Traute Einigkeit bei der Eröffnung der Mailänder Scala im Dezember 2022: In der Mitte Staatspräsident Sergio Mattarella, rechts Meloni.
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Der Kampf um die Rai gilt in Italien von jeher als Mutter aller kultur- und gesellschaftspolitischen Schlachten: Die staatliche Fernsehgesellschaft mit mehr als einem Dutzend Sendern und vielen Eigenproduktionen ist die größte Kulturinstitution Italiens. Wer die Rai kontrolliert, verfügt über das zentrale Propagandaorgan des Landes. Und so ist der Sender nach Regierungswechseln immer die erste staatliche Institution, die die Begehrlichkeiten der neuen Machthaber weckt. Insofern ist der jüngste Eroberungsfeldzug von Giorgia Meloni bei der Rai für sich allein gesehen noch kein Anzeichen für antidemokratische Umtriebe einer postfaschistischen Regierungschefin. Così fan tutti – was Meloni tut, das tun alle Regierungschefs in Italien, wenn sie sich erst einmal an den Schalthebeln der Macht befinden.

Sieben Monate nach der Amtseinführung der ultrarechten Regierung ist Rai nun wieder zur Beute der neuen Regenten geworden: Der bisherige Senderchef Carlo Fuortes hat vergangene Woche entnervt das Handtuch geworfen. Unter der gegenwärtigen Regierung könne er nicht mehr arbeiten, erklärte Fuortes und verwies auf den seit Monaten tobenden "politischen Konflikt um meine Person".

Von der Rai in die Oper

Fuortes war im Jahr 2021 vom damaligen parteilosen Premier Mario Draghi ernannt worden. Das Fass zum Überlaufen brachte letzte Woche das von der Regierung Meloni erlassene "Fuortes"-Dekret: Es wurde erlassen, um dem Rai-Chef seinen Abgang beim Staatssender mit der Aussicht auf einen neuen Posten zu versüßen: Fuortes soll nach dem Willen der Regierung das – durchaus prestigeträchtige – Theater San Carlo in Neapel leiten dürfen.

Es gab da aber noch ein kleines Problem: Der bisherige Intendant des San Carlo, der Franzose Stéphane Lissner, zeigte sich nämlich trotz seiner 70 Jahre noch keineswegs amtsmüde. Und so hat Meloni im "Fuortes"-Dekret die für italienische Intendanten bereits geltende Altersgrenze von 70 Jahren einfach auf Ausländer ausgeweitet. Dieser Taschenspielertrick sucht, was seine Scheinheiligkeit anbelangt, selbst in der langen und episodenreichen Geschichte des italienischen Postenschachers seinesgleichen.

Lissner, der unter anderem auch schon Musikdirektor der Wiener Festwochen und Intendant der Pariser Oper war, will sich das nicht bieten lassen: Er hat beim Arbeitsgericht eine Beschwerde eingereicht. Meloni kann dies freilich egal sein: Sie wollte mit dem Dekret den Rücktritt des Rai-Chefs erzwingen, und das ist ihr gelungen.

Altersgrenze für Ausländer

Die Einführung der Altersgrenze auch für Ausländer hat in der italienischen Kunstwelt für einige Aufregung gesorgt. Denn die neue Regelung könnte sehr bald auch den Intendanten der Mailänder Scala treffen: Dominique Meyer ist ebenfalls Franzose und auch schon 67 Jahre alt. Der Vertrag des Ex-Chefs der Wiener Staatsoper an der Scala läuft 2025 aus; noch ist unklar, ob er verlängert wird. Der Staatssekretär für Kultur der Regierung, der Kunstkritiker Vittorio Sgarbi, fordert schon seit einiger Zeit, dass zumindest der Intendant der Scala und der Direktor der Uffizien in Florenz einen italienischen Pass haben sollten. Die Uffizien werden seit 2015 vom Deutschen Eike Schmidt geführt.

Ob Meyer, Schmidt oder auch Gabriel Zuchtriegel, der deutsche Direktor der Ausgrabungsstätte von Pompeji, sich unter der souveränistischen Regierung tatsächlich Sorgen um ihre Jobs machen müssen, wird die Zukunft zeigen. Die 46-jährige Meloni teilt den altväterischen Kulturchauvinismus des 71-jährigen Sgarbi aber eher nicht.

Gegen "Gender-Ideologie"

Sie interessiert sich weniger für die kulturelle, sondern mehr für die gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Deutungshoheit im Lande: Sie will den – angeblich – vorherrschenden linken Mainstream überwinden und durch ein rechtsnationales Narrativ ersetzen, in dem die "Gender-Ideologie", die "Willkommenskultur" und die "Öko-Vandalen" der Letzten Generation keinen Platz mehr finden sollen. Um dieses Narrativ durchzusetzen, benötigt Meloni die Rai dringender als Kulturtempel wie die Scala, das San Carlo und die Uffizien, wohin sich ohnehin nur die von ihr verachteten "Eliten" verirren.

Neuer starker Mann bei der Rai wird nun Giampaolo Rossi, ein langjähriger Kampfgefährte. Der bereuende ehemalige Putin-Verehrer (nach der russischen Invasion in die Ukraine hat Rossi seine Meinung geändert) will nun die, wie er sagt, "Dauerpräsenz der Linksintellektuellen" im Staatssender beenden, und aufmüpfige Rapper und Influencer wie Fedez sollen ebenfalls nicht mehr ständig zu sehen sein, schon gar nicht an dem von der Rai produzierten, äußerst populären Schlagerfestival von San Remo. (Dominik Straub aus Rom, 12.5.2023)