Mittwochmorgen am Verteilerkreis in Wien: Junge Menschen in Warnwesten blockieren die Straße. Kräftige Autolenker zerren sie gewaltsam von der Fahrbahn. Ein Video dokumentiert, wie die aufgebrachten Verkehrsteilnehmer gegen die Aktivistinnen der Letzten Generation vorgehen. Die Polizei bestätigt, dass es Anzeigen wegen versuchter Körperverletzung und schwerer Nötigung gab.
Dass es zu Übergriffen auf die Protestierenden kommt, geht auch aufs Konto von Politik und Medien. Gewalt gegen sie wird bagatellisiert: "Den Klima-Klebern eine 'kleben': Darf ich das?", titelte die Kronen Zeitung kürzlich. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp postete ein Bild, das suggerierte, er wolle Klimaaktivisten auf den Kopf urinieren.
Im Umgang mit den Protestierenden zeigt sich eine Doppelmoral: Schlagzeilen wie "Darf ich Maskenverweigerer aus der U-Bahn werfen?" las man während der Corona-Pandemie nicht. Und gerade die FPÖ machte sich in dieser Zeit für diejenigen stark, die "zivilen Ungehorsam" praktizierten. Dass nun ausgerechnet bei jungen Menschen, die mit wissenschaftlich fundierten Forderungen zum Klimaschutz protestieren, Gewalt als probates Mittel diskutiert wird, ist ein Warnsignal.
Es ist kaum zu glauben, dass dieser Appell überhaupt nötig ist, aber: Bleiben Sie cool, auch wenn Sie zu spät in die Arbeit kommen. Selbstjustiz muss ein Tabu bleiben. (Antonia Rauth, 10.5.2023)