Es sind ein paar Stufen hinauf in den Garten des Gasthauses, das Sophie und Heinrich Prost im Jahr 1899 weit draußen vor der Stadt, im Luftkurort Mauer eröffnet haben. Heute ist der Wirt in der Speisinger Straße 224 längst eingemeindet, Bim und Bus tschundern vorbei, und jedes der Einfamilienhäuser rundum ist von Gittern und Hecken und Mauern eingefriedet, man muss sich ja vor den Nachbarn schützen, gell.

Vorstadt ganz idyllisch: gekiester Gastgarten mit Kastanienbaum im Gasthaus Prost, weit draußen in der Speisinger Straße.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das alte Gasthaus ist immer noch in der Familie, zuletzt hatte es als Schwammerlwirt lokales Renommee. Mit Ururenkelin Ricarda und ihrem Mann Alexander Kristen hat soeben die fünfte (!) Generation übernommen, jetzt heißt es wieder Prost. Die prachtvolle Riebl-Schank samt Kühlung hat schon der Großvater angeschafft, sie wurde minutiös restauriert und steht wie ein Monument der Kontinuität im Schankraum. Rundherum durfte über die Jahrzehnte aktualisiert werden, auch im Garten mit gar mächtiger Markise und diversen Nebengebäuden. Aber der Kies ist geblieben, und er verfehlt die Wirkung nicht: Ein Kellner mit Tablett voller Trumer Märzen verrät sein Kommen schon von Weitem – es knirscht einfach anders, wenn jemand von Gewicht sich nähert. Dass ein gutes Bier auf Kiesgrund, unter Altbaumschatten, gleich noch einmal so gut schmeckt wie in echt, ist aber auch längst erwiesen. Zum Glück scheinen die Gäste allesamt aus nächster Umgebung zu sein. Genau so soll es unter diesen Umständen sein.

Mit Bodenhaftung

Alexander Kristen hat zwar schon bei Konstantin Filippou und Toni Mörwald gedient, im familieneigenen Wirtshaus geht er es aber mit Bodenhaftung an. Grammelknödel mit warmem Krautsalat sind eine Vorspeise von Graden, im Großmurmelformat und dennoch flaumig, flummig und reich gefüllt. Bei geschmorter roter Rübe mit Senfkörnern und eingekochten Zwiebeln zeigt Kristen, dass er auch das Gemüse liebt. Nur der Grünspargel, mit ungeschälten (aber nicht frisch gekochten) Mini-Erdäpfeln und seltsam kraftlosem Dashi-Sud, erinnert an eine vewordakelte Diätvorspeise.

Gefüllter Paprika ist rot, das ist aber der einzige Ausreißer aus dem Korsett der Tradition. Ansonsten: richtig drall und fleischig mürb gefüllt, siaßlerte Paradeissauce und schneeweißen (leider nicht gebutterten) Reis dazu, so kennt man das in Wien. Zander wird knusprig gebraten und auf Paprikakraut gebettet, alles wunderbar. Nur: Wenn’s als Szegediner am Speiszettel steht, darf man sich’s immer noch aus Sauerkraut erwarten! Das sind aber Details, die nicht davon ablenken sollen, dass hier ordentlich gekocht wird.

Der Solospargel hat noblen Biss, die Hollandaise vermittelt frühlingsähnliche Schaumigkeit.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Backhendl? Station machen!

Und mitunter sogar grandios: Das Backhendl vom Sulmtaler aus ausgelöstem Haxl ist samt zart geknofeltem Gurkenrahmsalat mit Dille ein echtes Schulbeispiel der Gattung: saftig, mit Biss, vor allem aber von einer atomar berstenden Knusprigkeit, geradezu keksig, wie sich die Panier da an den kühl rahmigen Gurkinger schmiegt. Entzückend! Auch der Solospargel von Brandenstein hat noblen Biss, die Erdäpfel werden in Butterschmalz galvanisiert, die Hollandaise vermittelt frühlingsähnliche Schaumigkeit, und der Beinschinken kommt, nona, vom Hödl – der schlachtet schließlich im Bezirk.

Wein aus Mauer haben die Maurer zur Genüge, also darf es hier etwas anderes sein. Der köstlich straff gespannte Welschriesling von Heinz Velich aus Apetlon zum Beispiel zeigt, dass der immer noch als Zechwein verunglimpfte Weiße auch zu atlantischer Finesse und zarter Salzigkeit taugt – sehr sauber. Apropos französeln: Hinterher empfiehlt sich der karamellisierte Kipferlschmarren, sozusagen die Vorstadtversion eines French Toast – nur besser! (Severin Corti, 19.5.2023)