In jungen Jahren hat man meist bestimmte Vorstellungen davon, wie das ideale Leben aussieht – und meistens auch einen bestimmten Anspruch, was man für erstrebenswert hält und wie man im Gegenzug dazu "niemals werden will". "Spießig" und "gutbürgerlich" sind auf dieser Liste selten weit oben zu finden.

Wie geht es Ihnen mit Ihrem heutigen Ich?
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Werte im Wandel der Zeit

Oftmals will man als junger Mensch weder heiraten noch Kinder bekommen, und ein sicherer Job und ein schön eingerichtetes Zuhause sind einem weitaus unwichtiger als ein abenteuerliches Leben voller aufregender Reisen und der einen oder anderen Grenzerfahrung. Man ist ständig auf Achse, zieht um die Häuser, frequentiert häufig Discos oder ohrenbetäubende Konzerte. Vielleicht probiert man Drogen oder tobt sich sexuell aus, versucht sich an Bungee-Jumping oder Extremsportarten, lässt sich, ohne groß darüber nachzudenken, das eine oder andere Peckerl stechen. Ein Leben am Limit, mit möglichst wenig Verantwortung, Verpflichtung oder irgendwelchem Commitment scheint einem das Nonplusultra zu sein. Man hat Ideale, für die man sich leidenschaftlich einsetzt, große Wünsche und Träume, ist rundherum hungrig aufs Leben und zu jedem Unfug allzeit bereit.

Dann ziehen ein paar Jahre oder Jahrzehnte ins Land. Ohne es groß zu bemerken, wird man ruhiger, lernt vielleicht eine Person kennen, die einem mehr bedeutet, als man sich jemals hätte vorstellen können. Beruflich hantelt man sich nicht mehr von Studentenjob zu prekärem Dienstverhältnis, sondern arbeitet möglicherweise in einer Position, für die sogar ein Kollektivvertrag zur Anwendung kommt, und verdient gar nicht so schlecht. Auch häuslich hat man sich niedergelassen, lebt schon seit längerem recht zufrieden in einer Wohnung oder einem Haus, deren Einrichtung nicht ausschließlich vom Möbeldiscounter stammt. Und wenn man Urlaub macht, sind Camping oder Backpacking nicht mehr das Maß aller Dinge – stattdessen legt man inzwischen auf ein wenig mehr Komfort wert. Irgendwann schaut man sich vielleicht morgens in den Spiegel, während die Kinder mit Katze oder Hund um einen herumtoben und fragt sich: "Wann bin ich eigentlich so verspießert?"

Man betrachtet sein Leben und überlegt, was das eigene jüngere Ich wohl von einem halten würde, wenn es einen jetzt so sehen könnte. Ob es das ältere Alter Ego cool fände oder ob es sich so wenig in einem wiedererkennen würde, dass es sich nur noch fremdschämen müsste. Und ob man eigentlich selbst damit zufrieden ist, wie sich das eigene Leben entwickelt hat – oder ob man lieber jemand anderer an einem anderen Ort mit anderen Menschen um sich herum geworden wäre.

L'Age d'Or

Wie ist das bei Ihnen?

Haben Sie sich annähernd so entwickelt, wie Sie sich das als jüngerer Mensch vorgestellt haben? Was hat sich ergeben, das sich Ihr jüngeres Ich nie hätte träumen lassen? Wie geht es Ihnen damit? Und auf einer Skala von 1 (immer noch cool wie eh und je) bis 10 (vollkommen verspießert): Wo würden Sie sich aktuell einstufen? Posten Sie im Forum! (Daniela Herger, 15.5.2023)