Den Wunsch nach einem größeren Penis gibt es in allen Altersgruppen – genauso wie unrealistische Vorstellungen davon, was mit einer Penis-OP erreichbar ist.

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"Warum bist du eigentlich kein Mädchen, du hast doch schon Titten wie eines!" Es war dieser Satz, der Clemens* (Name von der Redaktion geändert) in ein tiefes Loch stürzte. Nach dem Unterricht umzingelten den damals 17-Jährigen sieben Mitschüler, griffen ihm an die Brust, kneteten darauf herum. Denn Clemens hatte eine "Männerbrust", eine sogenannte Gynäkomastie. "Nach diesem Erlebnis habe ich begonnen, meine Brüste zu hassen", erzählt der heute 24-Jährige im Gespräch mit dem STANDARD. Bei jeder Begegnung wanderten die Blicke der Gesprächspartner zuerst nach unten, dann erst ins Gesicht. Aus Scham hörte er auf, enge Kleidung zu tragen. "Irgendwann ging dann das Kopfkino in mir los, und ich habe mir vorgestellt, ich nehme ein Messer aus der Küche und schneide sie selbst ab."

Clemens hat es nicht getan. Viele Jahre kämpfte er mit sich. Bei dem Gedanken an eine Operation sagte er zu sich: "Sowas macht man als Mann doch nicht. Leb gefälligst damit!" Doch setzte ihm die Situation immer weiter zu, zerstörte sein Selbstbewusstsein. Dem Gedanken an mögliche erotische Begegnungen wich er aus. Mit 23 war der Leidensdruck dann groß genug. Er ging zu mehreren Ärzten, um Ursachen und Möglichkeiten auszuloten. Und dann legte er sich unters Messer.

Etwa jeder fünfte Patient ein Mann

Eine Gynäkomastie ist eine gutartige Vergrößerung der männlichen Brustdrüse. Sie kann hormonelle Ursachen haben, aber auch durch Übergewicht oder andere Faktoren bedingt sein. Oft ist wie bei Clemens der Grund aber einfach nicht auszumachen. Medikamente helfen nur in frühen Phasen. Für viele Betroffene führt der Weg deshalb in den Operationssaal. Etwa zu Matthias Rab nach Klagenfurt. Am dortigen Lehrkrankenhaus leitet er die Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, dazu betreibt er eine Privatordination.

Dort ist etwa jeder fünfte Patient ein Mann – Tendenz steigend. Genaue Zahlen gibt es für Österreich nicht, in Deutschland lag der Männeranteil bei Schönheits-OPs in den vergangenen Jahren zwischen zehn und 17 Prozent. "Der Anspruch der Männer ist massiv gestiegen. Durch die Pandemie hat sich das nochmal verstärkt", beobachtet Rab.

Bei jungen Männern ist die Gynäkomastie die häufigste Behandlungsursache. Bei Männern ab 35 geht es dann vorrangig um hormonell bedingten Haarausfall, Lidkorrekturen, Fettabsaugungen. Besonders Letztere sind in den vergangenen Jahren stark in Mode gekommen: "Viele Jüngere sagen, sie trainieren intensiv im Fitnessstudio, aber ein Bauchansatz bleibt. Das lässt sich gezielt mit einer Liposuktion korrigieren." Dennoch geht der Trend zu weniger invasiven Behandlungen, etwa mit Botox oder Laser. In Deutschland, wo es entsprechende Zahlen gibt, machen Botox-Behandlungen bei den Männern 11,4 und Faltenunterspritzungen neun Prozent der ästhetischen Behandlungen aus. Damit haben sie Frauen (12,6 beziehungsweise 15,9 Prozent) fast eingeholt.

"Das Influencertum beobachte ich nur bei Frauen"

Während Frauen meistens mit konkreten Behandlungswünschen in Rabs Ordination auftauchen, sind Männer eher unspezifisch, sagen nur, sie seien unzufrieden mit ihrem Hals oder ihrem Bauch. Oft ist Rab dann der Erste, mit dem diese Männer überhaupt über ihre Probleme sprechen. "Dass sich Männer untereinander austauschen, habe ich noch nie gehört. Oft muss ich für die Patienten erst in Worte fassen, wo das Problem wirklich liegt. Vielen fällt es schwer, das zu benennen."

Wenn es Männer – wie auch Frauen – überhaupt zu Rab in die Ordination schaffen, geht dem Schritt nicht selten eine sehr große psychische Belastung voraus, die bis zu Depressionen reichen kann. Dann gilt es, die Ursachen der psychischen Probleme genau zu analysieren. Lassen sie sich tatsächlich auf das Unwohlsein im eigenen Körper zurückführen, kann eine Operation sogar heilsam sein: "Es kommt vor, dass Betroffene nach einer Operation keine Psychopharmaka mehr brauchen."

Die sozialen Medien oder die Vorstellung, wie eine bestimmte Person auszusehen, spielen in den Veränderungswünschen von Rabs männlichen Patienten übrigens kaum eine Rolle: "Das Influencertum bemerke ich nur bei Frauen. Mir hat noch kein Mann ein Foto am Smartphone gezeigt und gemeint: So will ich aussehen."

Der Traum vom großen Penis

Eine besonders tabuisierte Operation bietet Rab, wie viele Kolleginnen und Kollegen, in seiner Ordination übrigens nicht aktiv an: die Penisvergrößerung. Sie zählt zu den Spezialgebieten des Wiener Urologen und Andrologen Franklin Kuehhas. Auch er stellt bei seinen Patienten einen beträchtlichen psychischen Leidensdruck fest, der oft bereits im Kindesalter beginne. Schon 18-Jährige legen sich deshalb unters Messer – genauso wie 80-Jährige. Rund 170 ästhetische Operationen am Penis führt Kuehhas pro Jahr durch.

Allerdings liegen Anspruch und Machbarkeit häufig weit auseinander: Denn operativ möglich sind zwar Verdickungen im schlaffen und steifen Zustand, Verlängerungen aber nur beim nichterigierten Penis: "Immer wieder wollen Männer statt eines Penis mit 15 Zentimetern Länge im steifen Zustand einen mit 20 Zentimetern haben. Diesen Patienten kann man nicht helfen."

Solche falschen Erwartungen bringt etwa jeder Dritte mit, der sich bei Kuehhas nach einer Penisvergrößerung erkundigt. Der Grund dafür seien Bilder, die sich bei Männern vor allem durch Online-Pornos einprägen: "Ganz wenige haben Penisse über 20 Zentimeter. Aber die Penisgröße hat nichts damit zu tun, ob man sexuell glücklich ist, sondern es geht darum, ob man sich wohlfühlt und nicht gehemmt ist." Darauf liegt der Fokus der Eingriffe.

Bei einer Penisverlängerung werden die vorderen Penishaltebänder durchtrennt. Dadurch kann der innenliegende Teil des Gliedes weiter nach außen gerückt werden. Bei einer Penisverdickung wird Hyaluronsäure oder Eigenfett injiziert, wobei der Effekt bei Fetteinspritzungen länger anhält, wenngleich 30 bis 50 Prozent des Fetts früher oder später wieder abgebaut werden. Eine Hyaluron-Behandlung muss etwa einmal im Jahr wiederholt werden. Drei von vier Männern kombinieren übrigens Verlängerung und Verdickung. Sie können einen Längenzuwachs von zweieinhalb bis fünf Zentimetern und rund 40 bis 50 Prozent mehr Umfang erwarten.

OP-Tourismus in der Türkei

Wer schön sein will, muss nicht nur leiden, sondern insbesondere zahlen. Für einen größeren Penis braucht es bis zu 10.000 Euro, eine Fettabsaugung gibt es in Österreich ab etwa 4.000 Euro, für die operative Entfernung einer Gynäkomastie werden 2.000 bis 8.000 Euro veranschlagt. Der Markt ist umkämpft – und globalisiert. Vor allem türkische Anbieter werben mit deutschsprachigen Websites um Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, bieten Onlineberatungen und pauschale Reiseangebote an, die preislich unter Eingriffen hierzulande liegen. Aber ist es eine gute Idee, hier Geld sparen zu wollen?

"Gerade die türkischen Kollegen sind hervorragend ausgebildet und uns in verschiedenen Belangen überlegen", gesteht der Klagenfurter Mediziner Rab. Als Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie beobachtet er die internationale Szene genau. Letztlich müsse man mit sich selbst klären, ob man sich nach einer Operation gleich wieder in ein Flugzeug nach Hause setzen wolle – wo man sich dann um die postoperative Behandlung selbst kümmern müsse.

"Die Jahre krieg ich nicht mehr zurück"

Für Clemens war die Entfernung der Männerbrust kein einfacher Eingriff. In den Tagen danach musste er schmerzhafte Drainagen tragen, sechs Wochen lang zudem ein Kompressionshemd, Sport war tabu. Heute, neun Monate nach seiner Operation, bleiben große Narben, die betroffenen Stellen sind weitgehend gefühllos. Häufige Nebenwirkungen, die er in Kauf genommen hat – und auch wieder in Kauf nehmen würde. "Wenn ich könnte, würde ich zu meinem 18-jährigen Ich zurückreisen und ihm sagen: 'Mach die OP sofort.' Die fünf Jahre, die ich gewartet habe, kriege ich nicht mehr zurück."

Jetzt kann er die Kleidung tragen, die er will. Das Wichtigste für ihn aber ist: "Ich kann in den Spiegel schauen, ohne mir sagen zu müssen: 'Warum siehst du nicht aus, wie ich's gern hätte?' Heute schaue ich den Spiegel und kann sagen: 'Es passt!'" (Michael Windisch, 14.5.2023)