Lance Armstrong (im Bild vor Marco Pantani) ist lebenslang gesperrt. Der Name des Texaners, dem sieben Tour-de-France-Siege aberkannt wurden, ist beinahe ein Synonym für Doping.

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Katrin Krabbe war nur zwei Jahre gesperrt und dennoch punziert.

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Die Causa ist heikel und beispielhaft. Im Vorjahr verhängte die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) rückwirkend eine bis 30. Mai 2025 laufende vierjährige Sperre gegen eine ehemalige Mittelstreckenläuferin, die insgesamt 26 nationale Titel gesammelt hatte. Die Entscheidung der Unabhängigen Schiedskommission wurde in Einklang mit Bestimmungen des österreichischen Anti-Doping-Bundesgesetzes (ADBG) veröffentlicht und ist auf der Website der Nada bis zum Ablauf der Sperre leicht einsehbar.

Auch die sanktionierten Verstöße werden aufgeführt, allerdings ohne ins Detail zu gehen. "(Versuchter) Gebrauch einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode" sowie "Besitz einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode" sind aufgeführt. Genaueres fand sich auf der Sanktionsliste der Athletics Integrity Unit des Leichtathletik-Weltverbands, die spezielle Information ist inzwischen aber nicht mehr abrufbar.

Das ist wohl auch ganz im Sinn Johannes Öhlböcks, des Anwalts der gesperrten Wienerin, die als Trainerin für Hobbysportlerinnen und -sportler in einem von ihr gegründeten Institut arbeitete, gegenwärtig aber eher nur geschäftsführend wirken soll.

Taten und Daten

Öhlböcks Mandantin ging gegen die Veröffentlichung ihrer Sperre durch die Nada vor. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist aktuell in einem Vorabentscheidungsverfahren mit diesem Fall und den Causen fünf weiterer Gesperrter beschäftigt, die Öhlböck vertritt. Grundlage der Klage, die sich im Wesentlichen gegen das einschlägige Bundesgesetz richtet, ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die "Gesundheitsdaten" und "Daten über Straftaten" besonders berücksichtigt. "Welche Persönlichkeitsrechte, welche Grundrechte haben Dopingtäter? Haben sie welche, oder sind sie für diese abgeschafft?", fragte sich Öhlböck im Gespräch mit der Austria Presse Agentur.

Damit einher gehe die Frage, ob Sportlerinnen und Sportler, die sportrechtlich lebenslange Sperren ausgefasst haben, auch lebenslang an den Pranger gestellt werden dürften – ohne Rücksicht auf Bekanntheitsgrad oder Lebenslage. Öhlböck meint also nicht Doper vom Kaliber eines Lance Armstrong oder Ben Johnson. Er nennt als Beispiel den 89-jährigen Ex-Triathleten oder den 78-jährigen Ex-Rennradfahrer, die für immer das auch öffentlich abrufbare Stigma des Dopings zu tragen hätten.

Der EuGH in Luxemburg, dem der Fall am 2. Mai vorgetragen wurde, wird voraussichtlich im nächsten Jahr darüber entscheiden, ob die individuellen Rechte Gedopter schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an ihren Verfehlungen. Schließlich ist es Zweck der Veröffentlichung, die Sanktionierten vom Sportbetrieb fernzuhalten, also etwa auch von Betreuungstätigkeiten. Eine Alternative sei laut Öhlböck, die Information über Sperren nur Veranstaltern oder Vereinsfunktionären zugänglich zu machen. Österreichs Nada hält diese Lösung für nicht praktikabel.

Deutsches Beispiel

Die in Bonn ansässige deutsche Nada sah sich jedenfalls auf Anweisung des Landesdatenschutzbeauftragten von Nordrhein-Westfalen schon 2021 gezwungen, ihre Datenbank über Sperren offline zu nehmen, obwohl Betroffene nur mit Initialen aufschienen. Pflichtgemäß ergriff die deutsche Nada – in erster Instanz erfolgreich – Rechtsmittel. Schließlich schreibt die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) vor, dass spätestens zwanzig Tage nach einer endgültigen Entscheidung darüber, dass ein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorliegt, die zuständige Organisation über diese Angelegenheit berichten muss. Unter anderem die Sportart, der Name, der verbotene Stoff oder die verbotene Methode sowie die auferlegten Konsequenzen müssen genannt werden – sofern kein entsprechendes Datenschutzgesetz dagegensteht. Die Sache ist noch nicht ausjudiziert, auch da wird wohl das EuGH-Urteil abzuwarten sein.

Sollte es im Sinn seiner Mandantin ausfallen, wäre das für Öhlböck der Tragweite nach mit dem Bosman-Urteil vergleichbar. Das legte 1995 im Wesentlichen fest, dass Profifußballer innerhalb der EU nach Vertragsende ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln dürfen. Die Aktiven stärkte dieses Urteil jedenfalls ungemein. (Sigi Lützow, 11.5.2023)