Bei einer Verkehrsblockade soll am Mittwochmorgen ein Einsatzfahrzeug auf dem Weg zu einer Reanimation behindert worden sein, worauf der Patient starb. Ein Insider behauptet, dass ein gänzlich anderer Fehler passiert sei.

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Wien – Es war eine höchst ungewöhnliche Presseaussendung der Landespolizeidirektion Wien, die am Mittwoch um 14.13 Uhr in den Redaktionspostfächern einlangte. Die Exekutive berichtete über die "Auflösung nicht angezeigter Versammlungen" von Klimaaktivistinnen und -aktivisten am Praterstern und am Verteilerkreis in Wien-Favoriten, wo sich die Protestierenden der Letzten Generation wieder einmal auf der Fahrbahn festklebten.

Das Besondere an der Mitteilung: Die Polizeipressestelle vermerkte dezidiert, nach welchen Paragrafen die Manifestanten angezeigt wurden. Ein Wagen der Wiener Berufsrettung auf der Einsatzfahrt zu einer Reanimation soll beim Verteilerkreis im demobedingten Stau gesteckt sein, weshalb die Exekutive Anzeigen wegen des Paragrafs 89 des Strafgesetzbuches schrieb – "Gefährdung der körperlichen Sicherheit" heißt dieser.

Die Aufregung war groß: Denn der 69-jährige Patient aus Schwechat starb – der Verdacht stand also im Raum, dass die Protestierenden den Tod eines Menschen zu verantworten hätten, was sogar Ermittlungen wegen grob fahrlässiger Tötung zur Folge haben könnte. Nur: Wie ein Insider dem STANDARD berichtet, lag das Problem an diesem Mittwochmorgen weniger auf dem Verteilerkreis, sondern bei der Wiener Berufsrettung selbst – ein Disponent soll sich nach dem Notruf in der Adresse geirrt haben. Statt in die Mautner-Markhof-Straße in Schwechat unmittelbar an der Stadtgrenze zu Wien sollen die Ärztinnen und Sanitäter in die gut sechs Kilometer entfernte Mautner-Markhof-Gasse in Wien-Simmering geschickt worden sein.

Lange 15 Minuten bis zur Klärung

Wie die anonym bleiben wollende Quelle weiter berichtet, dauerte es an die 15 Minuten, bis die Verwechslung aufgeklärt war. Erst dann trat die Leitstelle der Wiener Rettung den Fall an ihre Kollegen vom Notruf Niederösterreich ab, wie dem STANDARD dort bestätigt wird. Die Rettungskette wurde dann von den Niederösterreichern in Gang gesetzt: Sie alarmierten den Notarzthubschrauber Christophorus 9 und das Rote Kreuz, das in Schwechat einen rund eineinhalb Kilometer vom Einsatzpunkt entfernten Stützpunkt besitzt. Wie Andreas Zenker, Sprecher des Roten Kreuzes in Niederösterreich, bestätigt, kämpften seine Kollegen und die Besatzung des Helis eineinviertel Stunden um das Leben des Mannes, ehe er um 9.14 Uhr für tot erklärt wurde.

Die Verkehrsbehinderungen am Verteilerkreis hatten damit nichts zu tun, ist der anonyme Tippgeber überzeugt – laut einer später durchgeführten Peilung sei das Notarzteinsatzfahrzeug nur drei Minuten von der Rettungsstation in der Grenzackerstraße zum Verteilerkreis unterwegs gewesen, als der Einsatz an Niederösterreich weitergegeben wurde und Wien nicht mehr zuständig war.

Obwohl er keine Sympathien für die "Klimakleber" hege, sei der gravierende Fehler bereits durch die Adressenverwechslung passiert, meint er. Andere Quellen sehen ebenso wenig Konsequenzen, selbst wenn der Notarzt an der mindestens zehn Kilometer langen Fahrt nach Niederösterreich durch einen Stau behindert worden sei, da ja bereits Kräfte in Schwechat vor Ort gewesen seien.

Wiener Rettung gab Erste-Hilfe-Tipps

Bei der Magistratsabteilung 70, der Wiener Berufsrettung, ist Corina Had für die Medienauskünfte zuständig. Sie bestätigt, dass ursprünglich die Bundeshauptstädter den Notruf einer Angehörigen des 69-Jährigen angenommen hätten. Der Frau seien via Telefon Erste-Hilfe-Tipps gegeben worden, die Einsatzmittel seien losgeschickt worden – allerdings zunächst zur falschen Adresse. Nachdem die Mediziner in Simmering keinen Notfall entdeckten konnten und die Angehörige noch in der Leitung war, wurde der Irrtum schlussendlich aufgeklärt. Wie lange es bis dahin dauerte, will Had nicht verraten. Dann sei zunächst noch kurz das Fahrzeug aus der Grenzackerstraße ausgerückt, ehe Niederösterreich zuständig wurde.

Had sieht aber an der Grundproblematik nichts geändert: Ein Rettungswagen habe sich mit Blaulicht genähert und sei nicht weitergekommen. Dass er gar nicht mehr benötigt wurde, sei zu diesem Zeitpunkt ja noch unklar gewesen. Grundsätzlich können auch andere Helfer sich vorstellen, dass es durch Straßenblockaden im innerstädtischen Bereich zu gefährlichen Situationen kommen könne – denn ein Verkehrsstau breite sich rasch aus, die Aktivisten hätten kaum eine Möglichkeit, zu erkennen, ob drei Blocks entfernt ein Einsatzfahrzeug in der verstopften Straße nicht weiterkommt, dem selbst eine freigelassene Fahrspur vor Ort nicht weiterhilft. Dass aber die Wiener Polizei diesen konkreten Fall an die Öffentlichkeit gebracht hat, überrascht alle Retter – vor allem, da der konkrete Todesfall wohl gar nichts mit den Protestaktionen zu tun hat. (Michael Möseneder, 12.5.2023)