine Hungersnot geherrscht. Die Menschen hätten 20 bis 30 Prozent weniger Kalorien pro Tag gegessen. Heute lebt dort laut Madreiter-Sokolowski die höchste Dichte an über 100-Jährigen. (Julia Beirer, 13.5.2023)