Die Ibiza-Affäre und der "Falter" spielen eine wichtige Rolle in einem Prozess am Landesgericht für Strafsachen Wien.

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Wien – Medienrechtsprozesse sind unter normalen Umständen eher formalistisch. Umso mehr fällt die Schärfe auf, mit der sich die Anwälte und Beteiligten in einem Verfahren vor Richter Stefan Apostol angehen. Auf der einen Seite sitzen der 60-jährige Herr V. und sein Rechtsvertreter Niki Haas. Ihnen gegenüber haben Alfred Noll und "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk Platz genommen – V. wirft dem Medium vor, im Zusammenhang mit dem Ibiza-Untersuchungsausschuss illegalerweise seinen vollen Namen genannt zu haben.

Noll und Klenk wären sogar zu einem Vergleich bereit: Sie würden V.s Namen im Internet und im E-Paper löschen, 500 Euro an einen Verein zur Hilfe für Glückspielsüchtige spenden und die Kosten der Gegenseite übernehmen. Haas kontert, dass er und sein Mandant, ein Selbstständiger, mindestens einen vierstelligen Entschädigungsbetrag wollen. "Geht es Herrn V. um die Namensnennung oder ein Einkommen?", ätzt Noll. "Es geht hier nicht um Einkommen, sondern um Schadenersatz!", giftet Haas zurück. "Ich find das fast niveaulos", kommentiert das V., der Antragsteller.

"Ich wohn im Bobo-Viertel"

Der kommende Woche in anderer Rolle im "Grauen Haus" sein wird – sein Prozess um eine mögliche Anstiftung zur falschen Beweisaussage wird fortgesetzt, die sich im Ibiza-U-Ausschuss ereignet haben soll. V. sagt, der Bericht habe Auswirkungen gehabt: "Ich wohn mitten im Bobo-Viertel, wo sehr viele den 'Falter' lesen. Und ich wurde von zwei Kunden und sogar meinem Bruder auf den Passus 'der gestriegelte Herr V.' angesprochen. Mich hat das Ganze ehrlich gesagt sehr geärgert."

Wer denn die beiden Kunden gewesen seien und ob die Namensveröffentlichung das Ende der Geschäftsbeziehungen bedeutet habe, will Noll im Gegenzug wissen. Noch während er die Frage formuliert, lässt V. ihn wissen: "Ich red nix mehr mit Ihnen!", und stellt anschließend klar: "Ich sag sicher nicht, wer meine Kunden sind!"

Dann nimmt Chefredakteur Klenk, Doktor der Rechtswissenschaften, auf dem Zeugenstuhl Platz und versucht zu argumentieren, warum die Namensnennung zulässig gewesen sei: Es sei um die Causa prima, den Ibiza-Skandal, gegangen, daher habe ein öffentliches Interesse bestanden. V. sei im U-Ausschuss vorgekommen. "Genau ein Mal", wirft Apostol ein, der sich das entsprechende Protokoll besorgt hat. Klenk zeigt sich dennoch überzeugt, dass die Namensnennung von der Pressefreiheit gedeckt ist.

"Öffentlicher Pranger" versus "Schutz von Medien"

V.s Anwalt Haas sieht das im Schlussplädoyer anders: Sein Mandant sei an einen "öffentlichen Pranger gestellt" worden. Noll betont in seinen Schlussworten dagegen, man sei nicht "in Putins Diktatur" und müsse die Möglichkeiten der Medien für freie Berichterstattung schützen. Was gerade in den medienrechtlichen Urteilen im Landesgericht Wien häufig nicht passiere, wie er kritisiert.

Apostol sieht die Schutzbedürftigkeit nicht rechtskräftig auf V.s Seite. An dessen vollem Namen habe kein öffentliches Interesse bestanden, da strafrechtlich nur ein mögliches Vergehen im Raum stehe, begründet der Richter, warum er den "Falter" zu insgesamt 3.000 Euro Entschädigung verurteilt. (Michael Möseneder, 11.5.2023)