Die namensgebende Prinzessin Zelda gibt im aktuellen Teil "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" wieder jede Menge Rätsel auf.

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Heute ist es so weit: Mit "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" lässt der japanische Spieleentwickler Nintendo den Nachfolger eines Bestsellers vom Stapel. Bislang knapp 30 Millionen verkaufte Exemplare machen den Vorgänger "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" zu einem der erfolgreichsten Titel der Spielkonsole Switch – und der überaus populären Adventure-Serie zugleich.

Der Druck und die Erwartungshaltung sind also groß. Oder etwa nicht? Und wie schafft man es erneut, so ein unvergleichliches Spielerlebnis auf die Beine zu stellen? DER STANDARD hat Producer Eiji Aonuma und Director Hidemaro Fujibayashi in Frankfurt vorab zu einem Exklusivinterview getroffen. Die langjährigen Masterminds hinter der "Legend of Zelda"-Serie erzählen, worauf sie in "Tears of the Kingdom" stolz sind, was sie für das Spiel inspiriert hat und was selbst sie im Spiel noch überraschen konnte.

Nach sechs Jahren Pause bricht Link zu neuen Abenteuern auf. In Hyrule hat sich viel verändert.
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STANDARD: Die Arbeit an "Tears of the Kingdom" ist abgeschlossen, das Spiel wird bald veröffentlicht. Wie fühlen Sie sich jetzt? Sind Sie erleichtert? Oder sind Sie gespannt, wie das Spiel aufgenommen wird?

Fujibayashi: Ich bin sehr aufgeregt! Wir haben wirklich hart an diesem Titel gearbeitet, und deshalb bin ich sehr gespannt auf die Reaktionen der Spieler und Spielerinnen.

Aonuma: Ich bin auch sehr gespannt. Damals, mit "The Legend of Zelda: Breath of the Wild", haben wir ein grundlegend neues Zelda-Erlebnis erschaffen – wir konnten uns vorher also nicht sicher sein, wie das Spiel aufgenommen werden würde. Die positiven Reaktionen konnten wir naturgemäß also erst nach der Veröffentlichung des Spiels erleben. Bei diesem Titel haben wir schon im Vorfeld Videos veröffentlicht und können daher jetzt schon sehen, wie die Erwartungen der Leute gestiegen sind. Gerade auf Social Media können wir die Vorfreude der Spielerinnen und Spieler schon spüren!

STANDARD: Was ist für Sie jetzt anders als kurz vor der Veröffentlichung von "Breath of the Wild"? Ist der Druck höher als vorher?

Fujibayashi: Wir spüren in gewisser Weise den gleichen Druck, da wir die an uns gestellten Erwartungen erfüllen möchten. Unser Ziel ist es, den Spielerinnen und Spielern dieselbe Art von Überraschung zu bieten wie bei der Veröffentlichung des Vorgängers

Aonuma: Diesen Punkt kann ich auch aus Producer-Perspektive bestätigen. Zuerst war ich ein wenig besorgt, ob es uns gelingen würde, diesem hohen Anspruch gerecht zu werden. Aber als die Entwicklung voranschritt und ich "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" spielte, hatte ich das Gefühl, dass wir in der Lage sind, genau das zu erreichen.

STANDARD: Was waren nach "Breath of the Wild" und den beiden DLCs Ihre Pläne, wie Sie die Legende fortsetzen werden? War Ihnen das Konzept von "Tears of the Kingdom" von Anfang an klar, oder gab es mehrere Optionen, aus denen Sie wählen konnten?

Aonuma: Ich schlug damals dem Team vor, eine Fortsetzung zu entwickeln. Nachdem die Arbeiten zu "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" abgeschlossen waren, dachte ich, dass wir die Welt weiter nutzen könnten, um neue Spielerlebnisse darin zu ermöglichen. Also habe ich dem Team mitgeteilt, dass ich dieses Potenzial gerne ausschöpfen wollen würde und wir daher einen Nachfolger realisieren sollten.

Fujibayashi: Als Game-Director war ich natürlich sehr glücklich über diesen Vorschlag. Für "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" hatten wir so viele Ideen, die wir nicht alle umsetzen konnten. Wir hatten also sehr gute Argumente für eine Fortsetzung.

Das Gefühl des Fliegens und Schwebens ist ein wesentliches Spielgefühl in "Tears of the Kingdom".
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STANDARD: Es ist eine bekannte Tatsache, dass sich Miyamoto-san bei der Entwicklung des allerersten Zelda von den Abenteuern seiner Kindheit inspirieren ließ. Woher haben Sie Ihre Inspiration bezogen, für Zelda im Allgemeinen und für "Tears of the Kingdom" im Besonderen?

Fujibayashi: Bei mir ist es genauso: Viele Inspirationen stammen aus meiner Kindheit und den Dingen, die ich gemacht habe, als ich in die Grundschule gegangen bin. Etwa das Bauen und auch die Vorstellung, fliegen zu können, sind Themen, die durch Gedanken und Erfahrungen in meiner Kindheit entstanden sind.

Aonuma: Tatsächlich haben wir schon vor "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" Kindheitserfahrungen aufgegriffen – beispielsweise in "The Legend of Zelda: Skyward Sword". Mit zunehmender Leistungsfähigkeit unserer Hardware sind wir in "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" und in "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" nun noch freier geworden, diese Gedanken und Ideen auszudrücken. Mit der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten lassen sich solche Inspirationen immer besser realisieren.

STANDARD: Die Zelda-Serie ist bekannt und beliebt für Überraschungen im Gameplay. Wie gehen Sie bei der Auswahl neuer Ideen für das Spiel vor?

Fujibayashi: Zu Beginn der Entwicklung von "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" standen wir vor der Herausforderung, dass das Spiel sowohl von den Spielerinnen und Spielern von "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" als auch von Menschen, die jetzt erst einsteigen, mit gleicher Freude gespielt werden sollte.

Für Neulinge gibt es daher ein System, das die Charaktere im Spiel vorstellt, damit sie den Hintergrund jeder Figur verstehen können und welche Rolle sie in der Geschichte einnehmen. Spielerinnen und Spieler, die den früheren Titel gespielt haben, stoßen auf Elemente, die eindeutig in Verbindung zum Vorgänger stehen. Und sie stoßen auf Dinge, die sie zum Lachen – oder zumindest zum Schmunzeln – bringen werden.

STANDARD: Bei all der kreativen Freiheit, die "Tears of the Kingdom" bietet: Hatten Sie keine Bedenken, dass Spieler sich durch das Spiel "cheaten" könnten? Wo müssen Ihrer Meinung nach Grenzen im Open-World-Design gesetzt werden?

Fujibayashi: Aus technischer Sicht ist es unsere Regel, keine Grenzen zu setzen. Wir sind also genau den umgekehrten Weg gegangen: Die Programmierer verstanden sofort, worum es ging, und versuchten, ein Spiel zu entwickeln, in dem dies auch umgesetzt werden kann. Ich habe versucht, keine Einschränkungen für das Team festzulegen. Das war der Ansatz, den wir sowohl für "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" als auch für "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" gewählt haben. Das Ergebnis ist dieses Gameplay.

Aonuma: Der Weg der Spieldesigner hat sich im Laufe der Zeit verändert. Früher haben wir ein Spiel so entwickelt, dass es auf eine bestimmte Art und Weise gelöst werden sollte. Wir haben also die Spielerinnen und Spieler dazu angeleitet, ein bestimmtes Rätsel oder Puzzle auf eine bestimmte Art und Weise zu lösen. Heutzutage ist es eher so, dass die Menschen nicht schummeln, sondern verschiedene Wege finden, um Spielsysteme so effizient wie möglich zu nutzen.

Wir wollten sicherstellen, dass die Spieler und Spielerinnen verinnerlichen, dass wir jede Art von Herangehensweise an eine Herausforderung befürworten. Das führt gleichzeitig zu mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Spiels. Statt eine bestimmte Art und Weise zu definieren, wie eine bestimmte Aufgabe zu lösen ist, gehen wir jetzt bewusst in eine Richtung, in der mehrere Wege willkommen sind.

Dank neuer Fähigkeiten kann sich Held Link kreativ an unterschiedlichsten Fahr- und Flugzeugen austoben.
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STANDARD: "Tears of the Kingdom" konzentriert sich auf die Erkundung eines riesigen Hyrule und auf das Konzept vieler kleiner Schreine, die inhaltlich recht kompakt sind. Dazu zwei Fragen: Wie kam es zu der Entscheidung, große Dungeons weitgehend durch viele kleine Schreine zu ersetzen? Und gibt es eine Chance, dass "altmodische" Dungeons aus früheren Zelda-Erlebnissen ein Comeback feiern könnten?

Fujibayashi: Der Grund, warum wir wie in "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" mit kleineren Schreinen arbeiten, ist, dass wir das System mit den neuen Gegenständen und Fähigkeiten, die in der Fortsetzung verfügbar sind, nach wie vor sehr attraktiv fanden. Wir denken, dass die Schreine auch jetzt wieder sicherstellen, dass die Spieler das Spiel in vollen Zügen genießen werden.

Aonuma: Die Schreine befinden sich in diesem Titel teilweise im Himmel, sodass sie auch als Möglichkeit genutzt werden können, zwischen den Orten zu reisen. Für diejenigen, die den Vorgänger gespielt haben, ist es einfach zu verstehen, wie man sie in dieser riesigen Welt nutzen kann. Aber auch für Neueinsteiger und Neueinsteigerinnen sind Schreine nicht nur Rätsel, sondern ein sehr nützliches Element zur Navigation, das ideal in diese Spielwelt passt. Ob und wie Dungeons in zukünftigen Titeln eingebunden sein werden, können wir zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.

STANDARD: Wegen seines enormen Umfangs hatte ich leider noch keine Zeit, das Spiel durchzuspielen. Wie groß ist das Spiel im Vergleich zu "Breath of the Wild"?

Fujibayashi: Wenn man "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" entspannt spielt, braucht man, ohne zu übertreiben, wahrscheinlich doppelt so viel Zeit. Sogar wir als Entwicklerteam haben beim Testspiel mehr als doppelt so lange gebraucht wie bei "The Legend of Zelda: Breath of the Wild".

Aonuma: (lacht) Ich selbst glaube auch nicht, dass wir schon alles gespielt haben.

Producer Eiji Aonuma (links) und Director Hidemaro Fujibayashi (rechts).
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STANDARD: Haben Sie nach all den Jahren des Erfolgs und der Verantwortung für eine der beliebtesten Marken in der Geschichte der Videospiele jemals mit dem Gedanken gespielt, etwas anderes zu versuchen? Vielleicht ein kleineres Projekt, eine neue IP – oder gar ein anderes Genre?

Fujibayashi: Ich habe auf jeden Fall über kleine, interessante Projekte nachgedacht – aber zuletzt bin ich dann bei dem gelandet, was wir hier haben: "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom". (lacht) In der Vergangenheit hatte ich die Idee, nur einen Raum als Spiel herzunehmen und für Spieler eine Reihe von Geheimnissen in diesen einen Raum zu packen. Ich bin aber noch nicht dazu gekommen, diese Idee zu verwirklichen.

Aonuma: Wenn ich über verschiedene Elemente für ein Spiel nachdenke, wird letztendlich alles in "Zelda" integriert. "The Legend of Zelda" nimmt sozusagen alle Erfahrungen und Ideen auf, die ich mir für Spiele ausdenke. Selbst wenn ich versuche, über Konzepte für andere Spiele nachzudenken, fließen sie letztlich wieder in die "Zelda"-Serie.

STANDARD: Worauf sind Sie bei "Tears of the Kingdom" besonders stolz?

Fujibayashi: Mein persönliches Ziel war es, dafür zu sorgen, dass die Spieler und Spielerinnen die gleiche emotionale Erfahrung machen können wie beim Spielen von "The Legend of Zelda: Breath of the Wild". Ich denke, dass wir das dank all unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" erreicht haben.

Aonuma: Ich möchte an dieser Stelle das ganze Team loben: "The Legend of Zelda" und dieses Spiel kann nur von uns, von unserem Team, geschaffen werden. Es ist etwas Besonderes, ein Spiel zu entwickeln, von dem die Spielerinnen und Spieler überrascht werden. Darauf bin ich sehr stolz.

STANDARD: Was war für Sie der überraschendste Moment in "Tears of the Kingdom"? Vielleicht eine Erfahrung, mit der Sie nicht gerechnet haben?

Fujibayashi: Im Spiel kann man eine Art Segelflieger bauen. Als ich einmal versucht habe, davon abzuspringen, habe ich gemerkt, dass ich trotzdem wieder aufspringen konnte, weil dieser Flieger physikalisch korrekt immer noch durch die Luft glitt. Das war etwas, das ich so nicht erwartet hatte, und also eine lustige Überraschung für mich.

Aonuma: Während der Entwicklung dieses Spiels gab ich dem Team gelegentlich Feedback, dass ein bestimmter Teil sehr gut entwickelt worden war. Dann bekam ich manchmal die Antwort, dass dies eigentlich ein Zufall war. (lacht) Es ist ein sehr witziger Aspekt dieses Spiels, dass manches zufällig passiert. Dieses Unerwartete wird den Spielerinnen und Spielern sicher Spaß machen.

Fujibayashi: Auch wenn es "zufällig" passiert ist, ist es etwas, das wir geschaffen haben. Wir haben sehr viel Arbeit und Mühe in die Entwicklung der grundlegenden Spielsysteme investiert. Diverse Ereignisse sind zwar zufällig, aber dadurch, wie das Spiel von uns entwickelt wurde, sind sie überhaupt erst möglich.

VIDEO: "Tears of the Kingdom" ist "Breath of the Wild" zur Potenz
DER STANDARD

STANDARD: Welches ist Ihr Lieblingsort in "Tears of the Kingdom" und warum?

Fujibayashi: Meine persönlichen Lieblingsorte sind am Anfang und am Ende des Spiels, wo wir allen Spielerinnen und Spielern ein ähnliches Gefühl und eine ähnliche Erfahrung vermitteln wollten. Aber es fällt mir schwer, ohne Spoiler näher ins Detail zu gehen.

Aonuma: Für mich ist es kein Ort, sondern eher ein Gefühl im Spiel. Wenn die Sonne auf- und untergeht. Im Vorgänger konnte man auf einem Pferd einem Sonnenuntergang oder einem Sonnenaufgang entgegenreiten. In diesem Spiel kann man tatsächlich in den Himmel fliegen und so auf den Sonnenuntergang oder den Sonnenaufgang zusteuern. Das ist eine sehr schöne Szene. Und ich denke, dass das Team, das diese Szene geschaffen hat, eine sehr beeindruckende Arbeit geleistet hat. (Benjamin Brandtner, 12.5.2023)