In ganz Westeuropa gab es im Vorjahr 139.973 Insolvenzen.

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Wien – Europäische Unternehmen bekamen zuletzt den wirtschaftlichen Druck zu spüren: Hohe Inflation, Energiemangel sowie gesamtwirtschaftliche Probleme haben zu einem deutlichen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen geführt. So gab es 2022 in Westeuropa (EU-14, Großbritannien, Schweiz und Norwegen) 139.973 Insolvenzen – um 24,12 Prozent mehr als 2021. Und in Osteuropa stieg die Zahl der Insolvenzen um 53,5 Prozent auf 60.010 Fälle, geht aus einer Untersuchung der Creditreform hervor.

Unternehmen kämpften mit massiven Preisanstiegen und deutlich höheren Zinsaufwendungen sowie einer sich im Jahresverlauf abschwächenden Konjunktur. "Viele angeschlagene Unternehmen konnten den Mehrfachbelastungen nicht mehr standhalten", sagte Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, laut einer Aussendung.

Nachholeffekte aus Corona-Jahren

Allerdings gab es in den zwei Jahren zuvor deutlich weniger Unternehmensinsolvenzen. Daher sei die Lage im Vorjahr als eine Normalisierung und notwendige Entwicklung zu sehen, sagte Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer der Creditreform Österreich. Demnach habe es im Vorjahr Nachholeffekte gegeben, auch wenn die Insolvenzzahlen noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht hätten.

Den größten Anstieg bei den Insolvenzen verzeichneten Österreich mit 59,7 Prozent, Großbritannien mit 55,9 Prozent und Frankreich mit einem Plus von 50 Prozent. Rückgänge wurden hingegen aus Dänemark, Luxemburg, Portugal, Italien und Griechenland gemeldet. Allerdings seien diese Zahlen nicht unbedingt vergleichbar, da das Insolvenzrecht nicht direkt vergleichbar sei, teilte die Gläubigerschutzorgansisation mit. Vor allem in südlichen Ländern sei es üblich, Unternehmen ohne Insolvenz zu schließen.

"Fahnenstange noch nicht erreicht"

Dass Österreich beim Anstieg der Insolvenzen Spitzenreiter ist, ist laut Creditreform auch auf die Corona-Regelungen und -Förderungen zurückzuführen. Die solcherart subventionierten Unternehmen hätten nach der Pandemie die Lieferkettenproblematik und die Energiekrise nicht überwinden können.

"Die Trendwende bei den Insolvenzzahlen ist eingeläutet. Dabei ist das Ende der Fahnenstange wohl noch nicht erreicht. Der Druck bleibt auf dem Kessel, sodass auch in den kommenden Monaten mit steigenden Zahlen zu rechnen sein wird", sagte Hantzsch.

Leichte wirtschaftliche Erholung

Dabei hat es einzelne Branchen mehr getroffen: So verzeichneten Handel und Gastgewerbe ein Plus von 34,5 Prozent, gefolgt vom Baugewerbe mit einem Anstieg der Insolvenzen um 24,7 Prozent. Im Dienstleistungssektor stiegen die Insolvenzen um ein Fünftel und im verarbeitenden Gewerbe um 13,1 Prozent.

Dafür zeige sich bei den Unternehmen in Westeuropa eine leichte wirtschaftliche Erholung. Wiesen 2021 noch 26,7 Prozent der Unternehmen ein negatives Betriebsergebnis (EBIT) auf, waren es im Vorjahr nur 21,3 Prozent. Und knapp ein Fünftel der Unternehmen erzielte eine Marge von mehr als 25 Prozent. 47,2 Prozent der Unternehmen hätten eine Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent – damit verbesserte sich der Wert um einen Prozentpunkt. (APA, red, 11.5.2023)