Bei allen Haushalten sollen die Strompreise künftig zumindest halbjährlich angepasst werden.

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Die Regierung hat am Mittwoch ein weiteres Paket gegen die Teuerung vorgelegt, das im Kern vier Punkte umfasst. Energiekonzerne sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden, sofern sie die inzwischen stark gesunkenen Großhandelspreise nicht zeitnah an Haushalte und Wirtschaft weitergeben. Dazu kommt, dass die Preise öfter angepasst werden sollen, zumindest halbjährlich beziehungsweise monatlich für Haushalte mit intelligenten Strommessern.

Antiteuerungspaket: Regierung will Gewinne von Energiekonzernen stärker abschöpfen.
DER STANDARD

Zudem soll mehr Transparenz im Lebensmittelhandel geschaffen werden. Mehr Informationen über die Einkaufspreise der Handelsketten sollen ebenso die Vergleichbarkeit erhöhen wie erweiterte Kompetenzen der Wettbewerbsbehörde. Abschließend soll auch ein Gebührenstopp der öffentlichen Hand für verringerten Inflationsdruck sorgen. Der Bund will mit gutem Beispiel vorangehen und die Gemeinden zu demselben Schritt anhalten. Deren finanzielle Ausfälle sollen durch die verschärfte Gewinnabschöpfung bei Energieversorgern gegenfinanziert werden.

Gewinnabschöpfung bei Versorgern

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) erhöhte den Druck auf die Energiebranche und stellte ihr eine Rute ins Fenster. "Wenn Energieversorger nicht unmittelbar beginnen, die Preise zu senken, dann werden wir sie als Republik auch dementsprechend zur Kasse bitten", erklärte Nehammer nach dem Ministerrat. Soll heißen: Gewinne von Energiekonzernen sollen früher und in höherem Ausmaß abgeschöpft werden, wenn diese die Preissenkungen nicht bis spätestens Jahresmitte weitergeben. Des Kanzlers Ziel: Der teuerste Anbieter soll die Preise um ein Drittel reduzieren.

Auf die Frage von "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf, warum man nicht gezieltere sozial gestaffelte Maßnahmen setze, verteidigte Nehammer am Mittwochabend das Vorgehen der Regierung. Als christlich-sozialer Politiker sei es auch für ihn nicht akzeptabel, wenn Menschen in eine existenzgefährdende Situation geraten. Man habe allerdings in der Regierung bisher schon zahlreiche Maßnahmen gegen Armut gesetzt, und vor allem "Arbeit und Leistung" würden Armut verhindern. Wer derzeit in Österreich nach einem Job suche, hätte den aktuellen Zahlen am Arbeitsmarkt zufolge auch eine gute Chance, Arbeit zu finden.

"Dominoeffekt" angestrebt

Eine Senkung der Mehrwertsteuer sieht Nehammer nicht als zielführend, da dadurch auch die Lebensmittelpreise steigen könnten, wie er in der "ZiB 2" am Mittwoch ausführt. Mit dem Druck auf die Energieversorger soll ein Dominoeffekt ausgelöst und die Problematik im Ursprung bekämpft werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen würden sich ab dem Inkrafttreten des Gesetzes im Juni zeigen.

Argumentiert wird die Gewinnabschöpfung, die mit Anfang Juni umgesetzt sein soll, vom Regierungschef damit, dass die Großhandelspreise im letzten Jahr von mehr als 500 Euro pro Megawattstunde (MWh) auf unter 150 Euro pro MWh gesunken seien, während die Preise für private Haushalte um mehr als das Doppelte angestiegen seien. Diese Vorgangsweise erhitze nicht nur die Inflation, sondern auch die Gemüter – und so auch seines, betonte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

Ausgleich für Gemeinden

Ein Teil der Gewinnabschöpfung im Energiebereich soll für Länder und Gemeinden bereitgestellt werden. Damit sollen diese zu einem Gebührenerhöhungsverzicht bewogen werden, ohne dass eine große budgetäre Belastung entsteht. Die Bundesgebühren werden weiter eingefroren. Sollten die Versorger die Preise freiwillig senken, sodass es zu keiner erhöhten Gewinnabschöpfung kommt, stellt Nehammer "andere Möglichkeiten" zur Entschädigung der Gemeinden in Aussicht.

Die Elektrizitäts- und Erdgasabgabe soll um ein weiteres halbes Jahr ausgesetzt werden. Das soll eine Entlastung im Gesamtwert von 400 Millionen Euro bringen, sagte Kogler. Dies werde zu einer Verringerung der Inflationsrate um etwa einen Prozentpunkt führen. Zu geringeren Auswirkungen, nämlich jeweils nur wenigen Zehntelprozentpunkten, sollen die anderen Maßnahmen führen.

Für mehr Transparenz sorgen soll eine monatliche Rechnung mit Smart Meter als Standard. Gestärkt werden sollen die gesetzlichen Einmeldeverpflichtungen der Energieversorger an die E-Control, um eine Verbesserung des Tarifkalkulators zu erzielen.

Mehr Transparenz bei Lebensmitteln

Hart ins Visier der Regierung geraten war im Vorfeld der Lebensmittelhandel. Von Preistreiberei auf dem Rücken der Konsumenten war die Rede und harten Eingriffen in den Markt, um diesem Treiben ein Ende zu setzen. Große Supermarktketten fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, entsprechend aufgeheizt war die Stimmung im Vorfeld hinter den Kulissen.

Herausgekommen sind unspektakuläre Maßnahmen. So wird die Regierung künftig regelmäßig in einem Lebensmitteltransparenzbericht die Einkaufspreise des Lebensmittelhandels anhand definierter Lebensmittel veröffentlichen.

Für Handelskonzerne ist das business as usual. Im Rahmen der Agrartransparenzverordnung gaben sie schon bisher Einblick in entsprechende Preise. Neu ist, dass diese künftig auch für Konsumenten nachvollziehbar sein müssen. Der Handel drängt nun darauf, diese Transparenz auf die gesamte Wertschöpfungskette auszudehnen, also auch Landwirte und große Verarbeiter wie Molkereien in die Pflicht zu nehmen. Alles andere sei nur ein Teil des Puzzles.

Offen ist, welchen Nutzen Konsumenten aus den zusätzlichen Informationen ziehen. Die Branche hofft auf zusätzliche Finanzbildung. Die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis sei schließlich nicht Gewinn.

Mehr Einblicke in Spenden

Ferner muss der Lebensmittelhandel kundtun, welche Mengen an Lebensmitteln als Sachspenden er an gemeinnützige Organisationen zur Verfügung stellt. Diese hatten zuletzt, wie im STANDARD berichtet, auf deutliche Rückgänge bei Spenden aus dem Handel aufmerksam gemacht. Initiativen wie Too Good To Go schmälerten die Menge an Lebensmitteln, mit denen karitative Vereine armutsgefährdete Menschen unterstützen.

Supermärkte betonen, den Anteil der Spenden über ganz Österreich gerechnet nicht reduziert zu haben. Dass es in Wien knapper wurde, liege daran, dass sich hier besonders viele Studenten Apps bedienten, die Essen vor dem Verderb retten.

Weniger Verschwendung

Ebenfalls offengelegt werden muss künftig, wie viele Lebensmittel vernichtet wurden. Auch diese Statistiken hat der Handel bereits parat. Er sieht sich nur für neun bis zwölf Prozent des genießbaren Essens, das im Müll landet, verantwortlich. Für ein Drittel sorgten Verarbeiter und Gastronomen, für den großen Rest Konsumenten. In den Filialen selbst ließen sich lediglich ein bis fünf Prozent der Ware nicht verkaufen.

Die Regierungsparteien selbst einigten sich darauf, zusätzliche Budgetmittel in Höhe von zehn Millionen Euro zur Unterstützung von gemeinnützigen Lebensmittelweitergaben zur Verfügung zu stellen. Alexandra Gruber, Chefin der Wiener Tafel, spricht von einem "guten Tag für die Armutsbekämpfung".

Verschärfen will die Regierung das Wettbewerbsrecht. Ziel ist eine Stärkung der Befugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde. Diese hat wegen der Preisentwicklungen in der Lebensmittelbranche vergangenen Herbst eine großangelegte Untersuchung gestartet. Ende Oktober sollen die Ergebnisse veröffentlicht werden.

Man sei jederzeit kooperationsbereit, richtete Handelsverbandschef Rainer Will der Regierung aus. Derzeit würden die Daten der vergangenen 17 Quartale an die Wettbewerbsbehörde geliefert.

Van der Bellen beobachtet Umsetzung

Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigte an, ein Auge auf die Maßnahmen zu haben. "Die Bundesregierung hat heute weitere Maßnahmen präsentiert. Ich werde genau darauf schauen, dass diese rasch und wirkungsvoll umgesetzt werden", ließ das Staatsoberhaupt via Twitter wissen. Die Folgen der Inflation betreffen immer mehr Menschen, so Van der Bellen, der die Schuldnerberatung in Wien besuchte. Die anhaltende Teuerung stelle Österreich vor eine große Aufgabe. "Jede und jeder muss den Zusammenhalt und die Solidarität von uns allen spüren und das auch im Geldbörserl sehen", erklärte Van der Bellen.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) nennt das aktuelle Maßnahmenpaket einen wirksamen Hebel gegen die Teuerung. Aus Sicht der Caritas ist es "eine vertane Chance für Menschen in Not". Die Teuerung schlage seit Monaten bei jeder Rechnung, bei jedem Einkauf zu. Noch weitere Einzelmaßnahmen, wie die heute präsentierten, reichten nicht mehr aus, sagt Caritas-Generalsekretärin Anna Parr.

Christoph Badelt, Chef des Fiskalrats, hatte Mittwochfrüh deutliche Worte für die Inflationsbekämpfung der Regierung gefunden. Diese solle "bitte aufhören, das Geld hinauszuwerfen". Es seien immer wieder zu viele Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip erfolgt, eine davon – der "viel zu große Energiekostenzuschuss 2" – laufe sogar noch. Badelt warnt davor, weiter viel Geld für Maßnahmen auszugeben, die in der größeren Zahl Menschen bekommen, die es nicht brauchen, sagte er im Ö1-"Morgenjournal". (Alexander Hahn, Verena Kainrath, Günther Strobl, 10.5.2023)