Chinas Außenminister Qin Gang und seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock: Zwischen Peking und Berlin gibt es einige Unstimmigkeiten.

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Positiv ist, dass beide Staaten aktuell viel miteinander sprechen. Es war bereits das dritte Treffen des chinesischen Außenministers Qin Gang mit seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock, das am Dienstag in Berlin über die Bühne ging. Gut aber war die Stimmung nicht. Große Differenzen gibt es aktuell bei gleich mehreren Themen: Der Konflikt um die Insel Taiwan hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Die Menschenrechtslage vor allem in der von Uiguren bewohnten Region Xinjiang ist nach wie vor desaströs. Und der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist gerade erst wieder ausgeladen worden.

Lindner hätte eigentlich in Peking seinen Amtskollegen treffen sollen. Das Treffen aber wurde von chinesischer Seite kurzfristig abgesagt – offiziell aus Termingründen. Dahinter aber, mutmaßen viele, könnten Lindners kürzlich getätigten kritischen Äußerungen über China gesteckt haben.

Das größte Problem ist allerdings der Krieg in der Ukraine. Baerbock forderte ihren Amtskollegen dazu auf, mehr Druck auf Russland auszuüben, damit dieses seine Truppen vollständig von ukrainischem Boden zurückziehe. Zwar hat Peking einen Friedensplan vorgelegt und beteuert nach wie vor, keine Waffen an Russland zu liefern. Der Friedensplan aber wurde vom Westen umgehend verworfen und als "naiv" kritisiert. Beim Punkt Waffenlieferungen schwelt der Konflikt ebenso: Nachdem die EU und die USA Peking vorgeworfen hatten, "Dual Use"-Güter nach Russland zu liefern, also Waren, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können, kündigte Qin in diesem Fall Gegensanktionen an.

Unklare Rolle Pekings

Tatsächlich ist Pekings Position im Ukraine-Konflikt unklar. Noch Mitte April hatten sich der russische und der chinesische Verteidigungsminister zu Konsultationen getroffen. Peking aber beteuert, mit allen Parteien in Kontakt zu stehen. Erst vor kurzem hat Staatschef Xi Jinping auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj telefoniert.

In der chinesischen Parteizeitung "Global Times" erschien am Mittwoch ein Leitartikel, der die Wiederbelebung des deutsch-französischen Tandems beschwor. Dahinter dürfte auch die Tatsache stecken, dass China derzeit wesentlich besser mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auskommt als mit der deutschen Ampelkoalition. Macron hat in einem umstrittenen Interview nach seiner China-Reise die "strategische Autonomie Europas" betont.

Auch die wirtschaftlichen Beziehungen haben sich deutlich abgekühlt. Während deutsche Autobauer angesichts der Konkurrenz chinesischer Elektrofahrzeughersteller immer weniger Autos in China verkaufen, haben auch die chinesischen Direktinvestitionen in Europa stark abgenommen.

Interessen im Norden

Qin setzt seine Reise zuerst nach Frankreich und dann in Richtung Norden fort. Am Freitag wird der chinesische Außenminister in der norwegischen Hauptstadt Oslo eintreffen. Norwegen übernimmt dieses Jahr den Vorsitz des Arktischen Rates von Russland. Peking hat große Interessen in der Region. Es geht um Sicherheitsfragen, den Abbau von Bodenschätzen und eine eisfreie Schifffahrtsroute nach Europa und Kanada, die der Klimawandel ermöglicht. Peking hat für seine Interessen sogar den Begriff "Polare Seidenstraße" geprägt. (Philipp Mattheis, 10.5.2023)