Man muss es so sagen: Nirgends im ganzen Land bekommt man derzeit ein Männerensemble in solcher Pracht und Größe zu sehen wie am Landestheater Linz in Professor Bernhardi (uraufgeführt 1912). 19 Schauspieler verfolgen in Arthur Schnitzlers im Krankenhaus Elisabethinum angesiedeltem Thriller ihre politisch und antisemitisch motivierten Intrigen. Der Institutsleiter, nämlicher Prof. Bernhardi (Christian Higer), habe sich antichristlich verhalten, weil er einem Pfarrer den Zutritt zu einer todkranken Patientin verweigert hat. Der Vorwurf setzt im Nu Machtrochaden in Gang.
Die hier abgebildete historische Männerwelt von Doktoren, Professoren, Direktoren und Ministern – die einzige Schauspielerin (die Krankenschwester, kein Witz) bleibt ganz am Rand – hat mit Robert Ickes Die Ärztin längst schon eine diversere Neudichtung erfahren; sie läuft im Repertoire des Burgtheaters. Man meint also mit Stephanie Mohrs Linzer Inszenierung nun einen Riesenschritt zurück zu machen. Schließlich bekommt man an diesem Abend ausschließlich deklamierende Anzugträger zu Gesicht. Doch das wäre zu kurz gegriffen.
Bürosessel-Tanz
Mohr und Bühnenbildner Florian Parbs setzen alte und neue Welt ins eins. Altmodische Taschenuhrketten blinken über den Hosen, zugleich rollen die Herren in hierarchisch markierten Bürosesseln von Hintergrundgespräch zu Sitzung und umgekehrt.
Der Regisseurin gelingt hier ein subtiles Panorama einer mit allen Mustern von Verschlagenheit, Ressentiment und Überheblichkeit ausgestatteten, aber letztlich destruktiven, im Nichts endenden (männlichen) "Streitkultur". Und das ist wiederum eine ziemlich punktgenaue Analyse unserer (welt)politischen Gegenwart. (Margarete Affenzeller, 11.5.2023)